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03.01.2011
Unternehmensteuer

BFH: Minderung Unterentnahmen durch laufenden Verlust

Der BFH hat die Auffassung des Finanzgerichts bestätigt, dass Verluste für sich genommen nicht zu Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG führen. Andernfalls würde in einem Verlustjahr, in dem weder Entnahmen noch Einlagen getätigt wurden, eine Überentnahme in Höhe des Verlustes vorliegen (BFH-Urteil vom 03.03.2011).
Eine Überentnahme kann jedoch nicht höher sein als die Entnahme (vgl. auch BMF-Schreiben vom 17.11.2005). Eine weitere Einschränkung der Berücksichtigung von Verlusten ist im Rahmen von § 4 Abs. 4a EStG nicht geboten. So wie Gewinne und Einlagen das dem Steuerpflichtigen für Entnahmen zur Verfügung stehende Eigenkapital mehren, wird dieses durch Verluste gemindert. Es ist daher folgerichtig, Verluste in die Berechnung von Überentnahmen und Unterentnahmen einzubeziehen.

BFH, Urteil vom 22.02.2012, X R 27/10, nicht amtlich veröffentlicht (im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH, Urteil vom 22.02.2012, X R 12/09, nicht amtlich veröffentlicht)

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Sachverhalt FG Düsseldorf

Streitig ist die Höhe der abziehbaren Schuldzinsen der Jahre 2002 bis 2005 nach § 4 Abs. 4 a EStG. Konkret ist strittig, ob die im Jahr 2001 durch den Kläger erbrachten Einlagen, soweit sie die Entnahmen dieses Jahres überschreiten, hinsichtlich der Ermittlung des für Zwecke des § 4 Abs. 4 a EStG maßgebenden Überentnahmebetrages vorrangig mit den in den Vorjahren getätigten Überentnahmen (so die Auffassung des Klägers) oder mit dem laufenden Verlust des Jahres 2001 (Auffassung des Finanzamtes) zu verrechnen sind.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Nach § 4 Abs. 4 a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4 a Satz 2 EStG). Die nichtabziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 v. H. der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres zzgl. der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt.

Der Gesetzgeber wollte mit dem ab 1999 geltenden § 4 Abs. 4 a EStG der BFH-Rechtsprechung zu dem Mehrkontenmodell entgegentreten und den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit einschränken. Der Unternehmer soll ohne nachteilige Folgen für den betrieblichen Schuldzinsenabzug nicht mehr die vollständigen Betriebseinnahmen, sondern nur noch den im Unternehmen erwirtschafteten Gewinn sowie geleistete Einlagen entnehmen können (BFH-Urteil vom 07.03.2006). Es soll letztlich verhindert werden, dass Schuldzinsen für das Darlehen steuerlich geltend gemacht werden können, die zwar formal der betrieblichen Sphäre zuzuordnen sind, indes wirtschaftlich allein zur Finanzierung von Entnahmen aufgenommen und so letztlich privaten Zwecken zugeführt werden.

Der Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4 a EStG ist mangels einer besonderen Bestimmung in dieser Vorschrift im Sinne des allgemeinen Gewinnbegriffs in § 4 Abs. 1 EStG bzw. § 4 Abs. 3 EStG auszulegen (BFH-Urteil vom 07.03.2006). Damit ist unter "Gewinn" grundsätzlich auch der Verlust als negativer Gewinn zu verstehen. Eine vollständige Gleichsetzung des Verlustes mit dem Gewinn verbietet sich nur insoweit, als der Verlust alleine schon eine Überentnahme in genau der gleichen Höhe begründen würde. Durch eine solche "Überentnahme" würde der Privatsphäre mehr zugerechnet als ihr durch Entnahmen tatsächlich zugeführt wurde. Im Lichte des Gesetzeszwecks muss damit vielmehr der tatsächliche Nettozufluss zur Privatsphäre, das heißt, der Überschuss aller Entnahmen über alle Einlagen (Entnahmeüberschuss), die Obergrenze der Überentnahme im Sinne von § 4 Abs. 4 a Satz 2 EStG bilden (BMF-Schreiben vom 17.11.2005). Verluste erhöhen folglich nicht die Entnahmen. Vor dem Hintergrund, dass der Gedanke des vorhandenen (positiven!) Eigenkapitals bei § 4 Abs. 4 a EStG letztlich entscheidend für die Höhe des steuerlich wirksamen Schuldzinsenabzuges ist, bleiben Verluste gleichwohl nicht gänzlich unberücksichtigt. Sie können mit kapitalerhöhenden Größen (Gewinn und Einlagen) desselben oder anderer Wirtschaftsjahre verrechnet werden und auf diese Weise das steuerunschädliche entnahmefähige Eigenkapital mindern. Damit kann ein Verlust einen etwaigen Einlagenüberschuss (Überschuss der Einlagen über die Entnahmen des jeweiligen Jahres) aufzehren und so das Entstehen einer Unterentnahme verhindern.

Danach hat das Finanzamt zu Recht die nach Verrechnung mit den Entnahmen 2001 verbleibenden Einlagen 2001 mit dem laufenden Verlust des Jahres 2001 saldiert, was dann zu der im Jahr 2002 steuerlich zu berücksichtigenden "Überentnahme Vorjahre" führt.

Betroffene Norm

§ 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999
Streitjahre 2002 bis 2005

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.2009, 11 K 4248/08 (zu X R 12/09)
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.08.2010, 11 K 763/08 G,F (zu X R 27/10)

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 07.03.2006, X R 44/04, BStBl II 2006, S. 588
BMF, Schreiben vom 17.11.2005, BStBl I 2005, S. 1019, Tz. 11 ff.
Finanzgericht Baden Württemberg, Urteil vom 27.01.2009, 11 K 4248/08, EFG 2009, S. 737, BFH-Urteil vom 22.02.2012, X R 12/09

 

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