FG Hamburg: Nachveräußerungssperre bei Abspaltung
BFH-Urteil vom 11.08.2021, I R 39/18:
Im Gegensatz zum FG kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass Veräußerungen von Anteilen an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft unterhalb der 20%-Grenze oder nach Ablauf der Fünfjahresfrist für die Buchwertfortführung bei Abspaltungen unschädlich sind. § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG hat demnach keinen eigenständigen, von Satz 4 losgelösten Anwendungsbereich. Sätze 3 und 4 des § 15 Abs. 2 UmwStG bilden vielmehr eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung (siehe Deloitte Tax News).
BFH, Urteil vom 11.08.2021, I R 39/18
Vorinstanz (FG Hamburg):
Eine Spaltung zu Buchwerten ist auch dann nicht möglich, wenn zwar die schädliche Veräußerung tatsächlich erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist erfolgt oder die 20%-Grenze nicht überschritten wird, allerdings durch die Spaltung nachweislich die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG hat demnach einen eigenständigen Anwendungsbereich, der unabhängig von § 15 Abs. 2 S. 4 UmwStG ist.
FG Hamburg, Urteil vom 18.09.2018, 6 K 77/16
Sachverhalt
Die A GmbH spaltete zum 31.12.2007 eine 100%-ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft auf eine in 2008 neu gegründete GmbH (eine Schwestergesellschaft der A GmbH) gegen Gewährung von Anteilen ab. Diese Abspaltung hatten die Muttergesellschaften der A GmbH mit einer Käuferin im Rahmen eines Kaufvertrags vereinbart, in dem gleichzeitig festgelegt wurde, dass die Käuferin die Anteile an der neu gegründeten GmbH von den Muttergesellschaften der A GmbH erwerben sollte. Für die Abspaltung wurde die Buchwertfortführung beantragt. Das Finanzamt versagte die beantragte Fortführung zu Buchwerten unter Hinweis auf die in § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG geregelte sog. Nachspaltungsveräußerungssperre und setzte stattdessen den gemeinen Wert an.
Entscheidung
Auch das FG sieht die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung als nicht gegeben an.
Gesetzliche Grundlagen
In § 15 Abs. 2 S. 1 bis 5 UmwStG werden Ausnahmen von einer Buchwertfortführung nach § 11 Abs. 2 UmwStG normiert. Nach § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG ist ein Ansatz der Buchwerte dann nicht zulässig, wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. Davon ist nach § 15 Abs. 2 S. 4 UmwStG auszugehen, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 Prozent der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert werden.
Keine Buchwertfortführung aufgrund der Nachspaltungsveräußerungssperre des § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG
Nach Auffassung des FG steht der Buchwertfortführung die Nachspaltungsveräußerungssperre des § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG entgegen, da durch die Abspaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen wurden.
Dabei sei es unerheblich, ob die in § 15 Abs. 2 S. 4 UmwStG aufgeführten Fallkonstellationen erfüllt sind, da § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG einen eigenständigen Anwendungsbereich habe. Eine Spaltung zu Buchwerten sei daher auch dann nicht möglich, wenn zwar die schädliche Veräußerung tatsächlich erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist erfolgt oder die 20%-Grenze nicht überschritten wird, allerdings durch die Spaltung nachweislich die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG betreffe insbesondere den – vorliegenden – Fall, in dem bereits im Zeitpunkt der Spaltung durch vertragliche Vereinbarung zwischen den späteren Vertragsparteien sichergestellt worden ist, dass die geplante Veräußerung abgewickelt werden soll.
Das FG zielt hierbei auf die subjektive Absicht der Gesellschafter ab, durch die Spaltung eine Möglichkeit der Veräußerung der Gesellschaftsanteile herbeizuführen. Diese subjektive Absicht muss zu irgendeinem Zeitpunkt in dem Zeitraum von der Planung und Vorbereitung der Spaltung bis zur Anmeldung der Spaltung zum Handelsregister gegeben sein.
Eigenständiger Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG
Nach Ansicht des FG hat § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG einen eigenständigen Anwendungsbereich.
Der Zweck der Regelung von § 15 Abs. 2 UmwStG insgesamt ist die Verhinderung einer missbräuchlichen Nutzung der Buchwertfortführung. Eine steuerneutrale Spaltung und anschließende Veräußerung der Anteile soll hierdurch verhindert werden. Ob durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen oder hiermit andere Ziele verfolgt werden, lässt sich nur anhand objektiver Umstände im Wege des Rückschlusses ermitteln. Mit der Regelung in § 15 Abs. 3 S. 4 UmwStG 1995 wollte der Gesetzgeber eine Abgrenzung vornehmen, die an einfach zu ermittelnde und objektive Umstände anknüpft, ohne dass im Einzelfall nachgeprüft werden muss, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 S. 3 UmwStG 1995 tatsächlich vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 03.08.2005, I R 62/04).
Die Regelung in § 15 Abs. 2 S. 4 UmwStG sei vor diesem Hintergrund jedoch nicht abschließend in der Weise zu verstehen, dass nur in diesen Fällen ein Missbrauchsfall bestehen kann und nur dann die Buchwertfortführung zu versagen ist. In anderen Fällen des § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG ist im Einzelfall zu prüfen, ob durch die Abspaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden, so das FG.
Betroffene Norm
§ 15 Abs. 2 S. 3 und 4 UmwStG
Streitjahr 2007
Fundstellen
BFH, Urteil vom 11.08.2021, I R 39/18, siehe Deloitte Tax News
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 18.09.2018, 6 K 77/16
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 03.08.2005, I R 62/04, BStBl. II 2006, S. 391
Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.05.2018, 9 K 9143/16, BFH-anhängig: I R 27/18
BMF, Schreiben vom 11.11.2011, UmwSt-Erlass, BStBl. I 2011, S. 1314, Tz. 15.27
BMF, Schreiben vom 18.12.2013, IV C 2 - S 1978-b/0-01, 2013/1090738 (nicht zur Veröffentlichung im BStBl. bestimmtes Schreiben an die obersten Finanzbehörden der Länder)
Finanzbehörde Hamburg, Erlass vom 13.04.2015, DStR 2015, S. 1871