FG Köln: Rückwirkende finanzielle Eingliederung
Sachverhalt
Die Klägerin war im Streitjahr an der GmbH zu 100% beteiligt. Die GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 19.03.2002 gegründet; ihre Eintragung im Handelsregister erfolgte am 15.04.2002. Am 25.04.2002 schlossen die Klägerin und die GmbH einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der erstmals für das Rumpfwirtschaftsjahr (19.03. - 31.12.2002) der GmbH wirksam werden sollte. Am 08.08.2002 schlossen die Klägerin und die GmbH einen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag, nach dem das Vermögen auf die GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten mit Wirkung zum 01.01.2002 übertragen werden sollte. Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer körperschaftsteuerrechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft im Jahr 2002, insbesondere, ob die GmbH bereits zum 01.01.2002 in die Klägerin finanziell eingegliedert war.
Entscheidung
Eine Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Organschaft ist, dass der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt ist, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung). Die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung ist spätestens ab dem Zeitpunkt der Gründung der GmbH durch Abschluss des Gesellschaftsvertrags am 19.03.2002 an unstreitig erfüllt. In zeitlicher Hinsicht muss die finanzielle Eingliederung vom Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft an bestehen; es genügt nicht, wenn sie erst im Laufe dieses Wirtschaftsjahrs hergestellt wird.
Die GmbH war vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres 2002 in die Klägerin finanziell eingegliedert. Die GmbH wurde zwar erst mit Gesellschaftsvertrag vom 19.03.2002 gegründet und entstand als GmbH erst mit Eintragung im Handelsregister am 15.04.2002. Dennoch ist das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung bereits ab dem 01.01.2002 an erfüllt. Grund hierfür ist, dass gemäß § 20 Abs. 7, 8 UmwStG der maßgebliche steuerliche Übertragungsstichtag auf den 31.12.2001 gelegt worden ist. Diese zulässige steuerliche Rückbeziehung bewirkt sowohl, dass die GmbH bereits ab dem 01.01.2002 als – fiktive – Kapitalgesellschaft der Körperschaftsteuer unterliegt, als auch, dass bereits ab dem 01.01.2002 die organschaftlichen Eingliederungsvoraussetzungen erfüllt sind.
Ob und inwieweit zulässigerweise rückbezogene Umwandlungsvorgänge die rückwirkende Begründung einer ertragsteuerrechtlichen Organschaft ermöglichen, wird kontrovers diskutiert. Die Finanzverwaltung steht auf dem Standpunkt, dass eine Rückbeziehung der finanziellen Eingliederung und damit die rückwirkende Begründung eines Organschaftsverhältnisses nicht anzuerkennen sei. Das Sächsische Finanzgericht hat entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung nicht rechtlicher, sondern tatsächlicher Natur sei, da es die Möglichkeit der tatsächlichen Durchsetzung des Willens des Organträgers im Geschäftsverkehr der Organgesellschaft beinhalte; aus diesem Grund könne auch die finanzielle Eingliederung nicht im Wege einer Fiktion zurückbezogen werden (Urteil vom 26.08.2009). Die Literatur vertritt demgegenüber überwiegend die Auffassung, dass es sich bei der finanziellen Eingliederung um ein rechtliches Merkmal handele, welches nicht durch die Lebenswirklichkeit geprägt und daher im Wege der Rückwirkung mit einem anderen Inhalt versehen werden könne. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat ebenfalls die Möglichkeit der Rückbeziehbarkeit des Merkmals der finanziellen Eingliederung bei Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung mit steuerlicher Rückwirkung bejaht (Urteil vom 25.11.2009).
Der erkennende Senat ist mit der Literatur der Auffassung, dass insbesondere auch das Merkmal der finanziellen Eingliederung als rechtliches Tatbestandsmerkmal der Rückwirkungsfiktion des § 2 UmwStG zugänglich ist. Für den vorliegenden Fall einer Ausgliederung eines Teilbetriebs zur Aufnahme bedeutet dies, dass eine Rückbeziehung dieses Umwandlungsvorgangs auch für die Beurteilung der Tatbestandsmerkmale der Organschaft anzuerkennen ist. Die Tatsache, dass die GmbH zivilrechtlich zum steuerlichen Übertragungsstichtag noch nicht existent war ist dabei unbeachtlich. Soweit weitere Voraussetzung der finanziellen Eingliederung ist, dass der Organträger aufgrund seiner Beteiligung seinen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen und damit die Geschäftsführung der Organgesellschaft lenken kann, wird im vorliegenden Fall der Ausgliederung weder ein Tatbestandsmerkmal zurückbezogen, noch fingiert. Denn die Beherrschung der GmbH als künftiger Organgesellschaft durch die Klägerin war jederzeit, insbesondere auch in der Zeit bis zur zivilrechtlichen Entstehung der GmbH bzw. der Vorgesellschaft, gegeben. Auf die Geschäftsführung ihres eigenen Betriebsteils hatte die Klägerin auch ohne die mit Rückwirkung vorgenommene Ausgliederung jederzeit beherrschenden Einfluss, eine Beherrschung durch ein drittes Rechtssubjekt war zu keinem Zeitpunkt möglich.
Das Finanzgericht Köln hat die Revision im Hinblick auf die beim BFH bereits anhängigen Revisionsverfahren I R 111/09 (vorgehend Urteil des FG Baden-Württemberg vom 25.11.2009) und I R 89/09 (vorgehend Urteil des Sächsischen FG vom 26.08.2009) zu der Frage der rückwirkenden Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft zugelassen.
Betroffene Norm
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG, § 2 UmwStG, § 20 Abs. 7, 8 UmwStG
Fundstelle
Finanzgericht Köln, Urteil vom 10.06.2010, 13 K 416/10
Weitere Fundstellen
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.11.2009, 3 K 157/06, EFG 2010, S. 820; BFH-Urteil vom 28.07.2010, I R 111/09, nicht veröffentlicht; siehe ausführlicher in den Deloitte Tax-News
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.08.2009, 6 K 2295/06, DStZ 2010, S. 508, BFH-anhängig: I R 89/09