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30.03.2023
Unternehmensteuer

FG Münster: Erweiterte Grundstückskürzung bei nachlaufenden Tätigkeiten

Veräußert ein grundbesitzverwaltendes Unternehmen sein letztes Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums, liegt eine für die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG bzw. für die dort verlangte zeitliche Ausschließlichkeit schädliche nachlaufende Tätigkeit nur in für die Einkünfteerzielung relevanten Tätigkeiten. Das bloße Innehaben unverzinslicher Forderungen und deren Einziehung ist keine solche schädliche Tätigkeit.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Gegenstand die Realisierung von Immobilienprojekten, insbesondere der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Grundbesitz ist. An ihr beteiligt sind Herr C, die D GmbH sowie die E GmbH & Co. KG.
Im Jahr 2013 erwarb die Klägerin das Immobilienobjekt F, das sie im Umlaufvermögen auswies und 2014 veräußerte.
Im Jahr 2015 erwarb sie ein weiteres Objekt G, das sie ebenfalls im Umlaufvermögen bilanzierte. Im folgenden Jahr veräußerte die Klägerin das Objekt G an die Stadt B. Alle das Objekt betreffenden öffentlichen und privaten Lasten, Verbrauchskosten, Verkehrssicherungspflichten und jede mit dem Objekt verbundene Haftung sollten „ab Beginn des 31.12.2016“ auf den Käufer übergehen. Auch der Übergang des Besitzes, der Nutzungen und der Gefahr sollte „am Beginn des 31.12.2016“ erfolgen. Nach Gefahren- und Nutzenübergang des Objekts G verfügte die GmbH für einen Tag im relevanten Veranlagungszeitraum und Streitjahr 2016 nur noch über zwei unverzinsliche Bankkonten.
2018 hat die GmbH sich atypisch still an der H GmbH & Co. KG beteiligt. Im Jahr 2019 hat die GmbH im Rahmen der atypisch stillen Beteiligung einen Veräußerungsgewinn aus Grundstücksgeschäften erzielt.
Die GmbH beantragte die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG.

Nach Auffassung des Finanzamts war die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG jedoch nicht anzuwenden, da der Geschäftszweck der GmbH der Erwerb und Verkauf von Grundstücken und nicht deren Verwaltung sei.

Entscheidung

Das FG widerspricht der Auffassung des Finanzamts und stellt klar, dass die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG im Streitfall zu gewähren ist.

Gesetzliche Grundlagen: § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG

Nach der sog. erweiterten Kürzung des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG kann auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, eine Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, vorgenommen werden.

Abgrenzung grundbesitzverwaltendes Unternehmen vs. gewerblicher Grundstückshandel

Nach dem FG stellt die GmbH im Streitjahr ein grundbesitzverwaltendes Unternehmen dar. Die GmbH sei auch nicht gewerblich tätig. Eine gewerbliche Tätigkeit läge vor, wenn die Grenze zum sog. gewerblichen Grundstückshandel (sog. Drei-Objekt-Grenze) überschritten sei (vgl. BFH-Beschluss vom 18.10.2007, I B 148/07).

Nach dem FG hat die GmbH die Drei-Objekte-Grenze nicht überschritten. Die GmbH habe zwei Objekte (F und G) oder höchstens drei Objekte (F,G und im Rahmen der atypisch stillen Beteiligung) innerhalb von fünf Jahren veräußert. Für ein Überschreiten sei aber die Veräußerung von mehr als drei Objekten im Zeitraum von fünf Jahren erforderlich.

Die Tätigkeit der GmbH stelle sich auch nicht aus anderen Gründen als gewerbliche Tätigkeit dar. Insbesondere hat die GmbH weder beim Erwerb des Grundstücks G noch später bis zur Aufgabe ihrer ursprünglichen Pläne zur Umgestaltung des Grundstücks eine unbedingte Veräußerungsabsicht gehabt. Demnach liegen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Gewerblichkeit der Veräußerung des Grundstücks G trotz Nichtüberschreitens der Drei-Objekte-Grenze vor. Von einer unbedingten Veräußerungsabsicht könnte nur dann ausgegangen werden, wenn die GmbH bei Erwerb des Grundstücks G die Absicht gehabt haben sollte, das Grundstück zwar zunächst umzugestalten und zu vermieten, dann aber das umgestaltete Grundstück wieder zu veräußern. Das FG vertritt jedoch die Ansicht, dass die GmbH vielmehr die Absicht hatte, das umgestaltete Grundstück zu vermieten und langfristig im Bestand zu halten.

Dass das Grundstück G im Jahresabschluss zum 31.12.2016 im Umlaufvermögen angesetzt wurde, führt nach Auffassung des FGs auch nicht zu einer anderen Würdigung.

Keine schädliche nachlaufende Tätigkeit nach Veräußerung des letzten Grundstücks

Des Weiteren muss das Unternehmen im Erhebungszeitraum in qualitativer, quantitativer und zeitlicher Hinsicht ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben dem eigenen Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt haben (vgl. BFH-Urteile vom 26.02.2014, I R 47/13 und I R 6/13). Das bedeutet, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen darf, dass die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes die (abgesehen von zulässigen Nebentätigkeiten) ausschließliche Tätigkeit des Unternehmens sein darf und dass das Unternehmen nach einer etwaigen Beendigung der begünstigten Tätigkeit während des Erhebungszeitraums keine anderweitige Tätigkeit ausüben darf.

Bei der Frage der zeitlichen Ausschließlichkeit verhält es sich so, dass zwar die Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz nicht während des gesamten Erhebungszeitraums bestanden haben muss, also auch vorzeitig enden kann, aber solange das Unternehmen im Erhebungszeitraum überhaupt tätig ist, muss seine Haupttätigkeit in der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes durchgängig bestehen, um begünstigt zu sein (vgl. BFH-Urteil vom 20.01.1982, I R 201/78). Die erweiterte Kürzung kann daher nicht gewährt werden, wenn das letzte Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und nicht mehr ausschließlich Grundbesitz verwaltet wird (vgl. BFH- Urteile vom 26.02.2014, I R 47/13 und I R 6/13, vom 19.10.2010, I R 1/10, vom 19.12.2007, I R 46/07 sowie Beschlüsse vom 12.7.1999, I B 5/99 und vom 14.4.2000, I B 104/99). Das gilt insbesondere auch, soweit das Unternehmen nach einer solchen Veräußerung lediglich eigenes Kapitalvermögen verwaltet und nutzt. Diese Tätigkeit erfolgt dann nicht – wie nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG zulässig – neben der Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz, sondern zeitlich nach dieser.

Das FG Münster schließt sich allerdings der Auffassung des FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 05.05.2015, 6 K 6359/12) an, dass nur solche nachlaufenden Tätigkeiten schädlich sein können, die nach einkommensteuerrechtlichen Wertungen zu steuerbaren Einkünften führen können. Das bloße Innehaben unverzinslicher Forderungen und deren Einziehung, bei der eine Erzielung von Erträgen i.S.v. § 20 Abs. 1 EStG ausgeschlossen ist, sei demgegenüber keine schädliche Verwaltung und Nutzung von eigenem Kapitalvermögen. Im Streitfall verfügte die GmbH im relevanten Zeitraum lediglich über zwei unverzinsliche Bankkonten. Daher könne hier auch keine schädliche nachlaufende Tätigkeit angenommen werden.

Betroffene Normen

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Streitjahr 2016

Fundstelle

FG Münster, Urteil vom 27.10.2022, 10 K 3572/18; BFH-anhängig: III R 1/23

Anmerkung

Das FG hat die Revision zugelassen. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob es für die sog. erweiterte Kürzung schädlich ist, wenn eine Gesellschaft nach der Veräußerung ihres einzigen Grundstücks für einen Tag im Veranlagungszeitraum ausschließlich zwei zinslose Bankguthaben unterhält. Klärungsbedürftig ist also insbesondere, ob es sich bei der nachlaufenden Tätigkeit um eine für die Einkünfteerzielung und damit für die Gewerbesteuer relevante Tätigkeit handeln muss oder ob etwa das bloße Innehaben von ertraglosen Forderungen (wie im Streitfall) genügt, um die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG zu versagen.

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 26.02.2014 I R 47/13, BFH/NV 2014, 1395
BFH, Urteil vom 26.02.2014, I R 6/13, BFH/NV 2014, 1400, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 19.10.2010, I R 1/10, BFH/NV 2011, 841
BFH, Urteil vom 19.12.2007 I R 46/07, BFH/NV 2008, 930
BFH, Beschluss vom 18.10.2007 I B 148/07, BFH/NV 2008, 542
BFH, Urteil vom 14.04.2000 I B 104/99, BFH/NV 2000, 1497
BFH, Beschluss vom 12.07.1999, I B 5/99, BFH/NV 2000, 79
BFH, Urteil vom 20.01.1982 I R 201/78, BStBl II 1982, 477
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.05.2015, 6 K 6359/12

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