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25.01.2023
Unternehmensteuer

FG Münster: Keine Berücksichtigung von Mehrentnahmen aus früheren Jahren bei Ermittlung des verrechenbaren Verlustes i.R.d. § 15a EStG

Für die Betrachtung des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG kommt es aufgrund der streng jahresbezogenen Betrachtungsweise nicht auf Mehrentnahmen aus früheren Jahren an (entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung). Darüber hinaus beeinflussen außerbilanzielle Korrekturen nicht die Höhe des Kapitalkontos i.S.d. § 15a EStG. 

Sachverhalt

Strittig war, ob der verrechenbare Verlust gemäß § 15a EStG zutreffend berechnet wurde.

Die Kläger, zwei Kommanditisten einer GmbH & Co. KG, hatten in den Vorjahren Entnahmen getätigt, die ihre Einlagen überstiegen hatten (sog. „Mehrentnahmen“). Dadurch entstanden negative Kapitalkonten zum Ende des Vorjahres. Im Streitjahr ergab sich ein positiver Saldo aus den Einlagen und Entnahmen. Ohne Berücksichtigung der Mehrentnahmen aus den Vorjahren waren die Verluste im Streitjahr größtenteils ausgleichsfähig.

Das Finanzamt vertrat allerdings die Ansicht, dass hinsichtlich der Entnahmen/ Einlagen eine wirtschaftsjahrübergreifende Betrachtung zu erfolgen habe und folglich die im Streitjahr getätigte Einlage, lediglich eine Rückführung einer Mehrentnahme aus den Vorjahren darstellt, und deswegen nicht zu einem Verlustausgleichsvolumen i.S.d. § 15a EStG führt. Für diese Vorgehensweise der Finanzverwaltung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage, so die Kläger.

Ein weiterer Streitpunkt war, ob bei der Berechnung der Höhe der Kapitalkonten der steuerliche Verlust nach der außerbilanziellen Hinzurechnung i.S.d. § 7g Abs. 2 S. 1 EStG zu berücksichtigen ist. Während die Kläger dies bejahten, berücksichtige das Finanzamt den steuerlichen Verlust vor außerbilanzieller Hinzurechnung gem. § 7g Abs. 2 EStG.

Entscheidung

Die Klage ist teilweise begründet. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung kommt das FG zu dem Schluss, dass bei der Ermittlung des verrechenbaren Verlustes die in den Vorjahren getätigten Mehrentnahmen nicht zu berücksichtigen sind. In Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung ist auch nach dem FG der steuerpflichtige Gewinn oder Verlust vor den außerbilanziellen Korrekturen (wie z.B. die Korrektur des Hinzurechnungsbetrags i. S. d. § 7g Abs. 2 S. 1 EStG) in die Berechnung des Kapitalkontos einzubeziehen.

Gesetzliche Grundlage

Nach § 15a Abs. 1 S. 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust einer KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen oder abgezogen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Ob diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, bestimmt sich nach § 15a Abs. 1 S. 1 EStG durch einen Vergleich des Kapitalkontos zum Bilanzstichtag des Veranlagungsjahres mit dem Kapitalkonto zum Bilanzstichtag des Vorjahres.

Die über die Höhe des Kapitalkontos hinausgehenden Verluste werden als sog. verrechenbare Verluste bezeichnet und sind nach § 15 Abs. 4 EStG gesondert festzustellen.

Mehrentnahmen der Vorjahre

Der verrechenbare Verlust ist nach dem FG zu Unrecht um die Mehrentnahmen, die die Kläger in den Vorjahren getätigt hatten, erhöht worden.

Die Rechtsauffassung des Finanzamtes finde nach dem FG keine Grundlage im Gesetzeswortlaut. Sie stehe in Widerspruch zur Regelung des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG, der insoweit eine streng jahresbezogene Betrachtung vorsieht. Eine gesetzliche Bestimmung, die die Bildung eines Korrekturpostens für Mehrentnahmen zulässt, existiere nicht. Dafür, dass in Bezug auf die Mehrentnahmen eine streng jahresbezogene Betrachtung vorzunehmen ist, spreche vielmehr auch die vom Gesetzgeber mit dem JStG 2009 (vgl. BGBl. I 2008, S. 2794) in § 15a Abs. 1a EStG eingefügte Regelung, wonach auch nachträgliche Einlagen weder zu einer nachträglichen Ausgleichs- und Abzugsfähigkeit eines vorhandenen verrechenbaren Verlustes noch zu einer Ausgleichs- oder Abzugsfähigkeit des dem Kommanditisten zuzurechnenden Anteils am Verlust eines zukünftigen Wirtschaftsjahres führen.

Keine Begründung durch Rechtsfortbildung bzw. eine teleologische Extension

Die von dem Finanzamt vertretene Auffassung könne ferner nicht durch eine Rechtsfortbildung bzw. eine teleologische Extension des § 15a EStG begründet werden. Eine solche Rechtsfortbildung durch die Gerichte setzt voraus, dass eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit besteht.

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze fehle es vorliegend schon deshalb an einer solchen Gesetzeslücke, weil der Gesetzgeber die Fälle der sog. Mehrentnahmen in § 15a Abs. 3 S. 1 EStG ausdrücklich und abschließend geregelt hat. Der Gesetzgeber verwendet für derartige Mehrentnahmen den Begriff der „Einlagenminderung“. Nach § 15a Abs. 3 S. 1 EStG ist dem Kommanditisten der Betrag als Gewinn zuzurechnen, um den ein negatives Kapitalkonto durch Entnahmen entsteht oder sich erhöht; der zuzurechnende Betrag darf gem. § 15a Abs. 3 S. 2 EStG den Betrag der Anteile am Verlust der Kommanditgesellschaft nicht übersteigen, der im Wirtschaftsjahr der Einlageminderung und in den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen ist. Da der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, für diese Fälle eine ersatzweise greifende Regelung zu schaffen, sei nach Auffassung des FG davon auszugehen, dass die sich aus § 15a Abs. 3 S. 1 und 2 EStG ergebenden Beschränkungen in der steuerlichen Berücksichtigung von Mehrentnahmen (Einlageminderungen) auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zurückgehen.

Keine abweichende Rechtsauffassung durch das zur früheren Rechtslage ergangene BFH-Urteil vom 14.10.2003 (VII R 32/01)

Die abweichende Rechtsauffassung des Beklagten lasse sich auch nicht auf das zur früheren Rechtslage ergangene BFH-Urteil vom 14.10.2003 (VII R 32/01) stützen. Nach dieser Rechtsprechung führten Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet und im Wirtschaftsjahr der Einlage nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht wurden, zum Ansatz eines Korrekturpostens mit der weiteren Folge, dass – abweichend vom Wortlaut des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG – Verluste späterer Wirtschaftsjahre bis zum Verbrauch dieses Postens auch dann als ausgleichsfähig zu qualifizieren waren, wenn hierdurch (erneut) ein negatives Kapitalkonto entstand oder sich erhöhte. In Reaktion auf diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber durch das JStG 2009 die Regelung des § 15a Abs. 1a EStG in das Gesetz eingefügt. 

Unter Zugrundelegung dieser BFH-Rechtsprechung erscheine die Rechtsauffassung des Finanzamtes zwar insoweit folgerichtig, als es für den Fall, dass für Einlageerhöhungen ein steuerlicher Korrekturposten zu bilden und fortzuschreiben ist, naheliegend, dass Gleiches auch für Einlagenminderungen zu gelten hat. Jedoch sei nach dem FG zu berücksichtigen, dass es nach der Rechtslage, die dem BFH-Urteil zugrunde lag, keine ausdrückliche gesetzliche Regelung für Mehreinlagen gegeben hat; die Regelung in § 15a Abs. 1a EStG wurde erst als Reaktion auf die BFH-Rechtsprechung in das Gesetz aufgenommen. Die vom BFH zu den Mehreinlagen angestellten Überlegungen könne nicht auf den Fall der Mehrentnahmen (Einlageminderungen) übertragen werden, da für letztere nach damaliger wie heutiger Rechtslage in § 15a Abs. 3 S. 1 und 2 EStG eine ausdrückliche – und nach Ansicht des FG abschließende – gesetzliche Regelung bestehe.

Keine Berücksichtigung außerbilanzieller Hinzurechnungen

Nach Auffassung des FG ist der Hinzurechnungsbetrag nach § 7g Abs. 2 S. 1 EStG nicht in die Berechnung des nach der Kapitalkontenentwicklung und der Kapitalveränderung maßgeblichen Verlustes miteinzubeziehen. Die vom Finanzamt gewählte Berechnungsweise sei zutreffend (vgl. FG-Urteil vom 14.08.2019, 13 K 2320/15; BFH-anhängig: IV R 26/19). Denn unter dem Anteil am Verlust der KG i.S.d. § 15a Abs. 1 S. 1 EStG sei nur der Verlustanteil zu verstehen, der sich aus der Steuerbilanz der Gesellschaft einschließlich einer eventuellen Ergänzungsbilanz ergibt. Außerbilanzielle Korrekturen sowie Vorgänge aus dem Sonderbereich beeinflussen die Höhe des Kapitalkontos im Sinne von § 15a EStG nicht.

Betroffene Norm

§ 15a EStG

Streitjahr 2016

Anmerkung

FG Münster, Urteil vom 14.08.2019, 13 K 2320/15/F, BFH-anhängig: IV R 26/9

Das FG Münster hat in seinem Urteil vom 14.08.2019 (13 K 2320/15/F) bereits entschieden, dass der nach § 7g Abs. 2 EStG im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts hinzuzurechnende Betrag sich nicht auf das Kapitalkonto des Kommanditisten i.S.v. § 15a EStG auswirkt. Ob diese Rechtsauffassung durch den BFH bestätigt wird, bleibt abzuwarten.

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Gerichtsbescheid vom 13.04.2022, 13 K 141/20 F, BFH-anhängig: IV R 10/22

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 14.10.2003, VII R 32/01, BStBl. II 2004, S. 359.

FG Münster, Urteil vom 14.08.2019, 13 K 2320/15/F, BFH-anhängig: IV R 26/9

Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 20.11.2013, BStBl. I 2013, S. 1493.

BFH, Urteil vom 23.03.2016, IV R 9/14, BStBl. II 2017, S. 295.

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