FG Münster: Keine erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei Betrieb einer PV-Anlage durch Gesellschafter
Eine Grundstücksgesellschaft, an der Gesellschafter einer Personengesellschaft beteiligt sind, die gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer auf den Gebäuden der Grundstücksgesellschaft installierten Photovoltaikanlage erzielt, kann keine erweiterte Kürzung beanspruchen.
FG Münster, Beschluss vom 07.06.2024, 14 V 508/24 G
Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Grundstücksgesellschaft Anspruch auf die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG hat.
Im Streitfall ging es um eine Grundstücksgesellschaft, an der fünf Gesellschafter beteiligt waren. Die Grundstücksgesellschaft vermietete ihr Grundstück an die W-GbR, die eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 160 kWp betrieb und den produzierten Strom an die Stadtwerke M. Netz GmbH verkaufte.
Nach Auffassung des Finanzamts ist die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung zu versagen, da der Grundbesitz zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters dient (§ 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG). Die W-GbR, an der zwei der fünf Gesellschafter der Grundstücksgesellschaft beteiligt sind, betreibe mit der Photovoltaikanlage einen Gewerbebetrieb.
Entscheidung
Auch das FG kommt zu dem Ergebnis, dass die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. S. 2 GewStG zu versagen ist.
Gesetzliche Grundlage
Gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).
Nach § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG gilt § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient.
Keine ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes
Das FG weist darauf hin, dass der persönliche Anwendungsbereich der Regelung des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG insoweit eingeschränkt ist, als ein Steuerpflichtiger die begünstigte Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes „ausschließlich“ ausüben muss bzw. daneben nur die Verwaltung eigenen Kapitalvermögens bzw. die Errichtung und Veräußerung bestimmter Wohngebäude betreiben darf. Eine Tätigkeit außerhalb des ausdrücklich angeführten „erlaubten“ Bereichs führe zum Ausschluss der Begünstigung.
Grundbesitz dient dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters
Das FG führt weiter aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 01.06.2022, III R 3/21) der Grundbesitz auch dann dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters des Grundstücksunternehmen dient, wenn das Grundstück von einer Gesellschaft genutzt wird, an der der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist. Dabei sei es prinzipiell ohne Bedeutung, in welchem Umfang der Gesellschafter an der Grundstücksgesellschaft oder der nutzenden Gesellschaft beteiligt ist.
Kriterien eines Gewerbebetriebs sind erfüllt
Gewerbebetrieb ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Des Weiteren habe die gewerbliche Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung zu überschreiten.
Nach Auffassung des FG erzielte die W-GbR mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Produktion von Strom mit Hilfe von Photovoltaikanlagen sowie die entgeltliche Einspeisung des produzierten Stroms in das Stromnetz erfüllen die Tatbestandsvoraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne von § 15 Abs. 2 EStG (vgl. auch BFH-Urteile vom 24.10.2012, X R 36/10 und vom 17.10.2013, III R 27/12). Die W-GbR habe mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage auch selbständig gehandelt, da sie keinen Weisungen Dritter unterworfen war und auch das unternehmerische Risiko dieser Investition getragen hat. Die W-GbR war auch nachhaltig tätig. Es komme nicht nur auf die einmalige Errichtung der Photovoltaikanlage an, sondern darauf, dass über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren die Anlage zur Stromerzeugung genutzt und der erzeugte Strom an den Netzbetreiber veräußert werde. Dass diese Tätigkeit für die W-GbR nicht mit besonders hohem Aufwand verbunden war, sei dafür ohne Bedeutung. Die W-GbR habe außerdem mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt und beteiligte sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
Schließlich ordne auch der Gesetzgeber selbst die Einkünfte aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG zu. Dies ergebe sich aus der Formulierung der neueren Steuerbefreiungsvorschriften in § 3 Nr. 72, S. 2 und 3 EStG. Darin heißt es: „Werden Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 erzielt und sind die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen insgesamt steuerfrei nach Satz 1, ist kein Gewinn zu ermitteln. In den Fällen des S. 2 ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 nicht anzuwenden.“
Zudem habe die W-GbR mit ihrer Betätigung den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten. Denn nach dem Vertragsinhalt des Vertrages zwischen der W-GbR und der Stadtwerke M. Netz GmbH könne der Netzbetreiber nur dann Einfluss auf den Betrieb der Anlage nehmen, wenn durch Mängel der Anlage anderenfalls das Netz des Netzbetreibers gefährdet würde.
Betroffene Norm
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 1 GewStG
Streitjahre: 2019, 2020
Anmerkung
Hintergrundinformation zur erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung
Der Zweck der sog. erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG) besteht darin, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer zum Zwecke der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur private Vermögensverwaltung betreiben.
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Beschluss vom 07.06.2024, 14 V 508/24 G
Weitere Fundstellen
BFH, Beschluss vom 01.06.2022, III R 3/21, BFH/NV 2022, S. 1191
BFH, Urteil vom 24.10.2012, X R 36/10, BFH/NV 2013, S. 252
BFH, Urteil vom 17.10.2013, III R 27/12, BStBl. II 2014, S. 372 siehe Deloitte Tax-News
