FG Münster: Keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von aktivierten Miet- und Pachtzinsen
Aktuell:
- Mit Urteil vom 20.05.2021, IV R 31/18, hat der BFH die Entscheidung des FG Münster bestätigt.
- Siehe auch die Parallelentscheidung des BFH im Urteil vom 30.07.2020, III R 24/18, siehe Deloitte Tax-News
Miet- und Pachtzinsen, die als Herstellungskosten zu qualifizieren und als Teil unfertiger Erzeugnisse in der Bilanz aktiviert sind, sind dem Gewerbeertrag nicht gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hinzuzurechnen, da es insoweit an der erforderlichen Gewinnabsetzung fehlt.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen und zahlte Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter, die sie auf ihren Baustellen einsetzte. Sie unterhielt sowohl Baustellen, die sie im selben Jahr begann und beendete, als auch solche, die sie in einem Jahr begann, aber frühestens erst im Folgejahr fertigstellte und für die sie deshalb zum jeweiligen Bilanzstichtag eine Aktivierung als unfertiges Erzeugnis mit den Herstellungskosten vornahm. Das Finanzamt war der Auffassung, dass alle Mietzahlungen – ungeachtet der Aktivierung als unfertige Erzeugnisse – bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzuzurechnen seien.
Entscheidung
Dem widerspricht das FG und kommt zu dem Ergebnis, dass eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Mietzinsen, die unstreitig als Herstellungskosten zu qualifizieren sind, nicht vorzunehmen ist.
Gewinnabsetzung als notwendige Voraussetzung der Hinzurechnung
Soweit die Mietzinsen einer Baustelle als Herstellungskosten zuzurechnen waren und am jeweiligen Bilanzstichtag als Teil unfertiger Erzeugnisse aktiviert waren, ergibt sich dies – unbeschadet dessen, ob diese Herstellungskosten im aktuellen oder einem früheren Erhebungszeitraum angefallen sind – nach Ansicht des FG bereits daraus, dass es an einer nach § 8 Nr. 1 GewStG erforderlichen Minderung des gewerblichen Gewinns („Gewinnabsetzung“) fehlt, die wieder hinzugerechnet werden müsste oder könnte. Denn nach dem Grundsatz der Erfolgsneutralität von Herstellungsvorgängen gehen Mietzinsen, die qua Gesetz als Herstellungskosten anzusehen sind, in die Bilanzposition unfertige Erzeugnisse ein. Sofern diese Bilanzposition auch zum Bilanzstichtag noch besteht, liege aber bereits im Ausgangspunkt noch keine Gewinnabsetzung vor.
Unterjährige buchhalterische Behandlung unmaßgeblich
Auf eine abweichende unterjährige buchhalterische Behandlung kommt es wegen der Aktivierung zum Bilanzstichtag nicht an, so das FG. Entscheidend sei allein, dass ein Wirtschaftsgut erfolgsneutral hergestellt worden ist, d. h. der rechtlich relevante Bezugspunkt ist der Herstellungsvorgang. Daher sei es für die zu den jeweiligen Bilanzstichtagen aktivierten Herstellungskosten irrelevant, ob die Mietzinsen zunächst als Aufwand berücksichtigt und erst später mit den Jahresabschlussarbeiten als Herstellungskosten erneut erfolgswirksam behandelt wurden (Brutto-Methode) oder ob der Güterverzehr ohne zwischenzeitliche Aufwandswirkung direkt den einzelnen Bauvorhaben zugeordnet worden ist (Netto-Methode).
Hinzurechnungsrechtliche Zäsur des Herstellungskostenbegriffs
Nach Auffassung des FG führt der Herstellungsvorgang, im Rahmen dessen sämtliche der streitigen Mietzinsen angefallen waren, zu einer Zäsur. Die Mietzinsen verlieren mit der Erfüllung des Herstellungskostenbegriffs und der Erhöhung des Buchwertes der betreffenden Bilanzposition ihren ursprünglichen Charakter. Hinzurechnungsrechtlich zu beurteilen sei daher die spätere Buchwertänderung (hier in Form eines Buchwertabgangs beim Übergang des wirtschaftlichen Eigentums durch Übergabe fertiger Gebäude) und diese sei nicht als Entgelt für die Überlassung der Miet-, Pacht- und Leasinggegenstände i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG anzusehen. Eine „gewerbesteuerliche Nachverfolgung“ der Mietzinsen erfolge insoweit nicht. Dabei sei ohne Bedeutung, ob es sich um Anlage- oder Umlaufvermögen handelt.
Keine Hinzurechnung bei unterjährigem Ausscheiden von Wirtschaftsgütern
Das FG erkennt im Übrigen für eine Differenzierung bei der Hinzurechnung danach, ob ein unfertiges Erzeugnis, für das unterjährig Mietzinsen angefallen sind, noch im abgelaufenen Erhebungszeitraum oder erst in einem folgenden Erhebungszeitraum ausgebucht wird, weder Grundlage noch Rechtfertigung. Der Herstellungskostenbegriff führe ungeachtet dessen zu einer hinzurechnungsrechtlichen Zäsur, ob zwischen dem Anfall des Mietzinses und Übergabe der unfertigen Baustelle ein Bilanzstichtag lag, der einen bilanziellen Ausweis des betreffenden unfertigen Erzeugnisses nach sich gezogen hätte.
Betroffene Norm
§ 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG
Streitjahre 2008 und 2009
Anmerkungen
Übertragung der BFH-Rechtsprechung zu Bauzeitzinsen als Dauerschuldzinsen
Die Entscheidung des FG schließt an die Rechtsprechung des BFH zur gewerbesteuerlichen Relevanz aktivierter Bauzeitzinsen an (vgl. BFH-Urteile vom 10.03.1993, I R 59/92 und vom 30.04.2003, I R 19/02), der zufolge AfA-Beträge ungeachtet ihres Aufwandscharakters weder begrifflich noch wirtschaftlich Entgelte für Dauerschulden i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG (a.F.) darstellen. Die dortigen Grundsätze, welche auch von der Finanzverwaltung übernommen wurden (vgl. Ländererlasse vom 02.07.2012, Rz. 2, 13), überträgt das FG in seinem Urteil auf den Hinzurechnungstatbestand des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG.
BFH-Urteil vom 30.07.2020, III R 24/18
Mit Urteil vom 30.07.2020 (III R 24/18, siehe Deloitte Tax-News) bestätigt nun auch der BFH in einem Parallelfall die oben dargestellten Auffassung des FG Münster. Nach dem BFH-Urteil sind Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hinzuzurechnen, soweit sie als Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens zu aktivieren sind. Für unterjährig aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Wirtschaftsgüter sei es ausreichend, dass die Miet- und Pachtzinsen als Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das aktivierungspflichtige Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte. Der BFH wendet sich damit auch gegen die von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung (vgl. Ländererlasse vom 02.07.2012, Rz. 2).
Fundstellen
BFH, Urteil vom 20.05.2021, IV R 31/18
Finanzgericht Münster, Urteil vom 20.07.2018, 4 K 493/17 G
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 30.07.2020, III R 24/18, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 30.04.2003, I R 19/02, BStBl II 2004, S. 192
BFH, Urteil vom 10.03.1993, I R 59/92, BFH/NV 1993, S. 561
Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.03.2018, 1 K 243/15, EFG 2018, S. 1284, BFH-anhängig: III R 24/18
Ländererlasse vom 02.07.2012, BStBl I 2012, S. 654