FG Münster: Wegfall des negativen Kapitalkontos und Wertberichtigungen von Forderungen im Sonderbetriebsvermögen bei Betriebsaufgabe und -beendigung
Während das negative Kapitalkonto des Gesellschafters einer Personengesellschaft bereits zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe aufzulösen ist, sind die Darlehensforderungen des Gesellschafters im Sonderbetriebsvermögen bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft erst bei Beendigung der Gesellschaft wertzuberichtigen.
Sachverhalt
Die GmbH (Klägerin) war Kommanditistin der DE GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) mit einer vermögensmäßigen Beteiligung von 100 %; Komplementärin ohne vermögensmäßige Beteiligung und Geschäftsführerin war die BC GmbH. Gegenstand des Unternehmens der KG war der Betrieb von Gaststätten und gastronomischen Unternehmen sowie die Planung und Ausführung von Veranstaltungen und Großevents.
Im August des Streitjahres (2012) meldete die KG das Gewerbe Schank- und Speisewirtschaft ab. Löhne oder Umsätze wurden nach der Einstellung nicht mehr verbucht. Allerdings habe nach Auffassung der GmbH (zumindest im Streitjahr) die Absicht bestanden, ein Catering und Eventmanagement zu betreiben. Im Jahr 2014 wurde auch ein neues Gewerbe angemeldet, Umsätze oder Löhne wurden jedoch auch im Jahr 2014 nicht mehr verbucht.
Die GmbH hatte als Kommanditistin eine als Sonderbetriebsvermögen behandelte Darlehensforderung gegenüber der KG. Zum 31.12.2014 schied die Komplementärin aus der KG aus; deren Vermögen wuchs damit der GmbH an.
Die GmbH (Klägerin) ging davon aus, dass eine Betriebsaufgabe bis zur Anwachsung des Vermögens der KG auf die GmbH nicht erfolgt sei. Außerdem sei im Falle einer Betriebsaufgabe die im Sonderbetriebsvermögen befindliche Darlehensforderung gegenüber der KG auf den niedrigeren Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG) im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe abzuschreiben.
Hingegen war das Finanzamt der Auffassung, dass zum 31.08.2012 die Betriebsaufgabe erfolgt ist und folglich das negative Kapitalkonto in diesem Zeitpunkt aufzulösen ist. Eine Wertberichtigung der Darlehensforderung im Sonderbetriebsvermögen lehnte das Finanzamt im Streitjahr jedoch ab.
Entscheidung
Das FG stimmt der Auffassung des Finanzamts zu, dass das negative Kapitalkonto im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe, die bereits im Streitjahr 2012 erfolgt ist, aufzulösen ist. Die Wertberichtigung der Darlehensforderung im Sonderbetriebsvermögen erfolgt erst bei Vollbeendigung der KG (hier: bei Anwachsung der KG).
Auflösung des negativen Kapitalkontos im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe
Das FG beruft sich auf BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 10.11.1980, GrS 1/79 und BFH-Urteil vom 11.08.1994, IV R 124/92) und vertritt die Auffassung, dass das Kapitalkonto zu dem Zeitpunkt wegfällt, zu dem feststeht, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit zukünftigen Gewinnanteilen nicht mehr in Betracht kommt und damit spätestens im Moment der Betriebsveräußerung oder -aufgabe.
Im Streitfall ist nach dem FG auch im Jahr 2012 eine Betriebsaufgabe anzunehmen, da die DE GmbH & Co. KG den Restaurantbetrieb vollständig eingestellt hat und danach weder Erlöse verbuchte, noch Personal beschäftigte und auch keine wesentlichen Betriebsgrundlagen vorhanden waren. Auch die Absichtserklärungen der GmbH ein Catering und Eventmanagement betreiben zu wollen, ändern daran nichts. Entscheidend sei, dass es keine Erlösbuchungen mehr gab und auch kein Personal mehr beschäftigt wurde.
Das Kapitalkonto fällt folglich im Streitjahr weg, da bereits zum Zeitpunkt der Einstellung des Gastronomiebetriebs im Jahr 2012 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststand, dass die Verluste nicht mehr mit zukünftigen Gewinnen ausgeglichen werden konnten.
Wertberichtigung einer Darlehensforderung im Sonderbetriebsvermögen
Nach dem FG darf die im Sonderbetriebsvermögen befindliche Darlehensforderung nicht bereits im Streitjahr 2012 bzw. im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG). Die Möglichkeit der Teilwertabschreibung werde während des Bestehens einer Gesellschaft durch den Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung eingeschränkt. Ansprüche eines Gesellschafters aus einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Darlehensforderung gehören zwar nicht zu dem in der Gesellschaftsbilanz (Gesamthandsbilanz) auszuweisenden Eigenkapital, wohl aber zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, das in der aus Gesellschaftsbilanz und Sonderbilanzen zu bildenden Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft als Eigenkapital behandelt wird (vgl. BFH-Urteile vom 05.06.2003, IV R 36/02 und vom 16.03.2017, IV R 1/15). Auch wenn feststehe, dass ein solcher Ersatzanspruch wertlos sei, weil er von der Gesellschaft nicht beglichen werden könne, folge aus der Behandlung als Eigenkapital, dass eine Wertberichtigung während des Bestehens der Gesellschaft regelmäßig nicht in Betracht komme. Das Imparitätsprinzip gelte insoweit nicht.
Vielmehr wird, so das FG, dieser Verlust im Sonderbetriebsvermögen grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Beendigung der Mitunternehmerstellung, also beim Ausscheiden des Gesellschafters oder bei Beendigung der Gesellschaft realisiert.
Die Auffassung der GmbH, dass die Grundsätze der korrespondierenden Behandlung bereits mit der Betriebsaufgabe nicht mehr anwendbar seien, werde zwar teilweise auch in der Literatur vertreten, lehnt das FG jedoch ab. Diese Auffassung könne insbesondere nicht für den Fall, in dem der laufende Betrieb einer gewerblich geprägten Gesellschaft aufgegeben wird, gelten.
Betroffene Normen
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG, § 15a Abs. 2 und 4 EStG
Streitjahr 2012
Fundstelle
FG Münster, Urteil vom 20.07.2022, 9 K 3170/19 F, BFH-anhängig: IV R 28/22
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 16.03.2017, IV R 1/15, BStBl. II 2017, S. 943, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 05.06.2003, IV R 36/02, BStBl. II 2003, S. 871
BFH, Urteil vom 11.08.1994, IV R 124/92, BStBl. II 1995, S. 253
BFH, Beschluss vom 10.11.1980, GrS 1/79, BStBl. II 1981, S. 164