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12.12.2024
Unternehmensteuer

FG Niedersachsen: Versteuerung eines sog. Einbringungsgewinns II

Eine vorangegangene Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 2 S. 5 Hs. 1 UmwStG liegt nur vor, wenn die stillen Reserven der vorher erhaltenen Anteile im Rahmen des Veräußerungsvorgangs aufgedeckt werden.

FG Niedersachsen, Urteil vom 02.09.2024, 13 K 185/23; BFH-anhängig: X R 26/24

Sachverhalt (vereinfacht dargestellt)

Im Rahmen einer Umstrukturierung mit dem Ziel eine Unternehmensgruppe zu verkaufen, erfolgte zunächst der folgende sog. qualifizierte Anteilstausch nach § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG zu Buchwerten. Der Kläger brachte Geschäftsanteile der A1-GmbH und der A2-GmbH in die Kapitalrücklage der neu gegründeten B-GmbH ein und erzielt im Gegenzug Geschäftsanteile an der B-GmbH. Eine logische Sekunde nach dem ersten Anteilstausch erfolgte ein weiterer qualifizierter Anteilstausch zu Buchwerten. Der Kläger brachte Geschäftsanteile der B-GmbH in die Kapitalrücklage der neu gegründeten C-GmbH ein und erzielt im Gegenzug Geschäftsanteile an der C-GmbH. Nach weiteren Umstrukturierungsschritten verkaufte die B-GmbH die Geschäftsanteile der A1-GmbH und der A2-GmbH an die M-GmbH.

Nach Auffassung der Außenprüfung hat der Kläger aufgrund der Veräußerung der Geschäftsanteile der A1-GmbH und der A2-GmbH an die M-GmbH innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist den Gewinn aus der Einbringung der Anteile an der A1-GmbH und der A2-GmbH als sog. Einbringungsgewinn II nach § 22 Abs. 2 S. 1-4 UmwStG zu versteuern. Im Gegensatz zum Kläger, vertritt die Finanzverwaltung die Ansicht, dass die Weitereinbringung der Anteile an der B-GmbH in die C-GmbH mangels Realisierung der stillen Reserven keine Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG darstellt und folglich keine Suspendierung der Besteuerung des Einbringungsgewinns II eintritt.

Entscheidung

Das FG kommt in Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung zu dem Ergebnis, dass der Kläger einen sog. Einbringungsgewinn II zu versteuern hat und eine vorangegangene Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 2 S. 5 HS. 1 UmwStG, die zur Suspendierung der Besteuerung des Einbringungsgewinns II geführt hätte, im Streitfall mangels Realisierung der stillen Reserven nicht vorliegt.

Gesetzliche Grundlage

Soweit im Rahmen eines Anteilstausches gemäß § 21 Abs. 1 UmwStG unter dem gemeinen Wert eingebrachte Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt durch die übernehmende Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar veräußert werden und soweit beim Einbringenden der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre, ist der Gewinn aus der Einbringung im Wirtschaftsjahr der Einbringung rückwirkend als Gewinn des Einbringenden aus der Veräußerung von Anteilen zu versteuern (sog. Einbringungsgewinn II) (vgl. § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG).

Nach § 22 Abs. 2 S. 5 Hs. 1 UmwStG a.F. sind die Sätze 1 bis 4 nicht anzuwenden, soweit der Einbringende die erhaltenen Anteile veräußert hat.

Zum Veräußerungsbegriff im Sinne von § 22 Abs. 2 S. 5 Hs. 1 UmwStG

Das FG stellt zunächst die divergierenden Auffassungen in der Literatur und Finanzverwaltung zur Auslegung des Veräußerungsbegriffs in § 22 Abs. 2 S. 5 Hs. 1 UmwStG dar und kommt zu dem Schluss, dass eine Veräußerung im Sinne von § 22 Abs. 2 S. 5 HS. 1 UmwStG nur vorliegt, wenn im Rahmen des vorangegangenen Veräußerungsvorgangs die stillen Reserven aufgedeckt worden sind.

Das FG führt aus, dass der weit verstandene Veräußerungsbegriff der Finanzverwaltung in Bezug auf § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG und auf § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG, der grundsätzlich alle Einbringungs- und Umwandlungsvorgänge umfasst (vgl. Tz. 00.02, 00.03, 22.07, 22.22, 22.23 AEUmwStG), nicht auf den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG zu übertragen ist. Eine unreflektierte Übernahme des Veräußerungsbegriffs aus § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG und § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG würde zu unsystematischen und vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnissen führen. Die Reichweite des Veräußerungsbegriffs in § 22 Abs. 2 S. 5 Hs. 1 UmwStG lasse sich nur unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Vorschrift (teleologische Auslegung) und der Erläuterungen des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung (historische Auslegung) bestimmen.

Zur Missbrauchsvermeidungsvorschrift

§ 22 Abs. 2 UmwStG sei eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift. Hält eine natürliche Person in ihrem Betriebsvermögen Anteile an einer Kapitalgesellschaft, unterliegt der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile dem Teileinkünfteverfahren (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG). Der Veräußerungsgewinn wäre zu 60% steuerpflichtig. Diese Steuerpflicht könnte leicht umgangen werden, wenn die natürliche Person eine zweite Kapitalgesellschaft gründen und die Anteile der ersten Kapitalgesellschaft im Wege eines qualifizierten Anteilstausches gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG zu Buchwerten in die neu gegründete Kapitalgesellschaft einbringen würde. Nunmehr könnte die zweite Kapitalgesellschaft die Anteile an der ersten Kapitalgesellschaft unter Inanspruchnahme der (95%-igen) Steuerfreiheit der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften in § 8b Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 1 KStG veräußern.

§ 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG diene dazu, diese Ausnutzung einer „Statusverbesserung“ zu verhindern. Erfolgt eine Einbringung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft in Wege des Anteilstausches mit einem Wert unterhalb des gemeinen Werts der Anteile, führt eine Veräußerung der eingebrachten Anteile durch die übernehmende Gesellschaft – und damit die Ausnutzung der Steuerfreiheit gemäß § 8b Abs. 2 KStG – innerhalb eines Siebenjahreszeitraums nachträglich zu der Versteuerung des bislang wegen der Buchwertfortführung nicht angesetzten Einbringungsgewinns durch den Einbringenden (sogenannter Einbringungsgewinn II). Von dieser Besteuerung wird gemäß § 22 Abs. 2 S. 5 Hs. 1 UmwStG abgesehen, wenn der Einbringende vor der Veräußerung der sperrfristbehafteten, eingebrachten Anteile durch die übernehmende Gesellschaft die im Rahmen des Anteilstausches erhaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft veräußert.

Nach dem FG geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Veräußerung der erhaltenen Anteile durch den Einbringenden dazu führt, dass die stillen Reserven der in die übernehmende Gesellschaft eingebrachten Anteile realisiert und versteuert werden. Deshalb fehle es bei derartigen Sachverhaltsgestaltungen an der steuerlichen Notwendigkeit für den nachträglichen Ansatz eines Einbringungsgewinns II im Einbringungszeitpunkt. Die Versteuerung finde bereits im Rahmen der Veräußerung der erhaltenen Anteile statt.

Zur Änderung im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024

Das FG geht auch auf den in dem am 05.06.2024 beschlossenen Gesetzesentwurf des Jahressteuergesetzes 2024 der Bundesregierung ein. In dem zuletzt genannten Gesetzesentwurf ist vorgesehen, in § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG nach dem Wort „Anteile“ die Wörter „unter Aufdeckung der stillen Reserven“ einzufügen. Nach dem FG handele es sich hierbei lediglich um eine Klarstellung des schon immer vorhandenen Gesetzesverständnisses des Gesetzgebers. Dies ergebe sich aus der Begründung zu dem Gesetzesentwurf (BR-Drs-369, S. 168): “Es handelt sich bei der Ergänzung um eine klarstellende Formulierung der gesetzgeberischen Intention. (…). Es ergibt sich jedoch in systematischer und teleologischer Auslegung von § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG eindeutig, dass nur Veräußerungen unter Aufdeckung der stillen Reserven unter den Anwendungsbereich dieser Regelung fallen sollen. (…).“

Zum Willen des Gesetzgebers

Nach dem FG ist es mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbaren, wenn auch Einbringungs- und Umwandlungsvorgänge mit Buchwertfortführung als Veräußerungen im Sinne von § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG angesehen werden. Die Suspendierung der Sperrfrist (bzw. die Anwendung des § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG) im Streitfall hätte zur Folge, dass genau das Ergebnis eintreten würde, welches durch § 22 Abs. S. 1 UmwStG verhindert werden soll. Der Steuerpflichtige könnte mittels steuerneutraler Einbringungen aus der Teileinkünftebesteuerung fliehen und die Veräußerung der eingebrachten Anteile gemäß § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei vornehmen.

Folglich zieht das FG den Schluss, dass im Streitfall der Einbringungsgewinn II im Einbringungszeitpunkt entstanden ist. Die Folge-Einbringung der Geschäftsanteile der B-GmbH in die C-GmbH erfüllt nicht den Veräußerungsbegriff des § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG. Folglich wird die Anwendung des § 22 Abs. 2 S. 1-4 UmwStG auch nicht suspendiert.

Betroffene Norm

§ 22 Abs. 2 S. 5 Hs. 1 UmwStG

Streitjahr 2019

Anmerkung

Jahressteuergesetz 2024

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes vom 02.12.2024 (BGBl. I 2024, Nr. 387, siehe auch Deloitte Tax-News) wurde in § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG nach dem Wort „Anteile“ die Wörter „unter Aufdeckung der stillen Reserven“ eingefügt. Nach § 27 Abs. 23 UmwStG ist § 20 Abs. 2 S. 5 UmwStG i.d.F. des o.g. Gesetzes erstmals auf Einbringungen anzuwenden, wenn in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge der Umwandlungsbeschluss nach dem 31.12.2023 erfolgt ist oder in den anderen Fällen der Einbringungsvertrag nach dem 31.12.2023 geschlossen worden ist.

Fundstelle

FG Niedersachsen, Urteil vom 02.09.2024, 13 K 185/23; BFH-anhängig: X R 26/24

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senior Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: +4989290368711

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