Finales BMF-Schreiben zu den „Einzelwertberichtigungen bei Kreditinstituten“
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 21.03.2024 das finale Schreiben zur Einzelwertberichtigung (EWB) bei Kreditinstituten veröffentlicht, das eine Revision des vorherigen Entwurfs vom 12.04.2023 darstellt (siehe Deloitte Tax News). Diese Neufassung bringt einige Änderungen mit sich, die die Prinzipien, nach denen Einzelwertberichtigungen von Kundenforderungen zu bilden sind, konkretisieren und anpassen.
Grundlegend bleibt das Ziel des BMF-Schreibens bestehen, eine steuerlich anzuerkennende Methodik für die Bildung von EWB zu definieren, die den realistischen Wert von Kundenforderungen unter Berücksichtigung des jeweiligen Ausfallrisikos und der Sicherheiten abbildet. Die Neufassung greift dabei sowohl strukturelle als auch inhaltliche Aspekte auf, um die Klarheit der Regelungen zu erhöhen und deren Anwendung in der Praxis zu erleichtern.
1. Allgemeine strukturelle und inhaltliche Anpassungen
Die inhaltlichen Änderungen fokussieren sich auf die Präzisierung der Bedingungen, unter denen Einzelwertberichtigungen gebildet werden dürfen (bspw. bezieht Rn. 6 das Ausfallrisiko nun nicht mehr auf die Vertragspartner, sondern auf die konkreten Forderungen). Der Hinweis auf die Dokumentations- und Nachprüfbarkeitsanforderungen, sowie die Nutzung eines Datenverarbeitungssystems zur Dokumentation und maschinellen Nachprüfbarkeit der Einzelwertberichtigungen, im Einklang mit den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form (GoBD) wurde zusammengefasst und in die Rn. 5 aufgenommen (Rn. 17 des Entwurfes entfällt damit).
2. EWB dem Grunde nach
Die Kriterien zur Definition einer Zahlungsstörung, welche eine Einzelwertberichtigung (EWB) dem Grunde nach rechtfertigen, wurden klar definiert und sind in der Rn. 9 unverändert geblieben. So stellen weiterhin die dort genannten Kriterien einen konkreten Anlass für eine EWB dar:
a) 90 Tage ununterbrochener Zahlungsverzug am Bilanzstichtag und bis zum Tag der Aufstellung der Bilanz (ein ununterbrochener Zahlungsverzug liegt nicht mehr vor, wenn drei vereinbarte Zahlungen hintereinander bis zur Bilanzaufstellung geleistet werden);
b) drei aufeinanderfolgende rückständige Raten je Darlehenskonto am Bilanzstichtag und bis zum Tag der Aufstellung der Bilanz (ein ununterbrochener Zahlungsverzug liegt nicht mehr vor, wenn drei vereinbarte Zahlungen hintereinander bis zur Bilanzaufstellung geleistet werden);
c) Insolvenzantrag am Bilanzstichtag;
d) Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO durch den Schuldner am Bilanzstichtag oder
e) Tod des Schuldners bei überschuldetem Nachlass am Bilanzstichtag.
Zudem wurde jedoch in der Rn. 10 eingefügt, dass auch in weiteren, nicht explizit genannten Fällen eine Zahlungsstörung vorliegen kann. Damit wird betont, dass die in der Rn. 9 genannten Fälle beispielhaft und nicht abschließend sind.
3. EWB der Höhe nach
Die Anforderungen und das Vorgehen zur Schätzung des Teilwerts von Forderungen wurden detaillierter beschrieben, grundsätzlich sind jedoch keine Änderungen der zu Grunde liegenden Methodik zur Bestimmung der EWB und der pauschalierten EWB (pEWB) im Vergleich zum Entwurf vorgenommen worden. Es wird deutlicher auf die Notwendigkeit objektiver Grundlagen für die Schätzung und auf die Berücksichtigung von Kenntnissen bis zum Tag der Bilanzerstellung eingegangen.
Änderungen haben sich jedoch bei der Bestimmung der EWB und pEWB hinsichtlich der Berücksichtigung von Sicherheiten ergeben.
Bei der Ermittlung der EWB wurde klargestellt, dass sofern zum Bilanzstichtag bereits mit der Verwertung einer Sicherheit begonnen wurde, der Wert dieser Sicherheit dem erwarteten Erlös aus der Verwertung gleichgesetzt wird. Hierbei muss das Kreditinstitut sowohl die spezifischen Merkmale des jeweiligen Verwertungsprozesses als auch die aktuellen Marktbedingungen, die bei der Verwertung der Sicherheit relevant sind, in Betracht ziehen. Zudem sind eigene, in der Vergangenheit gesammelte Erfahrungen des Kreditinstituts in die Bewertung miteinzuführen (Rn. 26).
Bei besicherten Forderungen ist die Anwendung einer pEWB nur dann zulässig, wenn der Wert aller Sicherheiten ebenfalls auf einer pauschalierten Basis festgelegt wurde. Sollte eine pauschale Ermittlung des Sicherheitenwerts nicht möglich sein, kann das pEWB-Verfahren lediglich auf die Differenz zwischen dem Nennwert der Forderung und dem Sicherheitenwert, ergänzt um erwartete sonstige Tilgungsleistungen, Anwendung finden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass im Vergleich zum Entwurf auch Massenkredite mit Sicherheitsleistungen nun im pEWB-Verfahren eingeschlossen werden können.
4. Änderungen beim steuerlichen Vereinfachungsverfahren
Bereits im Entwurf hatte das BMF vorgestellt, dass nicht beanstandet wurde, wenn anstelle der regulären Verfahren zur Ermittlung der EWB und pEWB für alle Forderungen gegenüber Kunden i.S.d. § 15 RechKredV eine standardisierte Wertminderungsquote angewandt wird. Es wurde jedoch klargestellt, dass das Vereinfachungsverfahren eine von der Finanzverwaltung akzeptierte Methode zur Ermittlung des Teilwerts nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG darstellt.
Für besicherte und unbesicherte Forderungen sind weiterhin unterschiedliche Wertminderungsquoten anzuwenden, daher muss die Unterteilung der beiden Gruppen dokumentiert werden. Eine Restschuldversicherung ist im Vergleich zum Entwurf nicht mehr als Besicherung zu werten.
Bei einem Zahlungsverzug von unter 90 Tagen erfolgt weiterhin keine Wertberichtigung. Bei einem Zahlungsverzug von mindestens 90 Tagen gelten die der Tabelle nach Tz. 57 aufgeführten einheitlichen Wertberichtigungsquoten. Bei unbesicherten Forderungen beginnt die Wertberichtigung mit 30 % (Entwurf: 10 %) und erhöht sich alle 30 Tage um weitere 10 % bis zu einer vollständigen Abschreibung nach Ablauf von 300 Tagen (Entwurf 360 Tage) Zahlungsverzug. Bei besicherten Forderungen beginnt die Wertberichtigung mit 9 % (Entwurf 1 %) und erhöht sich alle 30 Tage um weitere 3% (Entwurf 1 %) (bis 300 Tage Zahlungsverzug, max. 30 % (Entwurf 20 %) des Nominalwerts der Forderung auf den pauschalen Sicherheitenwert). Die Pauschalwerte für die EWB im Vereinfachungsverfahren wurden damit deutlich erhöht.
Zudem wurde die Möglichkeit einer Rücklagenbildung (Rn. 58) eingeräumt, sofern der Wechsel zum Vereinfachungsverfahren der Finanzverwaltung zu einem Gewinn führt. Die Rücklage ist dann gleichmäßig ab dem Jahr der Bildung zu jeweils 1/5 aufzulösen, sollte das Vereinfachungsverfahren nicht mehr angewendet werden, ist eine bestehende Rücklage gänzlich aufzulösen.
Das Vereinfachungsverfahren darf erstmals für Wirtschaftsjahre in Anspruch genommen werden, die nach dem 30. Juni 2023 enden und ist letztmals für vor dem 1. Januar 2032 endende Wirtschaftsjahre anwendbar.
Fazit
Für die Praxis ergeben sich durch das überarbeitete BMF-Schreiben klare Richtlinien, die eine höhere Rechtssicherheit bei der Bilanzierung von Kundenforderungen versprechen. Kreditinstitute sind nun gefordert, ihre internen Prozesse und Systeme entsprechend anzupassen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dies beinhaltet nicht nur eine Anpassung der Bewertungsmethoden, wenn dies erforderlich oder vorteilhaft ist, sondern auch eine Überprüfung und gegebenenfalls eine Neugestaltung der Dokumentations- und Archivierungssysteme.
Betroffene Norm
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Fundstelle
BMF, Schreiben vom 21.03.2024, IV C 6 - S 2171-b/19/10001 :001
Weitere Fundstellen
BMF, Entwurfschreiben vom 12.04.2023, siehe Deloitte Tax News