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02.04.2013
Unternehmensteuer

BFH: Vorliegen eines Steuerstundungsmodells

Mit Urteil vom 17.01.2017 hat der BFH das Urteil des Hessischen FG aufgehoben und das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells verneint (mehr siehe unter Anmerkung).
BFH, Urteil vom 17.01.2017, VIII R 7/13
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Vorinstanz (Hessisches FG):
Ein Steuerstundungsmodell liegt vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen (§ 15b Abs. 1 EStG). Das Halten einer Schuldverschreibung über die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft kann ein Steuerstundungsmodell darstellen, wenn dabei auf ein vorgefertigtes Konzept zurückgegriffen wird, das lediglich an die Bedürfnisse des Investors angepasst wird. Eine Verfassungswidrigkeit des § 15b EStG wird vom FG verneint.

Sachverhalt

Die alleinige und geschäftsführende Kommanditistin der Klägerin beauftragte im November 2006 den Steuerberater D mit der Erstellung „einer Struktur“ für den Erwerb einer Schuldeverschreibung über die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (sog. „Asset Linked Note“). Die Investition wurde bereits im Dezember 2006 durch D umgesetzt.

Zunächst schlossen die Kommanditistin der Klägerin und die Vorratsgesellschaft A-GmbH einen Gesellschaftsvertrag über die Klägerin, die nunmehr zu einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG wurde, deren Zweck der Erwerb und die Verwaltung von genau bestimmten Anleihen waren. Die Dauer der Gesellschaft war bis zur Endfälligkeit der Anleihen befristet. Im Anschluss an die Gründung hat die Klägerin Schuldverschreibungen mit befristeter Laufzeit erworben und einen Darlehensvertrag zur 100%igen Fremdfinanzierung des Erwerbs mit identischer Laufzeit. Emittent und Darlehensgeber sind zwar nicht identisch, jedoch eng miteinander verflochten. Für das Darlehen wurde ein hohes Disagio vereinbart, das nicht gezahlt, sondern auf den Darlehensbetrag aufgeschlagen und bei Auszahlung des Darlehens einbehalten wurde. Während die Darlehenszinsen vorschüssig zu zahlen waren, erfolgte die Zahlung der Guthabenzinsen aus der Anleihe nachschüssig. Bei Endfälligkeit der Anleihe erfolgte eine Zahlung zweier feststehender (garantierter) Bonusbeträge und eines variablen, an die Entwicklung des Wertes eines Index gekoppelten Bonusbetrags.

Die Klägerin erklärte für 2006 negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, die sich aus dem aufgrund des Darlehensvertrags zu zahlenden Disagios und den für das erste Jahr der Laufzeit des Darlehens zu zahlenden Zinsen zusammensetzte. Das Finanzamt behandelte die Kapitalanlage der Klägerin als Steuerstundungsmodel i.S.v. § 15b EStG.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat die negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen zutreffend als nicht ausgleichsfähige Verlust im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b Abs. 1 EStG qualifiziert.

Bei der von der Klägerin erworbenen Inhaberschuldverschreibung mit Bonuszinsabrede handelt es sich um eine Kapitalanlage, aus der sie Einkünfte i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2006 erzielt. Nach § 20 Abs. 2b KStG i.d.F. JStG 2005 ist § 15b EStG auf Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 und Abs. 2 EStG sinngemäß anzuwenden mit der Folge, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15b EStG die negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 EStG der eingeschränkten Verlustverrechnung unterliegen.

Ein Steuerstundungsmodell liegt vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen (§ 15b Abs. 2 S. 1 EStG). Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15b Abs. 2 S. 2 EStG). Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen (§ 15b Abs. 2 S. 3 EStG). Verluste in Verbindung mit einem Steuerstundungsmodell dürfen weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden und auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden (§ 15b Abs. 1 EStG).

Nach Auffassung des FG liegt dem vorliegenden Erwerb der Schuldverschreibung ein vorgefertigtes Konzept zugrunde. Darunter versteht es einen Gesamtplan von einer Anlage, der durch die Entwicklung einzelner oder einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Leistungen und Maßnahmen die Erreichung des angestrebten Ziels – hier das Generieren hoher verrechenbarer Verluste in der Anfangsphase einer Investition – ermöglichen soll und der jedenfalls in seinen wesentlichen Grundzügen vom Interessenten verwendet werden kann und auch in einer Vielzahl anderer Fälle unabhängig von der äußeren Gestaltung im Einzelnen verwendbar ist. Dabei ist das Bewerben und Vermarkten eines derartigen Plans kein ausschlaggebendes Kriterium. Dem Anbieten gegenüber einem größeren Verkehrskreis mittels unterschiedlicher Medien kann allenfalls indizielle Bedeutung zukommen.

Bei Anwendung dieser Begrifflichkeiten stellt die vorliegend streitige Investition in eine Schuldverschreibung über die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft eine modellhafte Gestaltung i.S.d. § 15b Abs. 2 S. 1 EStG dar, die ausschließlich einer steueroptimierten Kapitalanlage dient. Denn die Anleihebedingungen für den Erwerb der Schuldverschreibungen und die Darlehensverträge zur 100%igen Fremdfinanzierung des Erwerbs wurden so aufeinander abgestimmt, dass bezogen auf den Anlagebetrag ein höchstmöglicher, sich bei der Besteuerung des Anlegers zu Beginn der Investition auswirkender, Verlust erzielt werden kann, der zum Ende des Investitionszeitraums zumindest wieder ausgeglichen wird.

Darüber hinaus diente die Gründung der Klägerin durch die Kommanditistin in erster Linie dazu, dem Finanzamt gegenüber darzustellen, dass die Investition in Inhaberschuldverschreibungen auf einer individuellen Entscheidung der Kommanditistin beruhte und infolge intensiver Beratungen erfolgte, also nicht auf ein bereits vorgefundenes Konzept zurückgegriffen wurde. Das FG hält es jedoch für ausgeschlossen, dass innerhalb der kurzen Zeitspanne von einem Monat das im Hinblick auf die gewünschten steuerlichen Auswirkungen finanzmathematisch komplexe Anlagemodell erstmals entwickelt und umgesetzt wurde. Vielmehr hat die Kommanditistin auf ein von D auf der Grundlage eines Investments in Inhaberschuldverschreibungen weiterentwickeltes Anlagemodell zurückgegriffen, das lediglich ihren Bedürfnissen angepasst wurde. Da dieses Anlagekonzept nicht eigens für die Kommanditistin und auf deren Initiative erdacht und entwickelt worden ist, stellt die Zeichnung der zu 100 % fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung mit Bonusabrede mithin eine modellhafte Gestaltung in Form einer Einzelinvestition i.S.d. § 15b EStG dar,

Entgegen der Auffassung der Klägerin, hält das FG die Vorschrift des § 15b EStG nicht für verfassungswidrig. § 15b EStG verstößt zum einen nicht gegen das Bestimmtheitsgebot, wonach der Gesetzgeber Vorschriften so zu fassen hat, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift – vor Allem bei vielgestaltigen Sachverhalten – nimmt ihr nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit. Im Rahmen des § 15b EStG ist die „modellhafte Gestaltung“ zwar unbestimmt, aufgrund der Legaldefinition des Begriffes in § 15b Abs. 2 S. 2 EStG und der in § 15b Abs. 3 EStG klar definierten Verlustquote hält das FG die Norm insgesamt für mit juristischen Methoden handhabbar. Zum anderen verstößt § 15b EStG nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wonach der Gesetzgeber im Bereich des Einkommensteuerrechts bei Ausrichtung der Steuerlast das Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit beachten muss (BVerfG-Beschluss vom 21.06.2006). Denn soweit Verluste aus Steuerstundungsmodellen insoweit schlechter gestellt sind als andere Beteiligungsverluste, kann der Steuerpflichtige dem durch alternative Gestaltung des Sachverhalts ausweichen.

Betroffene Normen

§ 15b Abs. 4 EStG, § 20 Abs. 1 EStG, § 20 Abs. 2b EStG i.d.F. JStG 2005
Streitjahr 2006 

Anmerkung

Mit Urteil vom 17.01.2017 vertritt der BFH die Auffassung, dass es für die Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S. des § 15b Abs. 1 EStG nicht genüge, dass eine rechtliche Gestaltung vorliegt, die auf steuerliche Vorteile durch Verlustabzug/-verrechnung ausgelegt ist und ohne die Möglichkeit der (sofortigen) Verlustverrechnung nicht gewählt worden wäre. Voraussetzung für die Annahme eines Steuerstundungsmodells sei vielmehr stets, dass auf ein vorgefertigtes Konzept i.S. des § 15b Abs. 2 S. 2 EStG zurückgegriffen wird. Daher führe auch das bloße Aufgreifen einer (in Fachkreisen) bekannten Gestaltungsidee mit dem Ziel einer sofortigen Verlustverrechnung nicht ohne Weiteres zur Annahme eines Steuerstundungsmodells. Das vorgefertigte Konzept müsse von einer vom Steuerpflichtigen verschiedenen Person (Anbieter/Initiator) erstellt worden sein. Charakteristisch sei insoweit die Passivität des Investors/Anlegers. Setze der Investor/Anleger eine von ihm selbst oder dem in seinem Auftrag tätigen Berater entwickelte oder modifizierte und individuell angepasste Investition um, liege kein vorgefertigtes Konzept vor (so bereits BFH-Urteil vom 06.02.2014, siehe auch BMF-Schreiben vom 17.07.2007, Rz. 10).

Fundstellen

BFH, Urteil vom 17.01.2017, VIII R 7/13, BStBl II 2017 Seite 700

Pressemitteilung Nr. 30 vom 10.05.2017

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 17.10.2012, 1 K 2343/08

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 06.02.2014, IV R 59/10, BStBl II 2014, S. 465

BMF, Schreiben vom 17.07.2007, BStBl I 2007, S. 542, Rz 10

BVerfG, Beschluss vom 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164

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