Koalitionsvertrag: Ampel schaltet auf Gelb
Mit der Vorlage des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und FDP haben die Ampelkoalitionäre einen weiteren wichtigen Schritt hin zur neuen Bundesregierung gemacht. Der Vertrag enthält an vielen Stellen steuerliche Regelungen. Die Schwerpunkte für die Steuerpolitik dürften im Bereich der Betrugsbekämpfung sowie der Digitalisierung und Vereinfachung liegen.
Hintergrund
Die Parteien von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben am 24.11.2021 den Koalitionsvertrag für eine gemeinsame Regierung für den Zeitraum 2021-2025 vorgestellt. Der Vertrag trägt den Titel „Mehr Fortschritt wagen/Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Nach der Veröffentlichung des Vertrages sollen in den nächsten Tagen die Mitglieder oder Parteitage über diesen Vertrag und damit eine mögliche gemeinsame Regierung entscheiden. Nach einer Zustimmung aller Parteien kann die Ampel auf Grün schalten und die Regierung in der Kalenderwoche 49 gewählt werden.
Zu steuerlichen Punkten gibt es an verschiedenen Stellen Aussagen, die im Folgenden dargestellt werden.
Vertrag
Politische Linie
Bei der Skizzierung der großen politischen Linie der Politik der nächsten 4 Jahre wird die Steuerpolitik als Bestandteil fairer Wettbewerbsbedingungen gesehen. Zu diesen fairen Wettbewerbsbedingungen „gehört auch eine faire Besteuerung – national und international – sowie die konsequente Bekämpfung von Steuerhinterziehung.“
Kapitel Steuern
Investitionsprämie/Superabschreibung: Ein Anteil der Anschaffungs- und Herstellungskosten für digitale Wirtschaftsgüter und Wirtschaftsgüter im Bereich des Klimaschutzes, die in den Jahren 2022 und 2023 angeschafft oder hergestellt werden, soll vom steuerlichen Gewinn abgezogen werden können. (Anmerkung Deloitte: Zur Höhe des Anteils findet sich leider kein Hinweis im Koalitionsvertrag. Bereits heute ist ein Anteil über die AfA abzugsfähig.)
Verlustverrechnung: Verlängerung der erweiterten Verlustverrechnung bis 2023 und Ausweitung des Verlustvortrags auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume.
Optionsmodell/Thesaurierungsbesteuerung: Die Regelungen sollen evaluiert werden, darüber hinaus soll geprüft werden, inwiefern praxistaugliche Anpassungen erforderlich sind.
Homeoffice: Die steuerlichen Regelungen für Arbeitnehmer sollen bis zum 31.12.2022 verlängert und evaluiert werden.
Ausbildungsfreibetrag: Anhebung ab 2022 auf 1.200 Euro.
Alterseinkünftegesetz: Zur Vermeidung der doppelten Rentenbesteuerung soll der Vollabzug der Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben – statt nach dem Stufenplan ab 2025 – vorgezogen und bereits ab 2023 erfolgen. Zudem soll der steuerpflichtige Rentenanteil ab 2023 nur noch um einen halben Prozentpunkt steigen. Eine Vollbesteuerung der Renten soll damit erst ab 2060 erreicht werden.
Sparerpauschbetrag: Anhebung des Betrages ab dem 01.01.2023 auf 1.000/2.000 Euro.
Grunderwerbsteuer: Die Länder sollen die Möglichkeit einer flexibleren Gestaltung der Grunderwerbsteuer z. B. durch einen Freibetrag erhalten. Zur Gegenfinanzierung sollen steuerliche Schlupflöcher beim Immobilienerwerb von Konzernen (Share Deals) geschlossen werden.
Einfuhrumsatzsteuer: Weiterentwicklung der Regelungen mit dem Ziel gleicher Bedingungen im europäischen Wettbewerb.
Gemeinnützigkeit: Innerhalb des steuerbegünstigten Zweckes sollen eine politische Betätigung sowie die Stellungnahme zu tagespolitischen Themen möglich sein. Die Regelungen für Sachspenden an gemeinnützige Organisationen sollen überarbeitet werden.
Vollzug, Vereinfachung und Digitalisierung: Durch digitale Verfahren soll die Erfüllung steuerlicher Pflichten erleichtert werden. Steuerliche Regelungen sollen grundsätzlich auch digital umsetzbar sein. Die gesamte Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung soll digital möglich sein. Im Unternehmensbereich soll die Steuerprüfung modernisiert und beschleunigt werden. Hierzu setzt sich die Koalition für verbesserte Schnittstellen, Standardisierung und den sinnvollen Einsatz neuer Technologien ein. Auf Bundesebene soll eine Organisationseinheit eingerichtet werden, die sich mit dem Themen Digitalisierung in der Steuerverwaltung und Verringerung der Steuerbürokratie beschäftigt.
Bekämpfung Steuerhinterziehung und Steuergestaltung:
- Ausweitung der Mitteilungspflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (DAC6) auch auf nationale Steuergestaltungen für Unternehmen mit mehr als 10 Mio. Euro Umsatz.
- Schnellstmögliche Einführung eines bundesweit einheitlichen elektronischen Meldesystems für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen.
- Auf EU-Ebene will sich die Koalition für eine Reform des Mehrwertsteuersystems einsetzen (z. B. einheitlich Reverse-Charge).
- Neue technische Möglichkeiten, wie z.B. Blockchain sollen für die Betrugsbekämpfung stärker genutzt werden.
- Die Koalition will sich weiter aktiv für die Einführung der globalen Mindestbesteuerung einsetzen.
- Ergänzung der Zinsschranke um eine Zinshöhenschranke.
- Umsetzung der OECD-Regeln gegen Umgehungsgestaltungen beim internationalen Finanzkonteninformationsaustausch (CRS und FATCA) in Deutschland.
- Die Koalition will sich für eine Ausweitung des Informationsaustausches einsetzen.
Steuerliche Maßnahmen in den einzelnen Bereichen
Start-up-, Gründungs- und Innovationsförderung: Unter anderem durch eine weitere Anhebung des Steuerfreibetrags soll die Mitarbeiterkapitalbeteiligung attraktiver gemacht werden.
Luftverkehr: Bis zur europäischen Entscheidung über die Einführung einer Kerosinsteuer in Anlehnung an den Energiegehalt will sich die Koalition dafür einsetzen, die Luftverkehrsabgabe nach deutschem Vorbild europaweit einzuführen. Eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe in Deutschland soll erst nach 2023 geprüft werden.
Mieterstrom: Vereinfachung und Stärkung der Förderung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten im Rahmen der Novellierung des Steuer-, Abgaben- und Umlagensystems.
Kohleausstieg: Mit der Vollendung des Kohleausstieges soll die Förderung der Erneuerbaren Energie auslaufen. Damit sollen alle Ausnahmen von EEG-Umlage und Energiesteuern sowie die Kompensationsregelungen überprüft und angepasst werden. Dies soll ohne Mehrbelastungen für Unternehmen erfolgen.
Haushaltsnahe Dienstleistungen: Möglichkeit für einen flankierenden steuerfreien Arbeitgeberzuschuss. Dieser soll mit der bestehenden Förderung verrechnet werden.
Inklusion: Stärkung von Inklusionsunternehmen durch eine formale Privilegierung im Umsatzsteuergesetz.
Pflege: Anhebung der Steuerfreiheit des Pflegebonus auf 3.000 Euro.
Bauen und Wohnen: Eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen soll auf den Weg gebracht werden. Es soll ein Pilotprojekt gestartet werden, bei dem in ausgesuchten Kommunen anhand von Angaben in der Steuererklärung ein Mietspiegel erstellt wird.
Wohneigentum: Zur Bekämpfung von illegalen Finanzierungen soll ein Versteuerungsnachweis für gewerbliche und private Immobilienkäufer aus dem Ausland, bei jeglichem Immobilienerwerb in Deutschland, eingeführt werden.
Kindergrundsicherung: Zwei Komponenten bei der Kindergrundsicherung: einkommensunabhängiger Garantiebetrag (für alle Kinder gleich), vom Elterneinkommen abhängiger, gestaffelter Zusatzbetrag. Der Garantiebetrag soll zukünftig die Freistellung des kindlichen Existenzminimums ersetzen.
Familienrecht/Familienbesteuerung: Stärkere Förderung der partnerschaftlichen Betreuung der Kinder nach der Trennung, indem die umgangs- und betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser berücksichtigt werden. Im Zuge einer verbesserten digitalen Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung soll die Steuerklassenkombination III/V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführt werden.
Subventionen: Mit der Umsetzung der EU-Energiesteuerrichtlinie, die u. a. die steuerliche Angleichung von Dieselkraftstoff und Benzin vorsieht, soll die steuerliche Behandlung von Dieselfahrzeugen in der Kfz-Steuer überprüft werden. Die bestehende Besserstellung von Plug-In-Hybridfahrzeugen bei der sogenannten Dienstwagenbesteuerung soll für neu zugelassene Fahrzeuge stärker auf die rein elektrische Fahrleistung ausgerichtet werden. Dabei soll unter anderem die Anwendung des halbierten Satzes bei der 1-Prozent-Regelung nur noch gewährt werden, wenn mehr als 50 Prozent der Fahrleistung nachweislich rein elektrisch erbracht wird.
Anmerkungen
Nach dem Koalitionsvertrag werden die Schwerpunkte in der Steuerpolitik in den nächsten 4 Jahren sehr wahrscheinlich in den Bereichen Bekämpfung von Steuerbetrug sowie Digitalisierung/Vereinfachung liegen. Darüber hinaus sind viele kleinteilige Regelungen zu verschiedenen Einzelthemen enthalten. Anders als im Sondierungspapier ist im Koalitionsvertrag kein Hinweis zu finden, dass es keine Steuererhöhungen geben soll. Der Vertrag stößt keine weitreichende Reform im Steuerrecht an. Es bleibt abzuwarten, wie bzw. ob der zukünftige Finanzminister den Spielraum, der sich daraus ergibt, dass wenig konkrete Vorgaben im Steuerrecht gemacht werden, nutzen wird.
Fundstelle
Koalitionsvertrag 2021-2025 von SPD, Grünen und FDP vom 24.11.2021