BFH: Ablaufhemmung bei Antrag auf unbefristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung
Ein Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung führt zu einer Ablaufhemmung. Die Finanzbehörde hat grundsätzlich die Prüfung vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags zu beginnen, wenn sie den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern will (BFH-Urteil vom 17.03.2010). Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn der Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns keine zeitlichen Vorgaben enthält. Ist die Finanzbehörde faktisch daran gehindert, den Prüfungsfall bereits im Zeitpunkt der Antragstellung neu in die Prüfungspläne aufzunehmen, endet die Festsetzungsfrist erst zwei Jahre nach Wegfall des Hinderungsgrundes.
Sachverhalt
Streitig ist, ob der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt wird, wenn ein unbefristeter Antrag des Steuerpflichtigen auf Verschiebung des Prüfungsbeginns gestellt, aber nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Antragseingang mit der Außenprüfung begonnen worden ist.
In 1996 erließ das Finanzamt gegenüber der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, eine Prüfungsanordnung für die Jahre 1991 bis 1994 (Streitjahre). Als voraussichtlichen Prüfungsbeginn gab das Finanzamt den 11.12.1996 an. Die Klägerin beantragte, den Prüfungsbeginn zu verschieben. Gründe für die Verschiebung wurden ebenso wenig genannt wie ein Zeitpunkt, bis wann die Prüfung aufgeschoben werden sollte. Die Klägerin und das Finanzamt trafen in einem - aufgrund einer Außenprüfung für die Jahre 1984 bis 1990 - anhängigen Einspruchsverfahren am 20.07.2000 eine tatsächliche Verständigung, die sich zudem nach Zustimmung der Klägerin auf die Streitjahre erstreckte. Die Prüfung für die Streitjahre begann am 24.02.2000 und dauerte bis zum 07.02.2001.
Das Finanzamt erließ in 2004 geänderte Bescheide für die Jahre 1991 bis 1993. Die Einsprüche der Klägerin gegen diese Änderungsbescheide blieben erfolglos. Das FG gab der Klage statt. Die nach § 171 Abs. 4 AO im Jahr 1996 zunächst eingetretene Ablaufhemmung sei im Jahr 1998 rückwirkend wieder entfallen, weil das Finanzamt nicht innerhalb der von der Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 17.03.2010 geforderten Frist von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Verschiebung des Prüfungsbeginns mit der Prüfung begonnen habe.
Entscheidung
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Erlass der angefochtenen geänderten Bescheide für die Jahre 1991 bis 1993 der Ablauf der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist und damit der Eintritt der Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung entgegenstanden. Der Antrag der Klägerin auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung hat dazu geführt, dass die in § 171 Abs. 4 S. 1 2. Alt. AO bestimmte Ablaufhemmung eingetreten ist. Die Ablaufhemmung ist auch nicht deshalb wieder rückwirkend entfallen, weil das Finanzamt nicht innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Verschieben des Prüfungsbeginns mit einer Prüfung begonnen hat.
Nach Eingang eines Antrags des Steuerpflichtigen, der zum Eintritt der Ablaufhemmung führt, verbleibt der Finanzbehörde nach Auffassung des BFH (im Urteil vom 17.03.2010) nicht unbegrenzte Zeit, mit der Außenprüfung zu beginnen. Der Finanzbehörde wird in den Fällen des Wegfalls eines außerhalb ihrer Sphäre eingetretenen Hindernisses eine Zweijahresfrist für ein weiteres Tätigwerden eingeräumt. Ab diesem Zeitpunkt könne und dürfe die Finanzbehörde wieder selbst die Initiative zur Bearbeitung des Falles ergreifen und dementsprechend sei die Behörde gehalten, mit der Prüfung vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns zu beginnen, wolle sie den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung prinzipiell an. Die Regelung in § 171 Abs. 4 S. 2 AO will eine unbegrenzte Ablaufhemmung für jene Fälle ausschließen, in denen sich die Durchführung einer Außenprüfung über Gebühr aus einem in der Sphäre der Finanzverwaltung liegenden Grund verzögert.
Dies gilt jedenfalls, wenn - wie in dem im Urteil vom 17.03.2010 entschiedenen Streitfall - ein befristeter Aufschub des Prüfungsbeginns beantragt worden ist. In diesem Fall kommt es nicht in Betracht, die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) erst nach Ablauf von zwei Jahren seit Ablauf der beantragten Aufschubfrist enden zu lassen. Denn die Finanzbehörde hat bei einem zeitlich befristeten Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns die Möglichkeit, auf die zeitliche Dauer ihrer Untätigkeit Einfluss zu nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 17.03.2010). Sie kann bereits bei Eingang des Antrags dafür Sorge tragen, dass die erforderliche (neue) Integration des Prüfungsfalles in die Prüfungspläne erfolgen kann. Der Zeitraum von zwei Jahren ab Antragseingang erscheint hierfür ausreichend bemessen.
Anders kann es sich indessen verhalten, wenn der Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns keine zeitlichen Vorgaben enthält. In diesem Fall kann die Finanzbehörde faktisch daran gehindert sein, den Prüfungsfall bereits im Zeitpunkt der Antragstellung neu in die Prüfungspläne zu integrieren. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn beispielsweise Rechtsbehelfsverfahren betrieben werden und diese Rechtsbehelfsverfahren Prüfungsmaßnahmen betreffen, die mit der gegen den Steuerpflichtigen gerichteten Außenprüfung in hinreichendem sachlichem Zusammenhang stehen. In diesem Fall erscheint es als sachgerecht, die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) enden zu lassen, nachdem der Hinderungsgrund beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis hat.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG im Ergebnis zu Unrecht entschieden, dass die zunächst eingetretene Ablaufhemmung zwei Jahre nach Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns wieder rückwirkend entfallen ist.
Der Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns der Klägerin hat zunächst dazu geführt, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) gehemmt war. Das FG hat zutreffend angenommen, dass der Antrag der Klägerin ursächlich für das Hinausschieben des Prüfungsbeginns war. Zu dieser Würdigung konnte das FG gelangen, obwohl die Klägerin keine Gründe für die Verlegung glaubhaft gemacht hat. Aufgrund der eingelegten Einsprüche der Klägerin für die Jahre 1984 bis 1990 ging das FG im Zeitpunkt der Antragstellung von einem sachlichen Zusammenhang dieser dort zu klärenden Frage mit der Prüfung der Klägerin für die Streitjahre aus. Denn das Ergebnis der Rechtsbehelfsverfahren konnte den Ablauf der Außenprüfung beeinflussen.
Das FG ging jedoch zu Unrecht davon aus, dass die Finanzbehörde die Prüfung vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns bei der Finanzbehörde zu beginnen hat, wenn sie den Ablauf der Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) verhindern will. Denn der Antrag der Klägerin auf Aufschub des Prüfungsbeginns enthält keine zeitlichen Vorgaben, ab wann bei der Klägerin mit der Außenprüfung begonnen werden kann. Es war für die Finanzbehörde nicht abzusehen, wann die Rechtsbehelfsverfahren als Anlass für den Prüfungsaufschub beendet sein würden. Da die Verfahren aber nach Auffassung des FG Einfluss auf den Ablauf der Außenprüfung haben konnten, war die Finanzbehörde faktisch gehindert, den Prüfungsfall bereits im Zeitpunkt der Antragstellung neu in die Prüfungspläne aufzunehmen. Die anhängigen Rechtsbehelfsverfahren wurden schließlich erst am 20.07.2000 beendet. Da die Prüfung für die Streitjahre bereits am 24.02.2000 begonnen hat, war die angemessene Zeitspanne nach dem Wegfall der Unsicherheiten im Urteilsfall gewahrt.
Betroffene Norm
§ 171 Abs. 4 AO
Streitjahre 1991 bis 1994
Vorinstanz
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.02.2011, 3 K 3289/08, EFG 2011, S. 1037, siehe Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 01.02.2012, I R 18/11, BStBl II 2012, S. 400
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 17.03.2010, IV R 54/07, BStBl II 2011, S. 7, siehe Deloitte Tax-News