BFH: Attac bleibt Zugang zur Gemeinnützigkeit verwehrt
Auch im zweiten Rechtsgang stellt der Bundesfinanzhof (BFH) fest, dass die Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck i.S. von § 52 AO ist und verwehrt Attac somit weiterhin den Status der Gemeinnützigkeit.
Sachverhalt
Bereits im ersten Verfahrensgang konnte Attac den BFH nicht davon überzeugen, dass die öffentlichkeitswirksame Arbeit des Vereins zu den Themen der Finanz- und Wirtschaftspolitik (u.a. Umverteilung von Reichtum, Spekulation mit Lebensmitteln, Blockupy) oder zur Sozial- und Umweltpolitik (bspw. Anti-Atom-Bewegung, Klimaschutz, unbedingtes Grundeinkommen) mit den Grundsätzen gemeinnütziger Zweckverfolgung vereinbar ist (siehe Deloitte Tax-News).
Unklar blieb im ersten Verfahrenszug, ob eine Zurechnung der ausgeübten Tätigkeiten direkt zum Attac-Trägerverein möglich war oder ob nur einzelne Mitglieder der Bewegung den Rahmen gemeinnütziger Zweckverfolgung überschritten hatten, sodass der BFH die Klärung dieser Frage dem Finanzgericht Hessen (FG) in einem zweiten Rechtsgang überließ.
Das FG kam unter Zugrundelegung der vom BFH aufgestellten Grundsätze zu dem Schluss, dass dem Attac-Trägerverein die Tätigkeiten in Gänze zuzurechnen sind, sodass eine gemeinnützigkeitsrechtliche Anerkennung des Vereins nicht möglich war.
Entscheidung
Die Entscheidung des FG wurde seitens des BFH nunmehr bestätigt. Er hielt an seinen im ersten Rechtszug aufgestellten Grundsätzen fest und wies die Revision zurück.
Weder die Einflussnahme auf die politische Willensbildung noch die Gestaltung der öffentlichen Meinung als eigenständige Befassung werde von den steuerbegünstigten Zwecken nach § 52 Abs. 2 AO umfasst. Eine gemeinnützige Körperschaft dürfe mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung weder ausschließlich noch überwiegend einen politischen Zweck verfolgen. Es müsse stets ein Zusammenhang zu den gemeinnützigen Zwecken im Sinne des § 52 AO vorliegen. Insofern sei die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zulässig, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO genannten Zwecke - wie z.B. der Förderung des Umweltschutzes (Nr. 8) - diene. Die Beschäftigung mit politischen Vorgängen müsse im Rahmen dessen liegen, was das Eintreten für die steuerbegünstigten Ziele und deren Verwirklichung erfordere und dürfe nicht den Mittelpunkt der Betätigung bilden.
Der BFH führt weiter aus, dass im Zusammenhang mit der Förderung des demokratischen Staatswesens in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO auch die sog. politische Bildung zur Volksbildung gehöre. Diese sei thematisch nicht begrenzt, erfordere jedoch eine gewisse „geistige Offenheit“. Zudem könne auch auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung Einfluss genommen werden. Dies erfordere dann allerdings einen für die Volksbildung dienenden Charakter und die politische Bildung müsse sich auf bildungspolitische Fragestellungen beschränken.
Verfahrensrechtlich war der BFH an die vorgenannten Grundsätze aufgrund seines Urteils vom 10.01.2019 nach § 126 FGO gebunden, sodass er sich in der Sache selbst nur mit der Frage befassen musste, ob Tätigkeiten, die aus seiner Sicht nicht mit gemeinnütziger Zweckverfolgung im Einklang stehen, dem Attac-Trägerverein zuzurechnen sind. Dies bejahte der BFH und wies die Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil durch einstimmigen Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurück.
Betroffene Norm
§ 52 Abs. 2 Nr. 7 AO, § 52 Abs. 2 Nr. 24 AO
Streitjahre 2010-2012
Anmerkungen
Attac hatte bereits nach der ablehnenden Entscheidung des FG angekündigt, die Entscheidung verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen. Entsprechende verfassungsrechtliche Bedenken wurden im vorliegenden Beschluss seitens des BFH nicht berücksichtigt.
Auch im Rahmen der im JStG 2020 eingeführten Gemeinnützigkeitsreform wurde über die Vereinbarkeit von gemeinnütziger Zweckverfolgung mit politischer Betätigung heftig diskutiert (vgl. u.a. öffentliche Anhörung des Finanzausschusses des Bundestags vom 26.10.2020 BT-Drs. 19/25160).
Es ist daher davon auszugehen, dass die Debatte hierzu noch nicht zu Ende ist und der Gesetzgeber aufgefordert ist, eine Neuregelung zu schaffen.
Vorinstanz
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 26.02.2020, 4 K 179/16, EFG 2020, S. 1365
Fundstelle
BFH, Beschluss vom 10.12.2020, V R 14/20, BStBl. II 2021, S. 739, BVerfG-anhängig: 1 BvR 697/21