BFH: Bindungswirkung eines geänderten Grundlagenbescheids
Enthält ein geänderter Grundlagenbescheid zugleich eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung, ist er damit wie eine erstmalige Feststellung zu werten. Sein Regelungsinhalt ist dann in vollem Umfang und ohne Bindung an in der Vergangenheit bereits erfolgte Übernahmen aus vorangegangenen Feststellungsbescheiden in den Folgebescheid zu übernehmen.
Sachverhalt
Die Klägerin war Gesellschafterin einer GbR, welche im Streitjahr 1992 Verluste aus Spekulationsgeschäften erzielte. Im Rahmen eines Feststellungsbescheides wurde der Klägerin zwar ein entsprechender Verlust zugewiesen. Dieser fand jedoch in ihrem Einkommensteuerbescheid, der bestandskräftig wurde und keinen Vorbehalt der Nachprüfung enthielt, keine Berücksichtigung. Später erging für die Beteiligung ein geänderter Feststellungsbescheid, durch den der Klägerin ein nun erhöhter Verlust aus Spekulationsgeschäften zugewiesen wurde. Das Finanzamt berücksichtigte den Spekulationsverlust, nachdem der BFH über die unbeschränkte Ausgleichfähigkeit entschieden hatte, in einem geänderten Einkommensteuerbescheid lediglich mit dem Betrag, um den der Spekulationsverlust durch den geänderten Feststellungsbescheid gegenüber dem ursprünglichen Feststellungsbescheid erhöht wurde. Einspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Das FG habe nur dann zu Recht eine weitergehende Änderung des Einkommensteuerbescheides abgelehnt und zutreffend lediglich die neu festgestellten Spekulationsverluste zur Verrechnung zugelassen, wenn in dem geänderten Feststellungsbescheid nicht zugleich ein im Feststellungsverfahren noch geltender Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde.
Nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist ein Folgebescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Grundlagenbescheid ist auch ein Feststellungsbescheid, soweit er für die Festsetzung einer Steuer bindend ist. Grundlagenbescheide sind u.a. für Folgebescheide bindend, soweit in ihnen getroffene Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind (§ 182 Abs. 1 S. 1 AO).
§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO lasse jedoch keine uneingeschränkte Aufhebung/Änderung des Folgebescheids zu, sondern nur eine der Bindungswirkung entsprechende Anpassung an den erlassenen, aufgehobenen oder geänderten Grundlagenbescheid. Die Aufgabe, den Folgebescheid an den Grundlagenbescheid anzupassen, rechtfertige keine Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung. Sie reiche nur so weit, wie es die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlange (vgl. BFH-Urteil vom 07.05.2008).
Hingegen sei die Bindungswirkung unbeschränkt, wenn der geänderte Feststellungsbescheid zugleich eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 S. 2 1. Hs AO enthalte. Nach dieser Vorschrift gelte der geänderte Feststellungsbescheid als erstmalige Feststellung und damit als erstmalige Einzelfallregelung, der kein bloß wiederholender Charakter zuzumessen sei. Die durch die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung entstandene Bindungswirkung umfasse dann folglich den gesamten Grundlagenbescheid (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.2000). Auf die Frage, ob und in welchem Umfang Besteuerungsgrundlagen aus vorangegangenen (bestandskräftigen) Feststellungsbescheiden bereits in (bestandskräftigen) Folgebescheiden umgesetzt worden waren, komme es in diesem Fall nicht an.
Das FG habe im Streitfall festzustellen, ob der geänderte Feststellungsbescheid zugleich eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung enthielt.
Betroffene Norm
§ 164 Abs. 3 S. 2 1. Hs AO, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO, § 181 Abs. 1 S. 1 AO, § 182 Abs. 1 S. 1 AO
Vorinstanz
Finanzgericht Köln, Urteil vom 20.06.2013, 6 K 2552/10, EFG 2013, S. 1718
Fundstelle
BFH, Urteil vom 21.01.2014, IX R 38/13
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 07.05.2008, X R 21/05
BFH, Urteil vom 31.12.2000, X R 42/96, BStBl II 2001, S. 471
