BFH: Irreführender Zusatz in der Einspruchsentscheidung
Sachverhalt
Die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung enthielt folgenden Zusatz: „Der Tag der Aufgabe zur Post ist das Datum der Einspruchsentscheidung“. Umstritten war, ob die Klagefrist bei Klageerhebung bereits abgelaufen und die Klage somit wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig war oder ob der Zusatz irreführend war und die Klagefrist beim FG deshalb nicht mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zu laufen begann
Entscheidung
Mit seinem Beschluss vom 26.05.2010 entschied der BFH, dass der in der Rechtsbehelfsbelehrung enthaltene Satz unrichtig und irreführend ist und daher die Klagefrist bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen war. Die Klage kann gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung eingelegt werden.
Das Tatbestandsmerkmal der Unrichtigkeit gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO kann sich zum einen daraus ergeben, dass die Belehrung zu wenige Informationen enthält. Zum anderen kann sie sich auch daraus ergeben, dass die Belehrung Informationen enthält, die über den gesetzlich erforderlichen Mindestinhalt hinausgehen, sofern diese Informationen bei objektiver Betrachtung dazu geeignet sind, die Möglichkeit der Fristwahrung zu gefährden. Im vorliegenden Sachverhalt ist die Aussage „Der Tag der Aufgabe zur Post ist das Datum der Einspruchsentscheidung“ sachlich unzutreffend und bei objektivem Verständnis geeignet, die Fristwahrung zu gefährden. Aufgabe zur Post bedeutet Einwerfen in einen Postbriefkasten oder Einlieferung (Übergabe) bei der Post. Das für die Anwendung von § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO maßgebliche Datum ist der Tag, an dem diese Handlungen vorgenommen worden sind. Demgegenüber erhält die Einspruchsentscheidung das Datum der abschließenden Zeichnung durch den dafür zuständigen Beamten. Das Datum der Einspruchsentscheidung und der Tag der Aufgabe zur Post können deshalb auseinander fallen. Die Behauptung, der Tag der Aufgabe zur Post sei mit dem Datum der Einspruchsentscheidung identisch, trifft deshalb nicht zu.
Die darin liegende Unrichtigkeit ist bei objektiver Betrachtung auch geeignet, die Fristwahrung zu gefährden. Steuerpflichtige, die mit den internen Abläufen der Finanzverwaltung nicht vertraut sind, müssen aufgrund der Aussage, auf deren Richtigkeit sie sich verlassen dürfen, davon ausgehen, dass entweder Abweichungen zwischen beiden Daten aufgrund organisatorischer Vorkehrungen der Finanzämter tatsächlich nicht vorkommen können oder rechtlich irrelevant sind. Beides ist indes nicht der Fall. Unerheblich ist, ob die unrichtige Belehrung für die Fristversäumnis ursächlich war.
Betroffene Norm
§ 55 Abs. 2 Satz 1 FGO
Vorinstanz
Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 10.09.2009, 6 K 461/2008, BeckRS 2009 26028425.
Fundstelle
BFH, Beschluss vom 26.05.2010, VIII B 228/09.