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20.01.2012
Verfahrensrecht

BFH: Keine Korrektur der Anrechnungsverfügung nach Zahlungsverjährung

Sachverhalt

Die Kläger werden vom Finanzamt auf Rückzahlung zu viel erstatteter Lohnsteuer wegen einer fehlerhaften Anrechnungsverfügung in Anspruch genommen. Die Kläger sind für 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Die Steuerfestsetzung von 1998 wurde 1999 zu Lasten der Kläger geändert, auf deren Einspruch hin jedoch 2002 auf den ursprünglich ausgewiesenen Betrag herabgesetzt. In der zusammen mit diesem Änderungsbescheid erlassenen Anrechnungsverfügung ist aufgrund eines Eingabefehlers die für den Kläger einbehaltene Lohnsteuer zu hoch angesetzt worden. 2008 bemerkte das Finanzamt diesen Fehler, erließ eine geänderte Anrechnungsverfügung, forderte von den Klägern als Gesamtschuldner den zu Unrecht erstatteten Steuerbetrag zurück und setzte entsprechende Zinsen fest. Auf den hiergegen von den Klägern erhobenen Einspruch ist der angefochtene Abrechnungsbescheid ergangen, in dem das Finanzamt an der Rechtmäßigkeit seiner geänderten Anrechnungsverfügung festhielt. Das FG hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Die Anrechnungsverfügung habe geändert werden dürfen, weil die Kläger die Unrichtigkeit der ursprünglichen Anrechnungsverfügung zumindest hätten erkennen müssen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger. Sie meinen, der Rückzahlungsanspruch des Finanzamtes sei verjährt.

Entscheidung

Die Revision der Kläger ist begründet. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig, weil der Rückzahlungsanspruch des Finanzamtes durch Verjährung erloschen ist.

Ansprüche aus dem Steuerverhältnis unterliegen nach § 228 AO einer besonderen Zahlungsverjährung, die nach fünf Jahren eintritt. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt (§ 229 Abs. 1 AO).

Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist nach Auffassung des BFH (Urteil vom 27.10.2009), dass nach Ablauf einer angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber einkehren soll, was der Steuerpflichtige aufgrund der gegen ihn ergangenen Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen und Abzugsteuern noch zu zahlen hat bzw. was ihm zu erstatten ist. Die Änderung einer Anrechnungsverfügung nach Ablauf der durch die Bekanntgabe der Steuerfestsetzung in Lauf gesetzten Frist ist danach ungeachtet dessen auszuschließen, ob es um die nachträgliche Anrechnung durch Steuerabzug entrichteter Beträge und eine daraus folgende Verringerung der Abschlusszahlung bzw. eine Erstattungsforderung des Steuerpflichtigen geht oder umgekehrt um die Korrektur einer solchen Anrechnung zu Lasten des Steuerpflichtigen mit der Folge einer Erhöhung der Abschlusszahlung bzw. einer Steuernachforderung des Finanzamts.

Der (Zahlungs-)Anspruch des Finanzamts auf Rückzahlung einer in einer Anrechnungsverfügung zu Unrecht festgesetzten Erstattung mag zwar, wie das FG ausgeführt hat, erst entstehen und damit fällig werden, wenn das Finanzamt seine Anrechnungsverfügung ändert, weil es die Fehlerhaftigkeit seiner Abrechnung erkennt. Die Kläger weisen jedoch mit Recht darauf hin, dass dann ein Anspruch des Finanzamts auf Rückzahlung einer in einer Anrechnungsverfügung zu Unrecht festgesetzten Erstattung im Festsetzungsverfahren gar nicht festgesetzter Steuer(vorauszahlunge)n erst fünf Jahre, nachdem dieses die Rechtswidrigkeit der Steuererstattung erkannt hat, verjährte und damit die Verjährungsfrist insoweit praktisch ins Leere liefe. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein. Ebenso würde es, worauf die Kläger ebenfalls mit Recht hinweisen, dem deklaratorischen Charakter der Abrechnung in einer Anrechnungsverfügung nicht gerecht, bei einer auf deren Fehlerhaftigkeit beruhenden Erstattungszahlung die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs des Finanzamts nicht beginnen zu lassen, wohl aber bei einer fehlerhaften Zahlung des Finanzamts, der ein entsprechender Ausweis in einer Anrechnungsverfügung nicht vorausgegangen ist.

Dass nach der vorstehend entwickelten Auslegung des Gesetzes der Rückzahlungsanspruch des Finanzamts möglicherweise verjährt, bevor das Finanzamt diesen überhaupt wahrnimmt, spricht nicht gegen diese. Es ist für Verjährungsfristen geradezu typisch, dass sie rein objektiven Charakter haben (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 27.10.2009).

Nach alledem kann das Finanzamt im vorliegenden Fall keinen Rückzahlungsanspruch wegen der unrichtigen (rechtsgrundlosen) Anrechnung von Beträgen in der Anrechnungsverfügung geltend machen, weil seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Anrechnungsverfügung und der ihr zugrunde liegende Steuerbescheid ergangen sind, bereits fünf Jahre (§ 228 S. 2 AO) verstrichen waren.

Betroffene Norm

§ 228 AO, § 229 Abs. 1 AO
Streitjahr 2008

Vorinstanz

Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 06.08.2010, 2 K 1207/10

Fundstelle

BFH, Urteil vom 25.10.2011, VII R 55/10, BStBl II 2012, S. 220

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 27.10.2009, VII R 51/08, BStBl II 2010, S. 382; siehe Deloitte Tax-News

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