BFH: Mehrfache Gebühren für verbindliche Auskunft zugunsten mehrerer Antragsteller
Jeder Antrag auf verbindliche Auskunft löst eine Gebührenpflicht nach § 89 Abs. 3 S. 1 AO aus. Eine Auskunftsschrift enthält mindestens so viele Anträge, wie Steuerpflichtige von der Bindungswirkung der Auskunft erfasst sein sollen. Für jeden einzelnen Antragsteller ist eine separate Gebühr festzusetzen, unabhängig davon, ob mehrere Antragsteller die Beantwortung der nämlichen Rechtsfrage beantragt haben. Auch für (noch) nicht bestehende Steuerpflichtige, die im Zuge der geplanten Gestaltung, die Gegenstand der beantragten Auskunft ist, erst gegründet werden sollen, wird eine eigene Gebühr erhoben. Fraglich ist allerdings, ob dies auch nach der Neufassung von § 89 Abs. 3 AO (sog. Verbot der Gebührenkumulation) noch gilt und z.B. in Umwandlungsfällen weiterhin jeder abgebende, übernehmende oder entstehende Rechtsträger eigenständig zu beurteilen ist (so die Auffassung der Finanzverwaltung im AEAO vom 31.01.2014 in Tz. 4.1.2).
Sachverhalt
Der Kläger stellte bei seinem Wohnsitzfinanzamt einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zu einer Gestaltung, mit der er die Sicherung seines Immobilienbesitzes unabhängig von Nachfolgefragen für zukünftige Generationen beabsichtigte. Dafür sollte zunächst die Einlage des ausgewählten Immobilienvermögens in eine noch zu gründende gewerblich geprägte GmbH & Co. KG erfolgen. Der Kläger sollte Alleingesellschafter der vermögensmäßig an der KG nicht beteiligten Komplementär-GmbH sowie alleiniger Kommanditist der GmbH & Co. KG werden. Anschließend sollten die Anteile an der GmbH und der GmbH & Co. KG schenkweise auf eine noch zu gründende Familienstiftung übertragen werden. Mit dem vom Kläger gestellten Antrag auf verbindliche Auskunft sollten einkommensteuerrechtliche, gewerbesteuerrechtliche, schenkungsteuerrechtliche und grunderwerbsteuerrechtliche Fragen sowohl für den Kläger als auch die noch zu gründende GmbH & Co. KG und Stiftung geklärt werden.
Die unterschiedlichen für die einzelnen Steuerarten zuständigen Finanzämter setzten jeweils separate Gebühren für die drei betroffenen Steuerpflichtigen (Kläger, GmbH & Co. KG und Familienstiftung) fest. Dagegen wehrte sich der Kläger. Auch das FG gelangte zu der Überzeugung, dass gegenüber jedem Antragsteller eine eigene Gebühr festzusetzen sei, auch wenn die Antragsteller die verbindliche Auskunft in Bezug auf denselben Sachverhalt beantragten.
Entscheidung
Der BFH folgte der Auffassung des FG und hielt die streitigen Gebührenfestsetzungen für rechtmäßig. Auch wenn der Kläger mehrere Anträge auf verbindliche Auskunft in einer Antragsschrift zusammengefasst hat, seien separate Gebühren für alle betroffenen (auch noch nicht existenten) Steuerpflichtigen festzusetzen.
Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft durch Dritten
Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft kann auch durch einen Dritten, der ein eigenes berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung hat, gestellt werden. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Dritte die Gründung einer Gesellschaft oder einer Stiftung zu einem bestimmten steuerlichen Zweck plant und die Umsetzung des Vorhabens von den konkreten steuerlichen Folgen abhängt.
Gebührenpflicht
Für die Bearbeitung eines jeden Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO wird gemäß § 89 Abs. 3 S. 1 AO 2011 eine Gebühr erhoben. Der Wortlaut der Vorschrift ist nach Auffassung des BFH insoweit eindeutig (dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. AEAO vom 31.01.2014 zu § 89 AO, Tz. 4.1.2 S.1). Zur Verfassungskonformität der Gebührenerhebung siehe z.B. BFH-Urteile vom 30.03.2011, I R 61/10 und vom 22.04.2015, IV R 13/12. Zur Neuregelung in § 89 Abs. 3 AO siehe unten unter Anmerkung.
Separate Gebühr gegenüber jedem Antragsteller
Eine Auskunftsanfrage enthält mindestens so viele Anträge, wie Steuerpflichtige von der Bindungswirkung der Auskunft erfasst sein sollen, so der BFH. Für die Frage, wie viele Gebühren erhoben werden, sei nach dem Zweck der Gebühr darauf abzustellen, wem gegenüber sich die Verwaltung mit der erteilten Auskunft bindet. Denn die Gebühr soll auch den Vorteil der Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft ausgleichen, den ein Steuerpflichtiger ohne eine verbindliche Auskunft nicht erreicht (BFH, Urteil vom 22.04.2015, IV R 13/12). Jedem einzelnen Steuerpflichtigen, der sich auf die Bindungswirkung berufen kann, komme ein entsprechender Vorteil zugute. Gleiches gelte, wenn verschiedene Anträge in einer Antragsschrift zusammengefasst werden. Eine Zusammenfassung mehrerer Anträge zu einem Gesamtantrag sehe das Gesetz nicht vor. Auch mehrere Anträge zum gleichen Sachverhalt werden grundsätzlich nicht zu einem Antrag i.S. des § 89 Abs. 3 S. 1 AO 2011 zusammengefasst und führen nicht zu einem einheitlichen Auskunftsverfahren. Somit sei gegenüber jedem einzelnen Antragsteller eine Gebühr festzusetzen, die sich in erster Linie nach dem Wert der Auskunft für den individuellen Antragsteller bemisst (BFH-Urteil vom 09.03.2016, I R 66/14).
Gebühr auch für (noch) nicht existierende Steuerpflichtige
Mehrere Anträge liegen nach Ansicht des BFH u.a. dann vor, wenn ein beabsichtigter Sachverhalt (wie im Streitfall) in mehreren Schritten verwirklicht werden soll und neben dem selbst betroffenen Antragsteller eine noch nicht existente Person, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die einen Teil des geplanten Sachverhalts verwirklichen soll, von der Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft begünstigt werden soll. Die Zusammenfassung mehrerer Anträge von unterschiedlichen Steuerpflichtigen, die bis auf den Antragsteller noch nicht existieren, sei daher für die Frage, wie viele Anträge in einer Antragsschrift gestellt werden, ohne Bedeutung.
Ausnahme: einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 179 Abs. 2 S. 2 AO
Einen einheitlichen Antrag sieht der BFH nur dann als gegeben an, wenn eine verbindliche Auskunft einen Sachverhalt betrifft, der mehreren Personen gemäß § 179 Abs. 2 S. 2 AO (einheitliche und gesonderte Feststellung) steuerlich zuzurechnen ist.
Gebührenschuldner
Die Gebührenpflicht trifft den Antragsteller als Gebührenschuldner. Als Antragsteller ist derjenige anzusehen, in dessen Namen ein Antrag gestellt wird. Dass Gebührenschuldner der jeweilige Antragsteller ist, gilt auch, wenn ein Dritter eine Auskunft beantragt oder ein Nichtberechtigter den Antrag stellt. Der Antragsteller muss nicht durch die verbindliche Auskunft begünstigt sein. Besteht eine Person oder Vermögensmasse bei Antragstellung noch nicht, kann nicht sie Gebührenschuldner sein, sondern nur der Dritte, der den Antrag für sie stellt. D.h. im vorliegenden Fall ist die Nichtexistenz der Familienstiftung zwar für die Gebührenschuldnerschaft erheblich, nicht aber für die Frage, ob überhaupt eine Gebühr erhoben wird.
Ergebnis im Streitfall
Für den Streitfall kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Antragsschrift zur Erteilung einer verbindlichen Auskunft des Klägers für den mehrstufigen Sachverhalt sowohl (1) Fragen zur Besteuerung des Klägers als auch (2) zu den steuerlichen Folgen einer Übertragung von Immobilienvermögen auf die noch zu gründende GmbH & Co. KG und (3) zu den Auswirkungen einer Übertragung der Gesellschaftsanteile auf die noch zu gründende Familienstiftung betraf und somit mehrere Anträge i.S. des § 89 Abs. 3 S. 1 AO 2011 enthielt.
Betroffene Normen
§ 89 Abs. 2 AO 2006, § 89 Abs. 3 AO 2011
Streitjahr 2014
Anmerkung
Neuregelung im Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens
Im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.07.2016 wurde in § 89 Abs. 3 S. 2 AO eine Gebührenentlastung für einen von mehreren Antragstellern nach dem 22.07.2016 gestellten Antrag eingeführt. Danach wird in dem Fall, dass eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt wird, nur eine Gebühr erhoben. Relevant ist die Neuregelung zumindest in Fällen der einheitlichen und gesonderten Feststellung nach § 179 Abs. 2 S. 2 AO sowie der Organschaft. Fraglich ist jedoch, ob die Neuregelung auch bei Betriebsaufspaltungen und Umwandlungen gilt. Die Finanzverwaltung verneint dies und vertritt die Auffassung, dass in Umwandlungsfällen jeder abgebende, übernehmende oder entstehende Rechtsträger eigenständig zu beurteilen ist (vgl. Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) vom 31.01.2014). In der Literatur wird diese Ansicht der Finanzverwaltung aufgrund des nicht eindeutigen Gesetzeswortlauts teilweise für zu eng gehalten (vgl. z.B. Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentierung zu § 89 AO, Tz. 67 ff; Süß/Brühl, DStR 16, S. 2617).
Praxishinweis
Gegen einen Gebührenbescheid kann Einspruch eingelegt werden und auch Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Sofern z.B. in Umwandlungsfällen oder anderen Gestaltungen, die in mehreren Schritten erfolgen, mehrfache Gebühren festgesetzt werden, sollte dagegen in Absprache mit dem Mandanten aufgrund des unklaren Gesetzeswortlauts vorgegangen werden. In jedem Fall ist aber zu berücksichtigen, dass das Risiko besteht, dass in mehrstufigen Gestaltungen von der Finanzverwaltung auch mehrere Gebühren festgesetzt werden, auch wenn die Auskunft in nur einer Antragsschrift beantragt wurde.
Vorinstanz
Finanzgericht München, Urteil vom 05.04.2017, 4 K 2058/14
Fundstelle
BFH, Urteil vom 27.11.2019, II R 24/17, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen
Weitere Fundstellen
BFH-Urteil vom 09.03.2016, I R 66/14, BStBl II 2016, S. 706, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.04.2015, IV R 13/12, BStBl II 2015, S. 989, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 30.03.2011, I R 61/10, BStBl II 2011, S. 536, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 30.03.2011, I R 61/10, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 31.01.2014, Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO)