Zurück zur Übersicht
07.01.2013
Verfahrensrecht

BFH: Zwangsgeld gegen Insolvenzverwalter auch wegen Nichtabgabe von Null-Erklärungen

Die Festsetzung von Zwangsgeld zur Durchsetzung der steuerlichen Erklärungspflichten des Insolvenzverwalters ist weder unverhältnismäßig noch ermessensfehlerhaft, auch wenn voraussichtlich nicht mit steuerlichen Auswirkungen zu rechnen ist.

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in einem über das Vermögen einer GmbH eröffneten Insolvenzverfahren. Nachdem das Finanzamt den Kläger mehrfach vergeblich aufgefordert hatte, ausstehende Steuererklärungen, Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen für die Insolvenzschuldnerin abzugeben, drohte es mit jeweils gesonderten Bescheiden dem Kläger die Festsetzung von Zwangsgeld an. Schließlich setze das Finanzamt gegenüber dem Kläger die angedrohten Zwangsgelder fest. In seinen (erfolglosen) Einsprüchen gegen die Festsetzungsbescheide wies der Kläger darauf hin, dass das Insolvenzverfahren abschlussreif sei und die Schlussunterlagen mit dem Ergebnis der Masseunzulänglichkeit bereits übermittelt seien.

Streitig ist, ob die Festsetzung von Zwangsgeld zur Durchsetzung der steuerlichen Erklärungspflichten unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft ist, wenn (voraussichtlich) nicht mit steuerlichen Auswirkungen zu rechnen ist.

Entscheidung

Das FG hat zu Unrecht die Bescheide zur Festsetzung von Zwangsgeld aufgehoben. Die angefochtene Zwangsgeldfestsetzung gegen den Kläger ist rechtmäßig. Das Finanzamt hat das ihm eingeräumte Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.

Ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung gerichtet ist, kann mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Damit ist der Finanzbehörde eine Ermessensentscheidung abverlangt, ob sie ein Zwangsmittel anwenden soll (Entschließungsermessen) und welches der drei abschließend aufgeführten Mittel sachgerecht ist (Auswahlermessen).

Mit der Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung wegen mangelhafter Ermessensausübung des Finanzamts hat das FG im Übrigen die Grenzen der ihm durch § 102 FGO eingeräumten Überprüfungsbefugnis überschritten. Das FG kann lediglich prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder die Ausübung des Ermessens rechtlich zu beanstanden ist (Ermessensfehlgebrauch). Es ist nicht befugt, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen und diese an die Stelle der behördlichen Ermessensentscheidung zu setzen (BFH vom 28.09.2010). Den Feststellungen des FG sind keine Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch des Finanzamts zu entnehmen. Da der Kläger die Zwangsgeldandrohungen hat bestandskräftig werden lassen, könnten nur solche Umstände einen Ermessensfehler bei der Zwangsgeldfestsetzung begründen, die nicht schon bei der Androhung hätten berücksichtigt werden können und müssen. Derartige Umstände sind nicht ersichtlich. Das FG hält vielmehr die Entscheidung wegen der auch dem Finanzamt bekannten Sachlage, dass die Abgabe der geforderten Erklärungen durch den Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit keine steuerlichen Auswirkungen haben dürfte, für verfehlt und unzweckmäßig. Damit beanstandet es die Wertung der bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden und vom Finanzamt auch berücksichtigten Umstände. Im Ergebnis setzt das FG seine eigene Ermessensentscheidung anstelle derjenigen des Finanzamts.

Die Ausführungen des FG deuten darüber hinaus darauf hin, dass es die Zwangsgeldfestsetzungen im Streitfall für unverhältnismäßig hält. Der Streitfall weist allerdings keine Besonderheiten auf, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Durchsetzung der steuerlichen Erklärungspflichten des Klägers durch Festsetzung von Zwangsgeldern sei unverhältnismäßig. Der Durchsetzung der steuerlichen Pflichten steht weder entgegen, dass möglicherweise entstehende Kosten die Insolvenzmasse belasten, obwohl keine steuerlichen Auswirkungen zu erwarten sind (BFH vom 23.08.1994), noch dass das Finanzamt die Möglichkeit der Schätzung hätte wahrnehmen können (BFH vom 13.02.1996). Die Erfüllung der Erklärungspflichten bedeutet schon deshalb keinen unverhältnismäßigen Aufwand, weil der Kläger die dafür erforderlichen Vorarbeiten mit seinem Schlussbericht gegenüber dem Insolvenzgericht bereits geleistet hat und die Erstellung der sich daraus nach seinen eigenen Angaben ergebenden "Null-Erklärungen" ihm als Rechtsanwalt keine Schwierigkeit bereiten sollte.

Betroffene Norm
§ 328 AO, § 102 FGO
Streitjahr 2009

Vorinstanz
Finanzgericht Thüringen, Urteil vom 01.09.2011, 1 K 355/10, EFG 2012, S. 388

Fundstelle
BFH, Urteil vom 06.11.2012, VII R 72/11, BStBl II 2013, S. 141

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 28.09.2010, VII R 45/09, BFHE 231, S. 409
BFH, Urteil vom 13.02.1996, VII R 43/95, BFH/NV 1996, S. 530
BFH, Urteil vom 23.08.1994, VII R 143/92, BStBl II 1995, S. 194

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.