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23.04.2015
Verfahrensrecht

Erlass FinMin NRW: Anwendung der neuen verschärften Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige

Mit Erlassen vom 26.01.2015 und vom 09.02.2015 hat das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen zur Anwendung der im Rahmen des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 22.12.2014 verschärften Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige Stellung bezogen.

Hintergrund

Mit dem Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 22.12.2014, das zum 01.01.2015 in Kraft getreten ist, wurden die bisherigen Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO nochmals verschärft (siehe Deloitte Tax-News). Mit Erlassen vom 26.01.2015 und vom 09.02.2015 werden diese Neuregelungen klarstellend dargestellt bzw. konkretisiert und einige offene Punkte aufgeführt.

Verwaltungsanweisung

Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen der gesetzlichen Regelungen der strafbefreienden Selbstanzeige sowie die aus Sicht der Finanzverwaltung noch zu klärenden Punkte dargestellt.

Verschärfungen für die Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige

- Berichtigungspflicht der Besteuerungszeiträume: Die Angaben in einer Selbstanzeige sind nunmehr mindestens zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre zu machen (§ 371 Abs. 1 AO).

Die Bestimmung dieses Zeitraums sei weder aus dem Gesetzestext noch aus der Begründung ersichtlich. Daher werde eine Klärung auf Bundesebene angestrebt.

- Bekanntgabe der Prüfungsanordnung: Wird einem Täter einer Steuerhinterziehung die Prüfungsanordnung für eine steuerliche Außenprüfung bekannt gegeben, kann der Anstifter zu der Steuerhinterziehung keine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung mehr abgeben (Sperrwirkung), was bislang zulässig war.

Es sei dabei nicht erforderlich, dass der an der Tat Beteiligte von der Prüfungsanordnung Kenntnis erhalten müsse. Eine umfassende Sperrwirkung werde durch die Prüfungsanordnung allerdings insoweit nicht ausgelöst, als sich die Sperrwirkung sachlich und zeitlich auf den Umfang der angekündigten Außenprüfung beschränke.

- Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens: Die Sperrwirkung einer Verfahrenseinleitung (Bekanntgabe gegenüber dem Täter) erstreckt sich zukünftig auch auf alle an der Tat beteiligten Personen, also neben dem Täter auch auf einen Gehilfen (Anstifter, Beihilfetäter).

- Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung: Der Umfang der Sperrwirkung des Erscheinens eines Amtsträgers zu einer steuerlichen Prüfung wurde auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung beschränkt. Damit bleibt eine strafbefreiende Selbstanzeige für die Zeiträume möglich, die nicht von der Außenprüfung umfasst sind. (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO)

- Erscheinen eines Amtsträgers zur Umsatzsteuer-/Lohnsteuer-Nachschau: Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist in der Zeit nicht mehr möglich, in der ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Umsatzsteuer-Nachschau, Lohnsteuer-Nachschau oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen und sich ausgewiesen hat (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e AO). Der sachliche und weitergehende zeitliche Umfang der Sperrwirkung durch eine Nachschau sei insoweit unbestimmt, als ungeklärt sei, ob eine Nachschau eine Selbstanzeige im vollen Umfang für alle Steuerarten und Zeiträume sperre. Dies soll auf Bundesebene geklärt werden.

- Hinterziehungsbetrag und Schwere der Hinterziehung: Die Grenze, bis zu der eine Steuerhinterziehung ohne Zahlung eines Geldbetrags nach § 398 a AO bei einer Selbstanzeige straffrei bleibt, wurde von bislang 50.000 Euro auf 25.000 Euro abgesenkt. Weiterhin wurden besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung als Sperrgründe aufgenommen (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 5 AO) vor.

- Ausnahmen bei Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung: Eine korrigierte oder verspätet abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Lohnsteueranmeldung gilt wieder als wirksame Teilselbstanzeige (wie Rechtszustand vor Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes aus 2011). Als weitere Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot muss die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Vorjahr nicht auch Berichtigungen für die Umsatzsteuervoranmeldungen des laufenden Jahres umfassen. (§ 371 Abs. 2a AO). Eine korrigierte USt-Voranmeldung bzw. LSt-Anmeldung könne darüber hinaus als wirksame Selbstanzeige auch dann abgegeben werden, wenn eine Außenprüfung durch Prüfungsanordnung für zurückliegende Besteuerungszeiträume angekündigt wurde bzw. ein Amtsträger zur Außenprüfung für zurückliegende Besteuerungszeiträume erschienen sei.

- Nachentrichtung: Zur Erlangung einer endgültigen Strafbefreiung muss neben der vollständigen Entrichtung der hinterzogenen Steuern nun auch die vollständige Zahlung der Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und der Zinsen nach § 233a AO, sofern diese auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden, innerhalb der Nachentrichtungsfrist erfolgen (§ 371 Abs. 3 AO, § 398a Abs. 1 Nr. 1 AO). Stundung, Vollstreckungsaufschub und AdV könnten keinen Einfluss auf die strafrechtlich zu setzende Frist nach § 371 Abs. 3 AO haben. Zur Berechnung sowohl der hinterzogenen Steuer als auch der darauf entfallenden Hinterziehungszinsen wäre aber auf den Zeitraum gem. § 371 Abs. 1 AO abzustellen. Dies hätte evtl. unterschiedliche Berechnungen im Festsetzungsfinanzamt und STRAFA-FA zur Folge. Es werde eine Klärung auf Bundesebene angestrengt.

Absehen von Verfolgung in besonderen Fällen

  • Der zugunsten der Staatskasse zu zahlende Geldbetrag wurde deutlich erhöht.
  • Es wurde klargestellt, dass die Wiederaufnahme eines nach § 398a Abs. 1 AO abgeschlossenen Strafverfahrens möglich ist, wenn sich herausstellt, dass die Angaben im Rahmen der Selbstanzeige nicht den inhaltlichen Anforderungen entsprachen (§ 398a Abs. 3 AO).
  • Der gezahlte Zuschlag nach § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO wird u.a. nicht erstattet, wenn es zu keiner Straffreiheit kommt; allerdings werde er auf eine mögliche vom Gericht verhängte Geldstrafe angerechnet. Ungeklärt sei, ob in Fällen, in denen das Strafverfahren trotz Zahlung des Zuschlags nicht eingestellt wird oder es zu einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens kommt, der gezahlte Zuschlag auf eine mögliche Freiheitsstrafe oder eine Geldauflage nach § 153a StPO angerechnet werden kann.

Neue Anlaufhemmung im Rahmen der steuerlichen Festsetzungsfrist

Die Festsetzungsfrist für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die aus Drittstaaten stammen und die nicht nach Verträgen i.S.d. § 2 Abs. 1 AO oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden, beginnt erst mit Ablauf des Kalenderjahres der Kenntniserlangung der Finanzbehörde, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 6 AO). Es soll auf Bundesebene geklärt werden, welche Kapitalerträge unter die neue Anlaufhemmung fallen.

Inkrafttreten

Das Gesetz trat am 01.01.2015 in Kraft. Die verschärften Regelungen zur Selbstanzeige gelten damit erst für Selbstanzeigen, die nach dem 01.01.2015 abgegeben werden. Bereits vor dem 01.01.2015 abgegebene Selbstanzeigen, über deren Wirksamkeit noch nicht abschließend entschieden sei, seien am Maßstab der aus Sicht des Betroffenen mildesten Regelung zu messen.

Fundstellen

Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 26.01.2015, S 0702 – 8f – V A 1
Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 09.02.2015, S 0702 – 8f – V A 1

Weitere Beiträge

Änderung AO und EGAO (Verschärfung Selbstanzeige), Bundesrat stimmt Gesetz zu (siehe Deloitte Tax News).

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