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13.07.2022
Verfahrensrecht

Zinssatz Vollverzinsung: BMF legt Referentenentwurf für Anpassung vor

Aktuell

  • Am 20.05.2022 hat der Bundesrat beschlossen, gegen den Gesetzesentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung keine Einwendungen zu erheben. Stellungnahme des Bundesrates vom 20.05.2022; Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 08.04.2022 
  • Am 30.03.2022 hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung verabschiedet. Gegenüber dem Referentenentwurf gab es nur redaktionelle Anpassungen. Regierungsentwurf

 

​Das Bundesfinanzministerium hat am 22.02.2022 den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Neubestimmung des Zinssatzes bei der Vollverzinsung sowie weiterer Änderungen in der Abgabenordnung in die Verbandsanhörung gegeben. Mit dem Gesetzentwurf soll der Zinssatz auf 1,8% für ein volles Jahr abgesenkt werden.

Hintergrund

Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem Beschluss vom 08.07.2021 die Regelungen für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen ab 2014 in ihrer Höhe von monatlich 0,5 % für verfassungswidrig erklärt (siehe Deloitte Tax-News). Eine übergangsweise Weiteranwendung der Verzinsungsregelung wird nur noch für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume zugelassen (Fortgeltungsanordnung). Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die Vorschriften dagegen unanwendbar. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis zum 31.07.2022 eine neue (bis einschließlich 2019 zurückwirkende) gesetzliche Regelung zu treffen.

Hierzu bereitet das Bundesfinanzministerium mit dem am 22.02.2022 den Verbänden zur Anhörung vorgelegten Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung das Gesetzgebungsverfahren vor. Der Referentenentwurf enthält folgende Regelungen. 

Referentenentwurf

  • Bei der Definition eines verbunden Unternehmens nach § 138e AO im Rahmen der Anzeigepflicht von Steuergestaltungen soll in den deutschen Vorschriften die in der EU-Richtline enthaltene Bestimmung, dass bei mittelbaren Beteiligungen eine Person als Halterin von 100% der Stimmrechte gilt, wenn sie Stimmrechtsbeteiligungen von mehr als 50% hält, umgesetzt werden.
  • Ebenfalls als Ergänzung der Vorschriften aus der EU-Richtlinie sollen Intermediäre bei marktfähigen Gestaltungen bei einer Aktualisierung zu den meldepflichtigen Informationen auch Angaben nach § 138f Abs. 3 Nr. 3 AO zu verbundenen Unternehmen melden. Diese Pflicht bestand derzeit in Deutschland nicht und soll durch eine Ergänzung in § 138h Abs. 2 S. 1 AO zukünftig erfolgen.
  • Der EuGH hat in nunmehr ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Mitgliedstaaten unionsrechtlich zur Verzinsung von Steuererstattungen verpflichtet sind, wenn einer Steuerfestsetzung ein unionsrechtswidriges nationales Steuergesetz zugrunde lag und die Steuer deshalb zu erstatten war oder wenn die überlange Bearbeitungsdauer eines Antrags auf Umsatzsteuererstattung gegen das Neutralitätsgebot verstieß. Durch eine Änderung in § 233 AO soll klargestellt werden, dass auch in diesen Fällen vorbehaltlich vorgreiflicher Bestimmungen des Unionsrechts (vgl. § 1 Absatz 1 Satz 2 AO) die Bestimmungen der AO über die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gelten.
  • Nach § 233a Abs. 2 AO beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen. Durch einem neuen Satz 3 in Abs. 2 soll bestimmt werden, dass Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG bei der Entscheidung über die maßgebliche Karenzzeit nicht zu berücksichtigen sind.
  • Der BFH hat erstmals in einem Beschluss vom 08.10.2019, V R 15/18 die Auffassung vertreten, dass bei mehrfachen Änderungen von Steuerfestsetzungen für die Berechnung von Erstattungszinsen die letzte Zahlung auf den Steuerbescheid maßgeblich sei, in dem die Besteuerungsgrundlage enthalten war, die aufgrund des Änderungsbescheids entfällt. Entgegen dieser Auffassung des BFH soll die bisherige Verwaltungsauffassung, das „last in - first out-Prinzip“, durch eine Ergänzung in § 233a Abs. 3 S. 4 AO ausdrücklich gesetzlich verankert werden.
  • In § 233a AO soll ein neuer Abs. 8 eingefügt werden, wonach Nachzahlungszinsen nicht zu erheben sind, soweit der Steuerpflichtige Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht und die Finanzbehörde diese noch nicht fälligen Leistungen angenommen und dann die Leistung auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Damit soll eine Regelung aus dem Anwendungserlass zu § 233a AO gesetzlich umgesetzt werden.
  • Der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO soll nach § 238 a Abs. 1a AO-E für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 0,15% je Monat (1,8% für ein volles Jahr) betragen. Dabei soll sich der Zinssatz am aktuellen Basiszinssatz nach § 247 BGB (- 0,88% p.a.) orientieren und einen Zuschlag in Höhe von rund 2,7 Prozentpunkten vorsehen.
    Für die Übergangszeit vom alten auf den neuen Zinssatz soll nach § 238 a Abs. 1a AO-E bei Zinsläufen die Zinszahlungszeiträume betreffen, die über den Jahreswechsel 2018/2019 hinausgehen, der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen sein. Hierbei ist die „deutsche Zinsberechnungsmethode“ anzuwenden, d.h. jeder volle Monat wird mit 30 Zinstagen gerechnet.
    Der Zinssatz soll alle 3 Jahr mit Blick auf zukünftige Verzinsungszeiträume auf die Angemessenheit überprüft werden. Erstmalig soll dies zum 01.01.2026 erfolgen. Eine Anpassung soll nur erfolgen, wenn der zum 1. Januar des Jahres der Evaluation geltende Basiszinssatz um mehr als einen Prozentpunkt von dem bei der letzten Festlegung oder Anpassung des Zinssatzes geltenden Basiszinssatz abweicht.
  • Die Festsetzungsfrist für Zinsen nach § 239 Abs. 1 S. 1 AO soll von einem auf zwei Jahr verlängert werden.
  • In einem neuen § 239 Abs 5 AO-E soll klargestellt werden, dass die Zinsfestsetzung nach § 233a AO Grundlagenbescheid für die Zinsfestsetzungen ist, soweit die Zinsen nach § 233a AO anzurechnen sind.

Fundstellen

Bundesrat, Stellungnahme des Bundesrates vom 20.05.2022 

Bundesrat, Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 08.04.2022 

Bundesfinanzministerium, Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung​​ 

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