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13.02.2015
Transfer Pricing

BEPS: Maßnahme 14 - Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen

Einleitung

Wie die OECD bereits im September in der Veröffentlichung zur Entwicklung eines multilateralen Übereinkommens (Maßnahme 15) festgestellt hat, ist es leichter, komplexe Sachverhalte der Einkünfteabgrenzung auf multilateraler Ebene zu lösen. Als größte Hürde wurde das Fehlen einer einheitlichen und wirksamen Rechtsgrundlage identifiziert. Am 18.12.2014 hat die OECD den Diskussionsentwurf zur Maßnahme 14 (Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen) des im Jahr 2013 durch die OECD und die G20 Länder ausgearbeiteten Aktionsplans zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung veröffentlicht. Um ein klares Bild über die Notwendigkeit von wirksamen Streitbeilegungsmechanismen zu verschaffen, erläutern wir im Folgenden kurz die Hintergründe und geänderten Rahmenbedingungen.

Geänderte Rahmenbedingungen

Für die Streitbeilegung und zur Verhinderung von Doppelbesteuerung bei abkommensrechtlichen Differenzen zwischen Finanzbehörden verschiedener Länder wurde ursprünglich das Verständigungsverfahren als bilaterales Verfahren ohne Einigungszwang konzipiert. Verrechnungspreise wurden von den Finanzverwaltungen seiner Zeit recht vereinzelt aufgegriffen, so dass diese Verfahren hauptsächlich von einigen wenigen Akteuren, meist großen Unternehmen, genutzt wurden. Es gab eine überschaubare Anzahl an Verfahren, welche auch ohne Einigungszwang meist vom positiven Willen der Beteiligten geprägt waren, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Zwischenzeitlich werden Verrechnungspreisthemen in Betriebsprüfungen immer häufiger aufgegriffen und zwar auch bei mittleren und kleineren Unternehmen und bei einfachen Sachverhalten, was früher selten der Fall gewesen ist. Der Hintergrund für diesen Trend sind sowohl die Veränderungen der wirtschaftlichen sowie regulatorischen Rahmenbedingungen als auch ein regelmäßiger Schwerpunkt in der Betriebsprüfung auf Verrechnungspreisen. Parallel dazu haben sich die Regelwerke auf internationaler und nationaler Ebene für Verrechnungspreise in rasantem Tempo weiterentwickelt. Die Dokumentationsanforderungen werden ausgeweitet und es findet eine zunehmende Verrechtlichung der allgemeinen Thematik und Streitpunkte in der Betriebsprüfung statt. Die Anzahl der Bundesprüfer wird erheblich aufgestockt, so dass zu erwarten ist, dass dieser Trend sich fortsetzen wird. Dabei muss festgestellt werden, dass nach unserer Einschätzung Deutschland hinsichtlich des materiellen Rechts gut aufgestellt ist. Die Problematik ist verstärkt in der Umsetzung zu sehen. Für Unternehmen führt dies immer häufiger zu Anpassungen und daraus resultierender Doppelbesteuerung.

Der ursprüngliche Mechanismus zur Streitbeilegung durch das Verständigungsverfahren ist auf Grund dieser quantitativen und qualitativen Veränderungen vor neue Herausforderung gestellt. Um dem zu begegnen wurden mittlerweile neben dem Musterabkommen und Kommentar der OECD auch die umfangreichen Verrechnungspreisrichtlinien sowie ein Handbuch zur effektiven Streitbeilegung („Manual on Effective Mutual Agreement Procedures“ - MEMAP) veröffentlicht. Als ein wesentlicher Fortschritt wurde dabei der Einigungszwang durch Schiedsverfahren nach Ablauf von zwei Jahren entwickelt. Dieser wurde 2008 als Schiedsklausel in Art. 25 Abs. 5 des OECD Musterabkommens aufgenommen. Eine derartige Klausel findet sich auch bereits seit 1995 auf EU Ebene in der EU Schiedskonvention. Das EU Joint Transfer Pricing Forum (EU JTPF) hat im Code of Conduct Grundzüge eines Verfahrensrechts weiterentwickelt. Um der steigenden Komplexität Rechnung zu tragen, wird die Möglichkeit, Verständigungsverfahren auf multilaterale Ebene durchzuführen, im Code of Conduct empfohlen, sowie auch in dem aktuellen Diskussionsentwurf aufgegriffen.

Dem steht gegenüber, dass sich Schiedsklauseln nur in wenigen DBAs finden und trotz dieser zwischenstaatlichen Vereinbarung festgestellt werden muss, dass die Verfahrensdauer weiterhin bei mehreren Jahren liegt und multilaterale Verständigungsverfahren sowie Schiedsverfahren nur äußerst selten durchgeführt werden. Es bleibt abzuwarten, ob der politische Handlungswille im Rahmen von BEPS zu einem konzertierten Vorgehen der Staaten unter einem multilateralen Regime eine wesentliche Veränderung bringen wird. Auf Grund der Zunahme von Doppelbesteuerungsfällen, einer höheren Komplexität der Sachverhalte, erheblicher Verfahrenskosten und –dauer sowie der Ungewissheit des Ausgangs mangels Einigungszwangs für die beteiligten Unternehmen ist dies dringend nötig. Dies gilt umso mehr, als davon auszugehen ist, dass sich dieser Trend durch die im Rahmen der Umsetzung der BEPS Initiativen zu erwartenden Doppelbesteuerungsfälle in den nächsten Jahren fortsetzen wird (im Rahmen des Public Consultation Meetings der OECD am 23.01.2015 wurde von einem „Tsunami“ neuer Fälle gesprochen). Ebenso ist eine steigende Zahl der Anträge auf Durchführung von Vorabverständigungsverfahren zu erwarten, da Unternehmen versuchen werden, Unsicherheiten im Zusammenhang mit BEPS zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund ist die Initiative der OECD im Rahmen der Maßnahme 14 zu begrüßen.

Darstellung des Diskussionsentwurfs zur Maßnahme 14

Ziel der Maßnahme 14 ist die Beseitigung von Hindernissen im Rahmen abkommensbezogener Streitigkeiten. Ein in allen OECD-Mitgliedsländern einheitlich geltendes Prozessrecht für abkommensbezogene Streitigkeiten gibt es nicht. Vielmehr ist die Regelung dieser Streitigkeiten Gegenstand der Abkommen selbst bzw. der innerstaatlichen Regelungen der jeweiligen Vertragsstaaten. Der Diskussionsentwurf ist im Kontext eines dreigeteilten Ansatzes zu sehen, um Änderungen in der Lösung von abkommensbezogenen Streitigkeiten zu erreichen. Dieser Ansatz besteht in der politischen Verpflichtung zur effektiven Beseitigung von Doppelbesteuerung, der Ergreifung neuer Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu Verständigungsverfahren und der Prozesse sowie der Einführung eines Mechanismus, um die Implementierung der eingegangenen Verpflichtungen zu überwachen. Die OECD betont, dass kein Konsens zwischen den Mitgliedstaaten besteht, ein Schiedsverfahren mit Einigungszwang in allen DBA einzuführen. Der vorgelegte Entwurf identifiziert 22 wesentliche Hindernisse und stellt insgesamt 34 mögliche Initiativen zur Verbesserung des Zugangs zu und der Durchführung von Verständigungsverfahren zur Diskussion.

Vier Leitprinzipien

Die Hindernisse und möglichen Maßnahmen zu ihrer Überwindung werden unter die folgenden vier Leitprinzipien gefasst, welche sicherstellen sollen, dass:

  1. die vollständige Umsetzung der Verpflichtungen aus den DBA bezüglich Verständigungsverfahren nach Treu und Glauben gewährleistet wird,
  2. administrative Prozesse die Vermeidung und Lösung von abkommensbedingten Streitigkeiten fördern,
  3. der Zugangs zu Verständigungsverfahren gewährt wird,
  4. eine vollständige Lösung der in Verständigungsverfahren unterbreiteten Fälle erfolgt.

Im Rahmen des ersten Prinzips werden zwei Hindernisse identifiziert, und zwar das Fehlen einer Verpflichtung zur Lösung von Verständigungsverfahren sowie das Fehlen einer Artikel 9 Absatz 2 des OECD Musterabkommens entsprechenden Klausel in manchen DBAs. Die OECD schlägt zur Abhilfe vor, die Kommentierung zu Artikel 25 dahingehend zu ändern, dass die Formulierung des Absatz 1 „shall endeavour“ als Verpflichtung zum Bemühen um eine einvernehmliche Lösung auszulegen ist. Des Weiteren wird vorgeschlagen, eine Artikel 9 Absatz 2 entsprechende Klausel in alle DBA der OECD Länder aufzunehmen, ggf. unter Inanspruchnahme des im Rahmen der Maßnahme 15 vorgeschlagenen multilateralen Übereinkommens.

Unter dem zweiten Prinzip wird ausgeführt, dass entsprechende Praktiken der Finanzverwaltungen bedeutsam sind, um Voraussetzungen zu schaffen, in denen die zuständigen Behörden ihrem Mandat gerecht werden können. Die OECD identifiziert unter Anderem die folgenden Hindernisse:

  • Fehlende Unabhängigkeit der zuständigen Behörden
  • Mangel an Ressourcen, wie etwa Personal, Budget und Training
  • Unzureichende Nutzung von Art. 25 Absatz 2 des OECD Musterabkommens
  • Einigung im Rahmen der Betriebsprüfung als Hinderungsgrund für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens

Die OECD verweist zur Überwindung dieser Hindernisse weitgehend auf die Lösungsmöglichkeiten, die im MEMAP erarbeitet wurden.

Im Rahmen des dritten Prinzips identifiziert die OECD insgesamt acht Hindernisse, zu denen etwa exzessive Dokumentationsanforderungen, einseitige Ablehnung der Eröffnung des Verständigungsverfahrens, Einfluss staatlicher Rechtsmittel auf Verständigungsverfahren und zeitliche Begrenzung des Zugangs zu Verständigungsverfahren gehören. Die OECD stellt wiederum verschiedene Optionen zur Diskussion, um eine Verbesserung der dargestellten Schwierigkeiten zu erreichen, wozu beispielsweise die Identifizierung der erforderlichen Dokumentation, die Unterrichtung und/oder Konsultierung des anderen Vertragsstaats im Fall der Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens, die Klarstellung des Verhältnisses der innerstaatlichen Rechtsmittel zu Verständigungsverfahren, die Anwendung der „best practices“ des MEMAP sowie Änderungen von Artikel 25 OECD Musterabkommen gehören.

Das vierte Prinzip beschäftigt sich schließlich mit dem Mangel eines „principled approach“ zur Lösung von Verständigungsverfahren sowie der fehlenden Kooperation der zuständigen Behörden. Auch insoweit verweist die OECD wiederum auf das MEMAP. Des Weiteren setzt sich die OECD ausführlich mit dem Fehlen von Mechanismen zur Lösung aller Verständigungsverfahren, wie etwa Schiedsverfahren, sowie der möglichen Ausgestaltung von Schiedsverfahren auseinander. Weitere dargestellte Probleme sind Dreiecksfälle, Zinsen und Strafzuschläge.

Praktische Relevanz für Deutschland

Im Folgenden haben wir gezielt einige Punkte herausgegriffen, die von besonderer praktischer Relevanz in Deutschland sind.

Als einen wesentlichen Punkt erachtet die OECD die Unabhängigkeit der zuständigen Behörden. Objektivität und Autonomie der Entscheidungen von denen der Betriebsprüfung sind zwecks Gewährleistung eines umfassenden Rechtsschutzes des Steuerpflichtigen erforderlich. In Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) mit der Durchführung der Verständigungsverfahren betraut. Positiv ist hervorzuheben, dass das BZSt eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen ist und der Geschäftsbereich Steuern, der für die Durchführung der Verständigungsverfahren zuständig ist, vom Geschäftsbereich Bundesbetriebsprüfung organisatorisch getrennt ist. Mithin ist das BZSt unabhängig von den Finanzämtern, die die steuerlichen Außenprüfungen durchführen.

Darüber hinaus kritisiert die OECD, dass Mangel an Personal zu einer verzögerten Bearbeitung der Verständigungsverfahren führe. In Deutschland stehen für die Bearbeitung der Verständigungsverfahren etwa 20 Planstellen zur Verfügung. In der gegenwärtigen Beratungspraxis beobachten wir in den letzten Jahren den Anstieg der jährlich eingeleiteten Verständigungsverfahren sowohl international als auch in Deutschland, ohne dass dem eine korrespondierende Anzahl an abgeschlossenen Verfahren gegenüber steht. Im Jahr 2013 waren 858 Verfahren offen. Auf Grundlage der veröffentlichten OECD Statistik lagen damit beim deutschen Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) knapp 20% des weltweiten Bestands an offenen Verständigungsverfahren. Die Komplexität der Fälle und die steigende Zahl an Verfahren stellen hohe Anforderungen an die Finanzverwaltung. Die Bearbeitung der Fälle nimmt i. d. R. viel Zeit in Anspruch und erfordert im internationalen Steuerrecht und im internationalen Verfahrensrecht spezialisierte Bearbeiter, die zudem über entsprechende Sprachkenntnisse verfügen müssen. Für die Zukunft erscheint eine höhere Zahl an geschultem Personal wünschenswert, um die Flut an Fällen zügig bearbeiten zu können.

Ausblick

Das Diskussionspapier der OECD spricht viele Punkte an, die in der Verfahrenspraxis eine hohe Relevanz besitzen. Diese Themen müssen gelöst werden, um das Verständigungsverfahren als bisher wirksames Instrument zur Beseitigung von Doppelbesteuerung an die geänderte und sich weiter ändernde Realität eines zunehmend häufiger genutzten Instrumentes anzupassen. Nur so ist auch in Zukunft ein effektiver Schutz vor Doppelbesteuerung zu erreichen.

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