BFH: Verrechnungspreise bei Parallelimporten in Revision
Am Mittwoch, den 11.12.2024, fand im Bundesfinanzhof die mündliche Verhandlung zum Fall der Parallelimporte statt. Der Fall betrifft die in Betriebsprüfungen seit langer Zeit strittige Thematik der Auswirkung von Parallelimporten auf Verrechnungspreise.
Parallelimporte sind Strukturen, die außerhalb der herstellenden Pharmakonzerne in der EU/dem EWR als Ergebnis der Grundfreiheiten der EU entstanden sind. Aufgrund regulatorischer Vorgaben sind z.B. in Deutschland der Pharmagroßhandel und Apotheken verpflichtet einen Teil der Waren von Parallelimporteuren zu beziehen, sofern diese preislich deutlich günstiger sind (sog. Preisabstandsregel und Importförderklausel). Die Parallelimporteure können somit Umsätze erzielen ohne eigene Vertriebsaufwendungen tragen zu müssen.
Sachverhalt
Vgl. Heidecke/Sauer/Naumann, IWB 2022, S. 481-488
In den Streitjahren 2006 bis 2010 bewarb und vertrieb eine deutsche GmbH in Deutschland pharmazeutische Produkte eines ausländischen Konzerns. Aufgrund nicht steuerlicher Vorschriften müssen die Abnehmer der Produkte einen gewissen Teil der Produkte nicht von der deutschen GmbH, sondern billiger von sog. Parallelimporteuren beziehen. Für die eigenen Verkäufe wird die GmbH von der ausländischen Muttergesellschaft fremdüblich vergütet (oberhalb des Medians einer Benchmarkstudie zum Vertrieb). Die zu Absätzen der Parallelimporteure führenden Marketingaktivitäten werden der GmbH nicht separat vergütet. Die Bonuszahlungen der GmbH an ihre Außendienstmitarbeiter dagegen berücksichtigen die Umsätze aus Parallelimporten anteilig mit.
Die Betriebsprüfung folgerte, dass die Marketingleistungen der GmbH ebenfalls den Parallelimporteuren zugutekamen und damit mittelbar auch der ausländischen Konzernmutter, da diese von den Verkäufen an die Parallelimporteure durch eigene Umsätze/Gewinne grds. ebenfalls, wenn auch ggf. in geringerem Umfang, profitieren würde. Da diese Tätigkeiten von der Muttergesellschaft bzw. von den Parallelimporteuren nicht vergütet wurden, wurde eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angenommen. Die vGA wurde der Höhe nach sowohl auf privat in Auftrag gegebene, öffentlich zugängliche Marktstudien als auch auf finanzamtsinterne Erkenntnisse aus anderen Betriebsprüfungen gestützt. Auf dieser Grundlage wurden für die strittigen Jahre Einkommenserhöhungen für die GmbH durchgeführt.
Entscheidung Vorinstanz
In der Vorinstanz sah das FG Nürnberg (Urteil vom 20.7.2021, 1 K 1388/19, siehe Deloitte Tax-News) die Voraussetzungen einer vGA im Zusammenhang mit den Parallelimporten als nicht erfüllt an. Zwar läge eine Vermögensminderung durch Marketingaufwendungen vor, allerdings erfolgten diese im eignen Vertriebsinteresse. Die Fremdüblichkeit einer Vertriebsmarge in Höhe von 6-6,5% Umsatzrendite wurde nicht angezweifelt. Das FG Nürnberg war der Ansicht, dass eine vGA nicht ordnungsgemäß nachgewiesen wurde und die Betriebsprüfung insoweit ihre Beweislast nicht erfüllt habe. Folglich konnte nicht nachgewiesen werden, dass die festgestellte Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei. Ferner seien interne Erkenntnisse der Finanzverwaltung und die vorgelegten öffentlich zugänglichen Studien im vorliegenden Fall nicht verwertbar, um die Existenz einer vGA zu rechtfertigen.
Mündliche Verhandlung BFH
Verhandelt wurde die Frage, ob Marketingleistungen einer inländischen, konzernzugehörigen Vertriebs-Kapitalgesellschaft, die nicht nur dem eigenen Konzern zugutekommen, sondern auch dritten Parallelimporteuren, eine vGA darstellen, wenn die Marketingleistungen für die Parallelimporteure nicht gesondert vergütet werden. In der Verhandlung lies der I. Senat durchblicken, dass eine vGA vorliegend nur in Folge einer verhinderten Vermögensmehrung vorliegen könnte. Diese verhinderte Vermögensmehrung könnte darin begründet sein, dass die Marketingleistungen der inländischen Gesellschaft zwar nicht zu eigenen Umsätzen, wohl aber zu (un-)mittelbaren wirtschaftlichen Vorteilen (z.B. in Form von Umsätzen und Gewinnen) der Konzernmuttergesellschaft führen. Dies wurde in der Verhandlung zugespitzt auf die Frage, ob die für die Muttergesellschaften resultierenden Umsätze (und damit Vorteile) eine mittelbare Folge der Marketingleistungen der Tochtergesellschaft oder lediglich ein Reflex der Marktstruktur im Pharmabereich sind, die aufgrund regulatorischer Vorgaben Parallelimporte bedingen?
Aus Sicht des Revisionsklägers (Finanzverwaltung) würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter keine Tätigkeiten ohne Entgelt ausüben und sich vielmehr alle von ihm geschaffenen Vorteile, zu denen auch die durch die Parallelimporte erzielten Umsätze der Muttergesellschaft zählen, vergüten lassen. Ein Verzicht auf eine solche Vergütung stelle eine verhinderte Vermögensmehrung dar, da fremde Dritte einen solchen Anspruch gelten machen würde. Auch könne beispielsweise die Marke durch die Marketingleistungen der Tochtergesellschaft im Interesse und zum Nutzen der Muttergesellschaft gestärkt werden, was im Kern eine Vergütung begründen könne.
Dagegen argumentierte der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger), dass die Marketingleistungen der Tochtergesellschaft nicht kausal für die Parallelimporte sind, sondern diese nur in den regulatorischen Vorgaben begründet sind. Vielmehr sind nur schuldrechtliche Vereinbarungen vergütungsfähig, welche ein aktives Handeln der Beteiligten erfordere. Vergütungsansprüche und Vorteile außerhalb derartiger Vereinbarungen erscheinen fraglich, insbesondere da die Gesamtvergütung der Tochtergesellschaft auch unter Berücksichtigung der Parallelimporte innerhalb der fremdüblichen Bandbreite liegt.
Praxisimplikationen
Das Urteil hierzu kann mit Spannung erwartet werden. Gleichzeitig machte der I. Senat klar, dass er sich zu weiteren in der Vorinstanz thematisierten Strukturelementen der vGA (z.B. die für das Vorliegen einer vGA notwendige Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis sowie bezüglich einer vGA der Höhe nach) nicht äußern wird. Der Kern der Rechtsfragen liege demnach in der Differenzierung einer vGA dem Grunde nach. Auch über den Anwendungsfall der Parallelimporte hinaus kann das in Kürze zu erwartende Urteil weitreichendere Implikationen haben. Die Kernfrage, ob in parallelen Vertriebsstrukturen Aktivitäten einer Gesellschaft, die nicht zu eigenen Umsätzen dieser Gesellschaft führen, einer gesonderten Vergütung bedürfen ist z.B. auch bei Omnichannelvertrieb oder Plattformen relevant.
Betroffene Normen
§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG, DBA CHE Art. 9
Streitjahre 2006-2010
Fundstelle
Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 20.07.2021, 1 K 1388/19, BFH-anhängig: I R 41/21