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19.08.2024
Transfer Pricing

BMF: Entwurf zur Ergänzung der Verwaltungsgrundsätze-Verrechnungspreise 2023

​Infolge der Einführung von § 1 Abs. 3d und 3e AStG hinsichtlich konzerninterner Finanzierungstransaktionen im Rahmen des Wachstumschancengesetzes hat das Bundesfinanzministerium am 14.08.2024 einen Entwurf zur Anwendung der Neuregelungen im Rahmen einer Ergänzung des Kap. J Finanzierungsbeziehungen der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 vorgelegt. Der Entwurf enthält einige Regelungen, die aus Sicht der Steuerpflichtigen als durchaus positiv anzusehen sind. Inwiefern diese insgesamt geeignet sind, um die in der Gesetzesbegründung angeführte „Erleichterung“ für die Steuerpflichtigen herbeiführen bzw. zur Lösung von Auseinandersetzungen in Betriebsprüfungen dienlich ist, ist jedoch nach wie vor zweifelhaft. Weitere Details zum Entwurf werden im folgenden Beitrag näher erläutert. 

BMF-Entwurf

Mit Schreiben vom 14.08.2024 hat des Bundesfinanzministerium („BMF“) seinen Entwurf zur Ergänzung bzw. Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 vom 06.06.2023 („VWG TP“) hinsichtlich konzerninterner Finanzierungsbeziehungen vor dem Hintergrund der Neuregelungen durch § 1 Abs. 3d und 3e AStG vorgelegt. Die Ausführungen des BMF beziehen sich insbesondere auf die Fremdüblichkeit der Finanzierungsbeziehung dem Grunde nach (§ 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 1 AStG, Unterkapitel J.2 VWG TP), die Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes (§ 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 2 AStG, Unterkapitel J.3 VGW TP) und die Klassifizierung von Finanzierungsbeziehungen als funktions- und risikoarme Dienstleistungen (§ 1 Abs. 3e AStG, Unterkapitel J.4 VWG TP). Im Folgenden werden wir die wesentlichen Aspekte des Entwurfes zusammenfassen und eine erste Einschätzung für Implikationen auf die Verrechnungspreispraxis geben.

Finanzierungsbeziehung dem Grunde nach (§ 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 1 AStG) – Unterkapitel J.2 VWG TP (Tz. 3.123-3.131)

Gem. § 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 1 AStG hängt die Charakterisierung einer konzerninternen Finanztransaktion als Fremdkapital (d.h. Fremdüblichkeit der Transaktion dem Grunde nach) im Wesentlichen davon ab, ob der Steuerpflichtige glaubhaft machen kann, dass er (i) den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit der Transaktion von Beginn an hätte erbringen können und (ii) die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet wird. Somit zielt die Regelung in erster Linie auf die sog. Schuldentragfähigkeit („Debt Capacity“) des Darlehensnehmers und den Verwendungszweck ab.

Im Entwurf des BMF-Schreibens werden die Anforderungen nunmehr konkretisiert (vgl. Tz. 3.124). Im Hinblick auf die Kapitaldienstfähigkeit ist insbesondere zu prüfen, ob „von Anfang an ausreichende Vermögenswerte oder Zahlungsflüsse zu erwarten sind“. Hierbei sind explizit u.a. auch die mit dem Kapital erworbenen Vermögenswerte einzubeziehen. Darüber hinaus werden noch weitere Aspekte genannt, die in diesem Kontext zu berücksichtigen sind. Als relevante Indikatoren werden u.a. das Vorhandensein eines festen Rückzahlungstermins, die Verpflichtung und Modalitäten zur Zahlung von Zinsen, das Recht zur Durchsetzung von Kapital- und Zinszahlungen sowie die Fähigkeit des Darlehensnehmers zur Finanzierung über fremde Dritte genannt. Das BMF stellt darüber hinaus klar, dass die Notwendigkeit einer Anschlussfinanzierung dem Fremdvergleichsgrundsatz in diesem Zusammenhang nicht entgegensteht.

Die Glaubhaftmachung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 1 AStG setzt voraus, dass die Kriterien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (kumulativ) erfüllt werden. Zur Substantiierung hat der Steuerpflichtige (z.B. anhand von entsprechenden Prognoserechnungen) aufzuzeigen, dass der Kapitaldienst erbracht werden kann (bzw. auch erbracht wird) und für welchen Zweck die Mittel aufgenommen wurden bzw. wie das Kapital eingesetzt wird.

Der Entwurf des BMF betont erneut, dass sich die Ausführungen auf die steuerliche Abzugsfähigkeit von (Zins-)Aufwendungen beziehen, wonach die Regelungen zunächst lediglich Inbound-Finanzierungen erfassen (vgl. Tz. 3.123).

Weitere Kernaspekte im Zusammenhang mit der Fremdüblichkeit dem Grunde nach werden im Folgenden kurz zusammengefasst:

  • Tz. 3.125: In Ausnahmefällen können auch besonders risikobehaftete Finanzierungen fremdüblich sein (z.B. Start-Up-Finanzierungen).
  • Tz. 3.127: Eine Darlehensaufnahme für Zwecke der Gewinnausschüttung widerspricht grundsätzlich nicht dem Unternehmenszweck.
  • Tz. 3.128: Im Rahmen von Akquisitionsfinanzierungen ist das Planen mit entsprechenden Kapitalpuffern und deren Einlage im Cash Pool grundsätzlich als fremdüblich anzusehen.
  • Tz. 3.130: Sofern der Steuerpflichtige die Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 1 AStG nicht glaubhaft machen kann, wird die durch die Finanzierungsbeziehung verursachte Minderung der Einkünfte in Höhe des fremdunüblichen Teils gem. § 1 Abs. 1 AStG korrigiert (d.h. keine gänzliche Umqualifizierung von FK in EK).

Fremdüblicher Zinssatz (§ 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 2 AStG) – Unterkapitel J.3 VWG TP (Tz. 3.132-3.146)

Nach dem Gesetzeswortlauf des § 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 2 AStG ist für die Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes grundsätzlich auf das Rating der Unternehmensgruppe (Konzernrating) abzustellen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zur Anwendung eines aus dem Konzernrating abgeleiteten Ratings für den Darlehensnehmer, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass dieses Rating dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.

Ermittlung des relevanten Konzernratings: Hinsichtlich der Ermittlung des anzuwendenden Konzernratings definiert das BMF erstmalig eine entsprechende Rangordnung (vgl. Tz. 3.135), nach welcher vorrangig auf offiziell veröffentliche Ratings von einer Ratingagentur abzustellen ist. Demgegenüber nachrangig sind private (d.h. nicht veröffentlichte) Ratings von Ratingagenturen zu berücksichtigen. Ebenso kann das Konzernrating auch mithilfe einer marktüblichen Ratingsoftware ermittelt werden, wobei dann allerdings die sachgerechte Berücksichtigung qualitativer Faktoren zu dokumentieren ist. Sofern die Gruppe über kein Rating verfügt, kann das Konzernrating aus Vereinfachungsgründen auch aus den externen Finanzierungskosten der Gruppe gegenüber Dritten zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe abgeleitet werden (vgl. Tz. 3.136).

Ableitung eines Ratings aus dem Konzernrating: Für den „Nachweis“ zur Fremdüblichkeit eines aus dem Konzernrating abgeleiteten Ratings müssen die Bonitätseinschätzung inkl. der (fremdüblichen) qualitativen und quantitativen Faktoren sowie die Berücksichtigung eines möglichen Konzernrückhaltes dargelegt werden (vgl. Tz. 3.137). Zur Analyse des Konzernrückhaltes definiert das BMF eine Reihe von zu berücksichtigenden Aspekten, die sich insbesondere auf die wirtschaftliche und strategische Bedeutung, die finanzielle Größe und die Verflechtung innerhalb der Gruppe beziehen (vgl. Tz. 3.138). Im Ergebnis soll die strategische Bedeutung des Darlehensnehmers für die Gruppe festgestellt werden, anhand derer ein Rating – in Anlehnung an Ratingmethodologien von S&P – im Wege eines Top-Down-Ansatzes (d.h. Downnotching ausgehend vom Konzernrating) oder Bottom-Up-Ansatzes (d.h. Upnotching ausgehend vom Standalone Rating) ermittelt werden kann (vgl. Tz. 3.141). Für einen Fremdüblichkeitsnachweis ist es lt. BMF erforderlich, dass qualitative und quantitative Faktoren sachgerecht berücksichtigt werden, Verzerrungen durch konzerninterne Transaktionen eliminiert werden („fremdübliche Kennzahlen“), das Rating nachvollziehbar und reproduzierbar ist und marktübliche Ratingmethodologien zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe verwendet werden (vgl. Tz. 3.142).

Zeitliche Anwendung der Neuregelungen: Darüber hinaus wird die zeitliche Anwendung der Neuregelungen konkretisiert, die dem Gesetzeswortlaut nach erstmalig ab dem 01.01.2024 anzuwenden sind. Gem. BMF-Entwurf sind die Regelungen nicht für solche Darlehen anzuwenden, die vor dem 01.01.2024 zivilrechtlich vereinbart wurden (und deren tatsächliche Durchführung vor dem 01.01.2024 begonnen hat), sofern die Darlehensbeziehung nach dem 31.12.2023 nicht wesentlich geändert oder über den 31.12.2024 hinaus fortgeführt wird (vgl. Tz. 3.146). Insofern sind lediglich solche „Altdarlehen“ von der Regelung befreit, die im Jahr 2024 auslaufen bzw. getilgt und nicht wesentlich geändert wurden. Ansonsten sind die Regelungen für alle VZ anzuwenden, die ab dem 01.01.2024 beginnen.

Finanzierungsbeziehungen als funktions- und risikoarme Dienstleistung (§ 1 Abs. 3e AStG) – Unterkapitel J.4 VWG TP (Tz. 3.147 ff.)

Der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 3e AStG geht bei konzerninternen Finanzierungsbeziehungen im Grundsatz von funktions- und risikoarmen Dienstleistungen aus.

Das BMF verdeutlicht in seinem Entwurfsschreiben (unter Verweis auf das BFH-Urteil I R 4/17 vom 18.05.2021), dass für die Bestimmung fremdüblicher Preise für Finanzierungsbeziehungen grundsätzlich vorrangig die Preisvergleichsmethode anzuwenden ist, wobei die Rolle der finanzierenden Gesellschaft grundsätzlich keinen Einfluss auf die Methodenwahl und Preisbestimmung hat.

Weitere Kernaussagen im Zusammenhang mit der Finanzierungsbeziehung als funktions- und risikoarme Dienstleistung werden im Folgenden kurz zusammengefasst:

  • Tz. 3.148: Auch wenn Finanzierungsfunktionen grundsätzlich als Unterstützungsfunktionen für das wertschöpfende Kerngeschäft angesehen werden, gibt es Ausnahmen, in denen diese Funktionen zentraler Bestandteil der Wertschöpfung ist (z.B. Banken oder Versicherungen).
  • Tz. 3.149: Bei Ausübung der Finanzierungsfunktion im Inland muss die Finanzverwaltung nicht von einer funktions- und risikoarmen Dienstleistung ausgehen. Eine abweichende Annahme hat die Finanzverwaltung jedoch eine entsprechenden Funktions- und Risikoanalyse nachzuweisen, wobei die gleichen Nachweispflichten wie für den Steuerpflichtigen gelten: D.h. die Kriterien müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfüllt werden.

Positiv hervorzuheben ist, dass sich das BMF in seinem Entwurfsschreiben erkennbar an Kapitel X der OECD-Verrechnungspreisleitlinien orientiert und auch an einigen Stellen darauf verweist, was grundsätzlich eine Anlehnung an international anerkannte Standards bei der Auslegung der Neuregelungen signalisiert. Ebenso enthält das Schreiben einige hilfreiche Konkretisierungen (z.B. hinsichtlich der Ratingermittlung sowie verschiedener Aspekte, die bei Beurteilung der Fremdüblichkeit einer Finanzierungsbeziehung dem Grunde nach zu berücksichtigen sind). Die Tatsache, dass die Ermittlung eines aus dem Konzernrating abgeleiteten Ratings auch im Wege eines Bottom-Up-Ansatzes (d.h. ausgehend vom Standalone Rating) möglich scheint, ist ebenfalls zu begrüßen, da somit die im Gesetzestext verankerte Fixierung auf das Konzernrating ein Stück weit aufgeweicht wird.

Auf der anderen Seite bleibt die erhoffte Verwaltungsanweisung, dass auch diese spezifischen Neuregelungen gleichermaßen für den In- und Outbound-Fall anzuwenden sind, bislang leider aus, da sich die Ausführungen dem Wortlaut nach lediglich auf die „Abzugsfähigkeit von Aufwendungen“ beziehen (d.h. Inbound-Finanzierung). Insofern besteht weiterhin ein Konflikt zu Tz. 3.3 der VWG TP, nach welchem der Fremdvergleichsgrundsatz für den In- und Outbound-Fall einheitlich anzuwenden ist.

Ebenso bleibt fraglich, inwiefern die Ausführungen dabei helfen könnten, Konflikte in Betriebsprüfungen zu lösen und die – laut Gesetzesbegründung – für den Steuerpflichtigen beabsichtigten Erleichterungen herbeiführt. Die Tatsache, dass die Anwendung der Regelungen lediglich für solche Finanzierungsbeziehungen ausgeschlossen ist, die vor dem 01.01.2024 abgeschlossen und weder nach dem 31.12.2023 wesentlich geändert noch über den 31.12.2024 fortgeführt wurden, ​ bringt ebenfalls nicht die erhoffte Rechtssicherheit im Hinblick auf eine mögliche Rückwirkung. Fraglich ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Konflikt zu Tz. 6.2 der aktuellen Fassung der VGW TP 2023, welche grundsätzlich die Anwendung für alle offenen Fälle vorsieht. Eine weitere Klarstellung durch das BMF wäre in dieser Hinsicht wünschenswert. Vor dem Hintergrund, dass die Rechtslage zum Vergabezeitpunkt der Altdarlehen – und dementsprechend auch zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung – eine andere war (z.B. im Hinblick auf OECD-Empfehlungen und BFH-Rechtsprechung), wäre die Anwendung der Neuregelungen auf Altdarlehen in jedem Fall diskussionswürdig.

Mit diesen Erläuterungen wurde das Konfliktpotential im Vergleich zur Einführung der gesetzlichen Neuregelungen mit § 1 Abs. 3d und 3e AStG ohne diese Erläuterungen zweifellos verringert, aber nicht minimiert. Insbesondere die mit Verzögerung rückwirkende Anwendung auf bereits bestehende Darlehen, ebenso wie die fehlende Klarstellung einer einheitlichen Anwendung für In- und Outbound-Fälle trüben das Gesamtbild doch erheblich.

In der Praxis dürfte für die Steuerpflichtigen in Zukunft ein höherer Aufwand im Zusammenhang mit der Erstellung entsprechender Verrechnungspreisdokumentationen entstehen.

Weiterhin ist dringend zu empfehlen zu überprüfen, welche vor dem 01.01.2024 vergebenen Darlehenstransaktionen von dieser Neuregelung erfasst werden und wie sich die Anwendung dieser Neuregelung auf diese Altdarlehen auswirkt. Dazu gehört in letzter Konsequenz ggf. auch, zu überprüfen, ob sich eine daraus bestehende Doppelbesteuerung ggf. durch entsprechende Verständigungsverfahren beseitigen lässt.

Bis zum 06.09.2024 besteht die Möglichkeit einer Stellungnahme zum Entwurf des BMF-Schreibens. ​ 

Fundstelle

BMF, Entwurf​ vom 14.08.2024

Ihr Ansprechpartner

Nik Nolden
Director

nnolden@deloitte.de
Tel.: +4921187722849

Max Borgmann
Senior Manager

mborgmann@deloitte.de
Tel.: +4921187723372

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