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16.07.2019
Transfer Pricing

BMF: Verwaltungsanweisung zur tatsächlichen Verständigung ergänzt

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 15.04.2019 ihre im Schreiben vom 30.07.2008 veröffentlichte Verwaltungsanweisung zur tatsächlichen Verständigung ergänzt. Die Finanzverwaltung hat in diesem Schreiben klargestellt, dass eine tatsächliche Verständigung nur durch den gesetzlich zuständigen Amtsträger und nicht durch einen Vertreter wirksam geschlossen werden kann. Bis zu dem Zeitpunkt der, gegebenenfalls nachträglichen, Zustimmung ist die Vereinbarung schwebend unwirksam. Dem Steuerpflichtigen ist bis zum Wirksamwerden der tatsächlichen Verständigung zudem ein Widerrufsrecht einzuräumen.

Der in § 88 Absatz 1 AO kodifizierte Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die Finanzbehörde zur Aufklärung des steuerlich relevanten Sachverhalts. § 88 Absatz 2 AO stellt klar, dass alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen sind. In der Praxis kommt es jedoch immer wieder zu Fällen, in denen eine vollumfängliche Aufklärung des steuerlichen Sachverhalts schwierig, langwierig oder gar unmöglich ist.

Konkretisierend führt Nr. 1 zu § 88 AO des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (BMF-Schreiben vom 31.01.2014, IV A 3 -S 0062/14/10002, BStBl. I S. 290) hierzu aus, dass die Finanzbehörden alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen haben, um die entscheidungserheblichen Tatsachen aufzuklären. Die Aufklärungspflicht wird jedoch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt. Sofern eine weitere Sachverhaltsaufklärung unverhältnismäßig erscheint, können sich die Finanzbehörden mit dem Steuerpflichtigen im Wege einer tatsächlichen Verständigung über die Annahme und die Behandlung eines bestimmten Sachverhalts einigen. Ziel des Abschlusses einer tatsächlichen Verständigung ist insbesondere die Herstellung des Rechtsfriedens und die Vermeidung von Rechtsbehelfsverfahren.

Voraussetzungen für eine tatsächliche Verständigung

Die Anforderungen, die an eine tatsächliche Verständigung gestellt werden, sind im BMF-Schreiben vom 30.07.2008 festgehalten. Dieses bindet zwar nur die Finanzverwaltung, diese wird aber aufgrund ihrer Bindung keine Einigung mit einem Steuerpflichtigen abschließen, wenn die Regelungen des Schreibens nicht eingehalten sind.

Grundlage für eine tatsächliche Verständigung zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigem ist grundsätzlich immer ein schwer zu ermittelnder, abgeschlossener Sachverhalt, für den die Finanzbehörde entschieden hat, dass eine weitergehende Sachverhaltsermittlung unverhältnismäßig wäre. Basis für diese Entscheidung sind Erwägungen dazu, ob der zusätzlich abzusehende Arbeitsaufwand mit dem erwarteten steuerlichen Erfolg in Einklang steht und ob ein eventuell ohne tatsächliche Verständigung absehbares, finanzgerichtliches Verfahren vermieden werden kann.

Eine tatsächliche Verständigung kommt insbesondere immer dann in Betracht, wenn die bisherige Sachverhaltsermittlung Schätzungs-, Bewertungs-, Beurteilungs- oder Beweiswürdigungsspielräume und damit verschiedene steuerliche Ergebnisse möglich erscheinen lässt. Typische Verfahren, in denen eine tatsächliche Verständigung in Betracht gezogen werden kann, sind Außenprüfungen. Steuerfahndungsprüfungen, Einspruchsverfahren und Steuerstrafverfahren sind weitere Verfahren, in denen auf eine tatsächliche Verständigung zurückgegriffen werden kann.

Eine tatsächliche Verständigung kann immer nur auf einen konkreten Sachverhalt bezogen werden, ist schriftlich niederzulegen und von den beteiligten Parteien zu unterschreiben. Soll über mehrere Sachverhalte Einigung erzielt werden, so ist jeweils eine eigenständige tatsächliche Verständigung abzuschließen. Nach Abschluss der tatsächlichen Verständigung sind die beteiligten Parteien nach Treu und Glauben an die Einigung gebunden.

Eine tatsächliche Verständigung kann nicht zur Klärung zweifelhafter Rechtsfragen, Fragen über den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen, Fragen über die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften oder in Fällen, in denen sie zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen würde, geschlossen werden.

Die Finanzverwaltung macht allerdings regelmäßig den Abschluss einer tatsächlichen Verständigung von dem Verzicht des Steuerpflichtigen abhängig, das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung zum Gegenstand in einem Verständigungs- oder Schiedsverfahren zu machen. Der Steuerpflichtige bindet sich folglich an die festgelegte Sachverhaltsdarstellung. Zur Vermeidung widersprüchlicher Sachverhaltsfestlegungen strebt die Finanzverwaltung zudem grundsätzlich auch einen Verzicht der ausländischen Gesellschaft an.

Ergänzung durch das BMF-Schreiben vom 15.04.2019

Mit Schreiben vom 15.04.2019 hat das BMF das wirksame Zustandekommen einer tatsächlichen Verständigung in bestimmten Fällen weiter konkretisiert und das BMF-Schreiben vom 30.07.2008 geändert bzw. ergänzt. Mit den in Textziffer 5.5 eingefügten Sätzen 6 und 7 stellt das BMF klar, dass das Dokument über die tatsächliche Verständigung einen Hinweis darauf enthalten muss, dass die tatsächliche Verständigung bis zur nachträglichen Zustimmung durch den für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträger schwebend unwirksam ist, sofern dieser nicht an dem Abschluss der tatsächlichen Verständigung mitgewirkt hat. In Fällen einer solchen schwebenden Unwirksamkeit ist dem Steuerpflichtigen ein Widerrufsrecht bis zum Zeitpunkt der nachträglichen Zustimmung durch den zuständigen Amtsträger einzuräumen.

Durch die Ergänzung der Verwaltungsanweisungen wird sichergestellt, dass die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung nur dann eintritt, wenn sie zwischen dem zuständigen Amtsträger und dem Steuerpflichtigen wirksam geschlossen worden ist. Entscheidend ist hier die geltende Zuständigkeit. Das Schließen einer tatsächlichen Verständigung in Vertretung oder im Auftrag des zuständigen Amtsträgers ist bis zu dessen ausdrücklicher Zustimmung zur tatsächlichen Verständigung unwirksam.

Fazit

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Ergänzung der Verwaltungsanweisung zur tatsächlichen Verständigung zu begrüßen ist, da hierdurch insbesondere die formellen Anforderungen an eine tatsächliche Verständigung konkretisiert werden.

In der Verrechnungspreispraxis werden formelle tatsächliche Verständigungen weiterhin nur in Ausnahmefällen geschlossen werden. Häufiger werden in der Praxis faktische tatsächliche Verständigungen geschlossen, die jedoch nicht als solche bezeichnet werden bzw. den Anforderungen nicht genügen, jedoch eine einvernehmliche Beendigung der Betriebsprüfung ermöglichen. Aufgrund der Gefahr einer finalen Doppelbesteuerung ist ein bewusster Umgang mit dem Instrument geboten.

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 15.04.2019, IV A 3 – S 0223/07/10002

Weitere Fundstellen

Tatsächliche Verständigung über den der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Sachverhalt,
BMF-Schreiben vom 30.07.2008 (IV A 3 – S 0223/07/10002. BStBl I S. 831),

Merkblatt zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der
Steuern und vom Vermögen; Überarbeitung der Tz. 5 des BMF-Schreibens vom 13.06.2006,
BMF-Schreiben vom 05.04.2017, IV B 5 - S 1304/0-04

BMF: Neufassung der Tz. 5 des Merkblatts zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren, siehe Deloitte Tax-News

 

 

Ihre Ansprechpartner

Markus Kircher
Partner

mkircher@deloitte.de
Tel.: +49 69 75695 7011

Tobias Müller
Consultant

tobmueller@deloitte.de
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