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10.11.2021
Transfer Pricing

Brennpunkte im Bereich der Verrechnungspreise in Polen: Was Steuerpflichtige jetzt wissen sollten

Das Konzept der Verrechnungspreise in Polen hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert, sowohl in Bezug auf die Gesetzgebung als auch auf die Vorgehensweise der Verwaltung. Unserer Erfahrung nach kann eine unzureichende Vorbereitung auf die weitreichenden Verpflichtungen oder die Prüfung in vielen Fällen sehr kostspielig sein. Dies betrifft sowohl das in Polen ansässige Unternehmen als auch dessen Vorstand. Im Folgenden stellen wir daher exemplarisch zwei ausgewählte Vorschriften vor, die derzeit in Polen in Kraft sind.

1. Erhebliche Ausweitung der Dokumentationspflichten auf bestimmte Transaktionen mit nicht verbundenen Parteien

Mit Beginn des Jahres 2021 gibt es in Polen weitreichende Änderungen in Bezug auf die Dokumentation und den Nachweis des Fremdvergleichscharakters von Transaktionen. Dies betrifft nicht nur Transaktionen zwischen verbundenen Parteien, sondern unter bestimmten Umständen auch Transaktionen mit Unternehmen, die nicht im Sinne der Verrechnungspreisvorschriften verbunden sind.

Bis Ende 2020 mussten Steuerpflichtige eine Verrechnungspreisdokumentation erstellen (zusätzlich zur Standardverrechnungspreisdokumentation gemäß dem OECD-Standard), wenn sie Zahlungen im Zuge von Forderungen über mehr als 100.000 PLN (ca. 22.000 EUR) (d. h. nur bei Kaufgeschäften) an Unternehmen in einer Steueroase leisteten, unabhängig von Verbindungen zu diesen Unternehmen.

 Ab 2021 sind zudem Steuerpflichtige, die Transaktionen mit einem verbundenen oder nicht verbundenen Unternehmen durchführen, ebenfalls verpflichtet, eine solche Dokumentation zu erstellen, wenn der Wert der Transaktion 500.000 PLN (ca. 110.000 EUR) übersteigt und der wirtschaftliche Eigentümer (beneficial owner) in einer sogenannten Steueroase ansässig ist. (Steueroasen werden gemäß den polnischen Vorschriften definiert, die Liste umfasst z. B. Länder wie Hongkong).

Die umstrittenste Änderung ist die Einführung einer Vermutung, dass der tatsächliche Eigentümer einen Wohnsitz, einen eingetragenen Sitz oder eine Geschäftsleitung in einem Steuerparadies hat, wenn die Gegenpartei einer bestimmten Transaktion in einem bestimmten Jahr Zahlungen an ein Unternehmen in einer Steueroase leistet bzw. bezieht. Auf eine Einführung eines Mindestwertes für die Abrechnung mit einer Steueroase wurde jedoch verzichtet. Des Weiteren muss die „Abrechnung" nicht in die Wertschöpfungskette aufgenommen werden, in welcher die Transaktion ausgeführt wird. Dies betrifft sowohl Kauf-, als auch Verkaufstransaktionen. Die beschriebene Ausweitung der Dokumentationspflicht kann daher dazu führen, dass bereits eine einzelne Transaktion mit geringfügigem Wert, die ein (unverbundenes) Unternehmen (Unternehmen B) mit einem (unverbundenen) Unternehmen in einer Steueroase abschließt (Unternehmen C), zu einer Dokumentationspflicht für das in dieser Transaktion nicht involvierte Unternehmen A führt, insofern eine Transaktionsbeziehung zwischen A und B vorliegt.

Gemäß Artikel 11o Absatz (1b) des Körperschaftssteuer-Gesetzes muss ein Steuerpflichtiger mit der gebotenen Sorgfalt nachweisen, dass der wirtschaftliche Eigentümer kein Unternehmen aus einer Steueroase ist. Ist er dazu nicht in der Lage, muss er eine vollständige Verrechnungspreisdokumentation für Transaktionen mit einem nicht verbundenen Unternehmen erstellen und die Marktüblichkeit der Transaktion nachweisen.

Diese Bestimmungen sind in Polen sehr umstritten, sowohl in Bezug auf die Zweckmäßigkeit ihrer Einführung als auch insbesondere auf ihre Durchführbarkeit in der Praxis.​

In diesem Zusammenhang hat das polnische Finanzministerium im März 2021 Entwürfe für steuerliche Erläuterungen zur Vermutung und zur Sorgfaltspflicht in Bezug auf die fraglichen Bestimmungen veröffentlicht.

Die veröffentlichten Erklärungsentwürfe des Finanzministeriums sind nicht vollständig. In dem Teil, der sich auf die Einhaltung der Sorgfaltspflicht bezieht, wies das Finanzministerium darauf hin, dass der Sorgfaltsstandard abgestuft ist, d.h. für Transaktionen mit verbundenen Parteien werden höhere Erwartungen gestellt.

Bei nicht verbundenen Parteien kann eine Erklärung der Gegenpartei, dass diese keine Transaktionen mit Parteien aus Steueroasen durchführt ausreichen. Verfügt die betroffene Partei jedoch (auch nur möglicherweise) über Informationen, dass die Erklärung nicht den Tatsachen entspricht, reicht diese nicht mehr zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht aus. Bei nahestehenden Personen verlangt die Sorgfaltsnorm neben der Einholung einer Erklärung auch die Überprüfung der von der nahestehenden Person erhaltenen Informationen und Dokumente, wie z. B.

  • Verrechnungspreisdokumentation,
  • Country-by-Country Report,
  • Jahresabschluss, zusammen mit dem Lagebericht und dem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers,
  • Eigentümerstruktur,
  • Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalts oder Steuerberaters.

Die vom Finanzministerium veröffentlichten Erläuterungen befinden sich derzeit in der Beratungsphase. Parallel dazu wird im Rahmen des Verrechnungspreisforums, in dem sowohl Vertreter der Wirtschaft als auch der Verwaltung mitwirken, an einem Konzept für die neuen Verpflichtungen gearbeitet.

Die Möglichkeiten zur Einhaltung der neuen Verpflichtungen hängen in erster Linie von der Art und der Anzahl der von einem bestimmten Unternehmen getätigten Transaktionen ab. Da diese Vorschriften jedoch seit Anfang Januar 2021 in Kraft sind, lohnt es sich, die Umsetzung nach den neuen Maßgaben für entsprechend aktuell laufende Verfahren zu prüfen. Dies würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die „Sorgfaltspflicht" im Sinne der Erläuterungen des Finanzministeriums erfüllt werden kann.

2. Risikoanalysemechanismen für die Auswahl zur Betriebsprüfung und Übertragung der Verantwortung für Verrechnungspreise auf die Vorstandsmitglieder​​​

Zusätzlich zu den Mechanismen zur Beschaffung von Informationen über Steuerpflichtige, die auf internationalen Standards basieren (wie CbC, FATCA, CRS, automatischer Informationsaustausch und andere), hat die polnische Verwaltung auch ein Formular eingeführt, das ausschließlich der Auswahl zur Betriebsprüfung von Transaktionen zwischen verbundenen Parteien dient (Formular TP-R). Das Formular TP-R ersetzt ab 2019 das zuvor geltende Formular CIT-TP. Während sich das CIT-TP auf die Merkmale eines bestimmten Unternehmens konzentrierte (Größe des Unternehmens, Gesamtwert der mit verbundenen Parteien abgeschlossenen Geschäftsvorfälle), ermöglicht das TP-R Formular wesentlich detailliertere Analysen. Es enthält detaillierte Informationen zu jeder Transaktion, welche die Dokumentationsschwellen überschreitet (2 Mio. PLN (ca. 430.000 EUR) bei immateriellen Transaktionen und 10 Mio. PLN (ca. 2,1 Mill. EUR) bei Waren- und Finanztransaktionen), einschließlich Daten wie:

  • Art der Transaktion
  • Wert der Transaktion
  • den für die Festlegung der Bedingungen verwendeten Rentabilitätsindex
  • Werte, welche sich aus einer Benchmarking-Analyse ergeben, oder
  • das Land, in dem die Gegenpartei der Transaktion ansässig ist, und andere.​

Der Inhalt des Formulars und die gleichzeitige Verwendung von IT-Tools und anderen verfügbaren Daten über den Steuerpflichtigen (z. B. die elektronische Version des Jahresabschlusses) ermöglichen die Durchführung mehrerer Analysen mit großen Datenmengen, welche an einem zentralen Ort gesammelt werden. Außerdem ermöglicht die Verwendung der IT-Tools die automatische Identifizierung von „Transaktionsauffälligkeiten“, die von der Verwaltung im System als riskant eingestuft werden. Auf die anfängliche quantitative Analyse folgt in der Regel eine weitere "manuelle" Überprüfung, um beispielsweise Verrechnungspreisdokumente oder einschlägige Erklärungen zu einem Rückgang der Rentabilität des Unternehmens in einem bestimmten Steuerjahr anfordern zu können.

In Anbetracht dessen sind Situationen, in denen Transaktionen auf der Grundlage von Rentabilitätskennzahlen abgeschlossen werden für die Verwaltung sehr leicht zu erkennen. Dies beinhaltet Fälle, in welchen Transaktionen die Interquartilsspannen überschreiten, oder z. B. Änderungen des Rentabilitätsniveaus von Unternehmen. So besteht im Prinzip keine weitere Notwendigkeit individuelle Analysen durchzuführen. Aufgrund umfassender Risikoanalysemechanismen werden Verrechnungspreisprüfungen in Polen in der Regel unter Berücksichtigung von Risikobereichen eingeleitet, die bereits vor der eigentlichen Prüfung des Steuerpflichtigen ermittelt wurden.

Diese Straffung des Auswahlverfahrens für die Prüfung steht im Einklang mit einer aggressiven Prüfungspolitik und der Erwartung, dass künftig Prüfer größere Korrekturvolumen bestimmen werden. Zusätzliches Merkmal der Verwaltungspolitik in Polen in den letzten Jahren ist die Verlagerung der Haftung von Standardhaftung eines bestimmten Unternehmens in Bezug auf Steuerverpflichtungen auf die persönliche Haftung von Vorstandsmitgliedern für Geschäftsvorfälle mit verbundenen Unternehmen. Daneben bleibt die Standardhaftung eines Unternehmens gemäß früheren Vorschriften weiterhin in Kraft.

Seit Anfang 2019 müssen Vorstandsmitglieder gesonderte Erklärungen unterzeichnen, dass die Verrechnungspreisdokumentation korrekt und vollständig ist. Von entscheidender Bedeutung ist jedoch insbesondere, dass die Vorstandsmitglieder bestätigen müssen, dass Transaktionen mit verbundenen Parteien in einem bestimmten Steuerjahr fremdüblich durchgeführt wurden. Für den Fall, dass eine unwahre Erklärung abgegeben wird, d.h. die Bedingungen der Transaktion von einer Steuerbehörde angezweifelt werden, sehen die Vorschriften eine Strafe für ein Vorstandsmitglied von bis zu 26,8 Mio. PLN vor. (bis zu 6,2 Mio. EUR).​

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