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05.04.2019
Transfer Pricing

Digitalsteuer: Vorreiter Frankreich?

Vor fast genau einem Jahr hat die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf für eine EU-weite Steuer auf digitale Dienstleistungen (Digital Service Tax (DST) oder „Digitalsteuer“) veröffentlicht, für den sich jedoch unter den Mitgliedstaaten bislang kein Konsens finden ließ. Seither haben einzelne EU-Mitgliedsstaaten Schritte unternommen, um im Alleingang eine nationale Regelung einzuführen. Neben beispielsweise Spanien und Italien, wo vergleichbare Gesetze kurz vor der Implementierung stehen, hat nunmehr Frankreichs Regierung dem Parlament einen konkreten Vorschlag für eine Digitalsteuer vorgelegt. 

Hintergrund

Der Wunsch, Unternehmen, die mit digitalen Geschäftsmodellen Rekordumsätze und -gewinne erwirtschaften, mit höheren effektiven Steuersätzen zu erreichen, besteht in einer Reihe von Jurisdiktionen in allen Teilen der Welt. Die Natur der digitalen Geschäftsmodelle erschwert jedoch die Umsetzung einer effektiven Besteuerung im Vergleich zu den traditionellen Industrien. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass wesentliche Wertreiber in den digitalen Geschäftsmodellen oft die Kunden sind, die teilweise selbst wertschöpfende Inhalte bereitstellen oder erhebliche Netzwerkeffekte schaffen, aus denen Umsätze und Gewinne der Unternehmen resultieren.

Verschiedene Ansätze, die supranational und national diskutiert werden, zielen darauf ab, in dieser gestreuten Wertschöpfung einen Anker für die Unternehmensbesteuerung zu finden. Die OECD hatte im Februar einen Diskussionsentwurf mit Vorschlägen veröffentlicht, zu dem Mitte März die öffentliche Konsultation in Paris stattfand. Auf EU-Ebene besteht parallel dazu der oben genannte Richtlinienentwurf der EU-Kommission. Im Dezember 2018 hatte der Europäische Rat einen alternativen Vorschlag veröffentlicht, der sich auf die Umsätze von Online-Werbung beschränkt. Zuletzt wurde dieser im Europäischen Rat Mitte März diskutiert, ohne dass es zu einer Einigung gekommen ist.

Bei der konkreten Umsetzung kommen neben der Herausforderung, Einigkeit über den richtigen Ansatz zu finden, auch praktische Fragen auf. Gemeinsam haben die Befürworter einer Digitalsteuer jedoch, dass sie eine höhere Besteuerung digitaler (Groß-) Unternehmen als eine Frage der Steuergerechtigkeit verstehen. Ihre zugrundeliegende These ist, dass Unternehmen, die mit digitalen Geschäftsmodellen zu globalen Großkonzernen herangewachsen sind, im Verhältnis zu Unternehmen in anderen Industrien zu niedrigen effektiven Steuerquoten unterliegen.

Auch im Falle Frankreichs beruft sich der französische Finanzminister Bruno le Maire, neben der generellen Notwendigkeit der Steuererhebung zur Finanzierung von öffentlichen Gütern, auf Steuergerechtigkeit. Darüber hinaus betonte er, dass ohne das Voranschreiten der wirtschaftlich großen Länder die Besteuerung der „digitalen Giganten“ auf internationaler Ebene nicht vorankommen könne. Die französische Digitalsteuer solle durch eine international abgestimmte Regelung ersetzt werden, sobald auf Ebene der OECD eine solche vereinbart werde.

Digitalsteuer in Frankreich

Der französische Gesetzesvorschlag in Frankreich ist wie folgt aufgebaut.

Ein Steuersatz von 3% soll erhoben werden auf die folgenden Arten von Umsätzen:

  1. Außenumsätze aus „personalisierter“ digitaler Werbung, d.h. Online-Werbung, die auf Basis von Nutzerdaten eingesetzt wird, die gesammelt und durch einen Algorithmus verwertet werden, um Inhalt und Zeitpunkt der Werbung zu bestimmen. Diese Umsätze umfassen auch solche, die aus dem Handel der durch die Werbung gewonnenen Nutzerdaten generiert werden.
  2. Außenumsätze aus Intermediationsdienstleistungen (z.B. Marketplace-Plattformen, auf der sich Anbieter und Nachfrager finden können). In Abgrenzung dazu sind solche Tätigkeiten von der Steuer ausgeschlossen, die vor allem die Bereitstellung digitaler Inhalte betreffen, ebenso wie digitale Kommunikations- und Zahlungsdienstleistungen. Ebenfalls sollen regulierte Finanzdienstleistungen nicht von der Steuer betroffen sein.

Betroffene Unternehmen sind nur solche, die kumulativ zwei Umsatzgrenzen übertreffen, unabhängig davon, wo sich der Sitz des Unternehmens befindet. Erst wenn die digitalsteuerlich relevanten Umsätze der jeweiligen Gruppe im Kalenderjahr

  1. weltweit EUR 750 Millionen und
  2. in Frankreich EUR 25 Millionen

überschreiten, soll die Steuer greifen.

Umsätze gelten als in Frankreich generiert gemäß der folgenden Definitionen:

  • Ein Nutzer wird Frankreich zugeordnet, wenn er/sie ein Endgerät nutzt, das sich in Frankreich befindet.
  • Für Dienstleistungen, die Nachfrage und Angebot für Waren oder Dienstleistungen der Nutzer zusammenführen, gilt der Umsatz als in Frankreich getätigt, wenn einer der beiden Nutzer einer realisierten Transaktion Frankreich zugeordnet wird.
  • Für solche Digitaldienstleistungen, die nicht das Zusammenführen von Partnern für Waren- oder Dienstleistungstransaktionen betreffen, gilt der Umsatz als in Frankreich getätigt, wenn der Nutzer einen Nutzer-Account in Frankreich eingerichtet hat, der den Zugriff auf einen Teil oder die Gesamtheit der angebotenen Leistungen erlaubt.
  • Umsätze aus Online-Werbung werden Frankreich zugeordnet, wenn die Werbeseite von einem Nutzer in Frankreich aufgerufen wurde.
  • Umsätze aus dem Handel von Nutzerdaten, die mittels Online-Werbung gesammelt werden, werden Frankreich zugeordnet, wenn sie von Nutzern in Frankreich stammen.

Die Bemessungsgrundlage der neuen Steuer berechnet sich somit aus den Außenumsätzen aller Tätigkeiten, die der Art nach der Digitalsteuer unterliegen, multipliziert mit dem prozentualen Anteil dieser Umsätze, die entsprechend der oben genannten Definitionen Frankreich zuzuordnen sind.

Die Steuer soll rückwirkend ab dem 1. Januar 2019 wirksam werden und nur in diesem Jahr im Oktober fällig werden (basierend auf den Umsätzen des Jahres 2018). In den Folgejahren soll die Steuer in zwei unterjährigen Teilzahlungen geleistet werden. Die Digitalsteuer soll von der französischen Körperschaftssteuer abzugsfähig sein.

Wirtschaftliche Folgen

Die französische Regierung rechnet damit, dass diese neue Digitalsteuer zusätzliche Steuereinnahmen i.H.v. ca. EUR 400 Millionen für das Jahr 2019 generieren wird und die Einnahmen in den Folgejahren noch signifikant steigen werden. Dass die Zielgruppe der „digitalen Giganten“ die Digitalsteuer nicht (vollständig) selbst zahlen wird und auch die Bemessungsgrundlage auf die Einführung der Steuer eine Reaktion zeigen wird, ist aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht jedoch nahezu sicher.

In allen relevanten Geschäftsmodellen wird es grundsätzlich die Möglichkeit geben, die Steuerlast auf die Vertragspartner über zu wälzen. So könnte ein Plattformanbieter höhere Teilnahmegebühren mit den Anbietern auf der Marktplatz-Plattform vereinbaren oder die Vergütung für die Schaltung von Werbebannern erhöhen. Die Vertragspartner werden wiederum die Möglichkeit haben, in gewissem Maße die Preise gegenüber ihren Kunden zu erhöhen, um ihre entsprechend steigenden Kosten auszugleichen.

Eine weitere Alternative, die Steuerbelastung zu vermeiden oder einzuschränken kann die Umstellung des Geschäftsmodells sein. Da sich die Steuer auf bestimmte Metriken bezieht, ist es vorstellbar, dass nur kleine Änderungen, die keine wesentliche Auswirkung auf das operative Geschäft haben müssen, die Bemessungsgrundlage für die Steuer mindern. Und letztlich gibt es für die Zielgruppe auch die Möglichkeit, das jeweilige Leistungsangebot gar nicht mehr für den besteuerten Markt anzubieten, sollte es sich wirtschaftlich nicht mehr lohnen.

Eine erste Studie der französischen Deloitte-Netzwerkfirma Taj folgert, dass die Einführung der Steuer Veränderungen in den betroffenen Märkten bewirken wird, die sich erheblich auf die Verteilung der Steuerlast auswirken werden. Je nach Art der Leistung ist nach dieser Studie damit zu rechnen, dass zwischen 45% bis 77% der neuen Steuerlast auf den Privatkunden abgewälzt werden. Den überwiegenden Teil der restlichen Steuer tragen demnach effektiv die Händler bzw. die Online-Werber. Die Unternehmen, auf die die Digitalsteuer ausgerichtet ist, werden nach der Studie lediglich maximal 10% der Steuerlast selbst tragen.

Darüber hinaus sind noch die administrativen Kosten für die Erhebung der Steuer zur berücksichtigen, die den Nettozugang für den französischen Fiskus schmälern werden. Neben der Frage, ob die Einnahmen des französischen Fiskus wie erwartet eintreffen werden und wer diese effektiv leisten wird, wird es im Detail sicherlich auch zu Definitionsfragen technischer Natur kommen. So ist beispielsweise die eindeutige geographische Zuordnung von Nutzern nicht immer leicht. Durch Systeme, die den Datenverkehr zwischen verschiedenen Servern ausgleichen, um Overruns zu vermeiden, lassen sich auch IP-Adressen nicht mehr ohne Weiteres einem geographischen Standort zuordnen. Selbst die Definition von „Nutzer“ kann nicht nur zwischen Unternehmen variieren, sondern auch innerhalb eines Konzerns unterschiedlich sein. Eine Ermittlung von Umsätzen und ihre Zuordnung zu Frankreich wird sich in der Praxis daher möglicherweise als eine große Herausforderung herausstellen.

Ausblick

Nach Aussage des französischen Finanzministers werden aufgrund der Umsatzgrenzen nur wenige Unternehmen effektiv mit der Digitalsteuer belastet werden. Darunter, nach seiner Einschätzung, überwiegend US-Unternehmen, aber auch deutsche Konzerne nebst weiteren ausländischen Gruppen; lediglich ein französischer Großkonzern sei betroffen. Es ist davon auszugehen, dass – unabhängig davon, ob sich die französische Digitalsteuer durchsetzt oder nicht, aber sicherlich umso mehr, falls sie in Kraft tritt – noch weitere Länder vergleichbare Steuern einführen werden.

Ein wesentliches Thema, das die betroffenen Steuerzahler beschäftigen wird, ist das Potenzial der Doppelbesteuerung. Im einfachen Szenario, in dem ein zweites Land eine zur Französischen symmetrische Digitalsteuer einführt, wird es immer dann zu einer Doppelzählung des Umsatzes kommen, wenn auf einer Intermediärsplattform ein Nutzer in Frankreich mit einem Nutzer im anderen Land eine Transaktion tätigt. Beide Länder ordnen dann dieselbe Transaktion den für ihre Steuerbemessungsgrundlage relevanten Umsätzen zu.

Aufgrund der Fiskalinteressen verschiedener Nationen ist mit einer Überlagerung von Steuerregimen zu rechnen, mit der Gefahr, dass die selben Umsätze mehrfach in unterschiedliche Steuerbemessungsgrundlagen einbezogen werden. Ein Voranschreiten der Digitalsteuerinitiative sollte daher mit wirksamen Instrumenten gegen das Doppelbesteuerungsrisiko verknüpft werden. Ein international abgestimmter Ansatz würde dies im Gegensatz zum Alleingang einzelner Länder mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von Beginn an berücksichtigen.

Man könnte bei dem französischen Gesetzesvorschlag an einen First-Mover-Advantage für Frankreich denken, der auch vielen der nun zu besteuernden Technologie-Giganten den Erfolg ermöglicht hat. Im Lichte der oben beschriebenen erwarteten Effekte ist jedoch der nachhaltig positive Effekt für Frankreich aus gesamtwirtschaftlicher Sicht fraglich. In Anbetracht bereits erfolgter und noch bevorstehender nationaler Alleingänge ist zu hoffen, dass die Suche nach gemeinsamen Ansätzen auf supranationaler Ebene bald erfolgreich ist.

Quellen

Taj Studie zum Gesetzesvorschlag in Frankreich

Europäische Kommission, Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES für das gemeinsame Besteuerungssystem für digitale Dienstleistungen betreffend Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen, siehe Deloitte Tax News 

Kompromisstext des Europäischen Rates vom Dezember 2018, siehe Deloitte Tax-News 

OECD Diskussionsentwurf, siehe Deloitte Tax-News 

Interview mit Bruno Le Maire

Ihre Ansprechpartner

Markus Kircher
Partner

mkircher@deloitte.de
Tel.: +49 69 75695 7011

Yvonne Weigelt
Senior Manager

yweigelt@deloitte.de
Tel.: +49 69 75695 7218

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