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30.01.2015
Transfer Pricing

Erlass von Nachzahlungszinsen nach Verrechnungspreiskorrektur: Anmerkungen zum Urteil des BFH vom 03.07.2014 – III R 53/12

Der BFH hat am 15.10.2014 ein Urteil zum Erlass von Nachzahlungszinsen nach Verrechnungspreiskorrektur veröffentlicht. Der BFH stellt fest, dass die Frage, ob die Festsetzung von Zinsen unbillig ist, nur von den Verhältnissen des jeweiligen Zinsschuldners abhängt; die Verhältnisse eines anderen Rechtssubjekts, in diesem Fall der in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Schwestergesellschaft, bleiben außer Betracht. Ein Zinserlass ist daher nicht geboten, wenn sich infolge einer Verrechnungspreiskorrektur einerseits die Körperschaftsteuer der ausländischen Kapitalgesellschaft mindert und diese infolge des Fehlens einer dem § 233a AO entsprechenden Regelung dort keine Erstattungszinsen beanspruchen kann, und sich andererseits infolge der Gewinnerhöhung einer inländischen Mitunternehmerschaft die Einkommensteuer des inländischen Anteilseigners erhöht.

I. Sachverhalt

Der Entscheidung des BFH liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger sind Ehegatten; der Ehemann erzielte gewerbliche Einkünfte aus der Beteiligung an einer inländischen KG (D-KG). Die D-KG hat eine österreichische Schwestergesellschaft (AT-GesmbH). Infolge einer Verrechnungspreiskorrektur im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung erhöhten sich die dem Kläger zuzurechnenden Beteiligungsergebnisse der Jahre 1997 bis 1999. Der Sachverhalt wird in der folgenden Grafik zusammengefasst:

Das Finanzamt erließ im Februar 2007 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1997, 1998 und 1999 und setzte zugleich Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO fest. Die Kläger beantragten daraufhin, die Nachzahlungszinsen in Höhe von 310.991 EUR für 1997, in Höhe von 244.487 EUR für 1998 und in Höhe von 244.344 EUR für 1999, die auf die Verrechnungspreiskorrektur zurückzuführen waren, aus Billigkeitsgründen (§ 227 AO) zu erlassen. Dies wurde damit begründet, § 233a AO bezwecke die Abschöpfung von Zins- und Liquiditätsvorteilen. Durch die verspätete Festsetzung hätten die Kläger jedoch keinen Vorteil erlangt, denn die durch die Betriebsprüfung veranlassten Verrechnungspreiskorrekturen hätten nicht zu einem steuerlichen Mehrergebnis geführt, sondern lediglich zu einer Verschiebung des Steuerzugriffs zwischen Deutschland und Österreich. Die Gewinne der Streitjahre seien insgesamt in zutreffender Höhe der Besteuerung zugrunde gelegt worden. Österreich habe aber eine dem § 233a AO entsprechende Verzinsung erst 2001 eingeführt, so dass den in Deutschland entstandenen Nachzahlungszinsen keine korrespondierenden Erstattungszinsen gegenüberstünden. Das Finanzamt lehnte den beantragten Erlass ab.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

II. Entscheidungsgründe

Der BFH begründet seine Entscheidung wie folgt:

Das FG habe zu Recht entschieden, dass das Finanzamt den Erlass ermessensfehlerfrei abgelehnt habe.

Die Finanzbehörden könnten nach § 227 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Eine Billigkeitsmaßnahme ist nach Auffassung des BFH nicht geboten, weil die Verrechnungspreiskorrektur dazu geführt habe, dass die Erhöhung der Einkommensteuerschuld der Kläger zu Nachzahlungszinsen geführt habe, während die österreichische GesmbH keine Erstattungszinsen beanspruchen könne. Die in § 233a AO angeordnete Verzinsung bezwecke, den möglichen Liquiditätsvorteil abzuschöpfen, der einem einzelnen Steuerpflichtigen durch die verspätete Festsetzung der Steuer entstehe. Auf die Frage, ob dem Steuergläubiger insgesamt ein Schaden entstanden sei, komme es insoweit nicht an. Deshalb sei bei der Frage, ob die Festsetzung von Zinsen unbillig sei, nur auf die Verhältnisse des jeweiligen Zinsschuldners abzustellen; die Verhältnisse eines anderen Rechtssubjekts blieben insoweit außer Betracht. Im konkreten Fall habe sich die Verrechnungspreiskorrektur erhöhend auf die Besteuerung des zu versteuernden Einkommens der Kläger und mindernd auf die Besteuerung der GesmbH ausgewirkt. Die Kläger seien indessen natürliche Personen, die österreichische GesmbH hingegen sei eine juristische Person des Privatrechts, die ihr Einkommen selbst der österreichischen Körperschaftsteuer zu unterwerfen habe. Eine Minderung ihres Einkommens wirke sich mithin nicht unmittelbar auf die Besteuerung ihrer Anteilseigner aus.

Betroffene Normen

§ 227 AO, § 233a AO

III. Anmerkungen

Der BFH stellt klar, dass auf den potentiellen Liquiditätsvorteil abzustellen ist, der dem einzelnen Steuerpflichtigen durch verspätete Festsetzung der Steuer entstanden ist. Im konkreten Fall bleibt das Fehlen von Erstattungszinsen auf Seiten der österreichischen GesmbH für die Festsetzung der Nachzahlungszinsen auf Seiten der Kläger außer Betracht. Gerade bei steuerlichen Außenprüfungen, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken, kann es zu Nachzahlungszinsen in empfindlicher Höhe kommen, ohne dass ein entsprechender Erstattungsanspruch besteht.

Dies zeigt sich am folgenden – stark vereinfachten – Beispiel. Annahmegemäß unterliege der Steuerpflichtige einem Steuersatz von 30% (KSt+GewSt):

Verrechnungspreiskorrektur für VZ 2005 im Rahmen einer Außenprüfung (zu Lasten des deutschen Steuerpflichtigen) € 1.000.000
Steuerfestsetzung unter Datum des 06.06.2009, bekannt gegeben am 09.06.2009 € 300.000
Zu verzinsender Unterschiedsbetrag i.S.d. § 233a Abs. 1 Satz 1 AO € 300.000
Nachzahlungszinsen vom 01.04.2007 bis 31.12.2007 (9x0,5%) € 13.500
Nachzahlungszinsen vom 01.01.2008 bis 31.12.2008 (12x0,5%) € 18.000
Nachzahlungszinsen vom 01.01.2009 bis 31.05.2009 (5x0,5%) € 7.500
Nachzahlungszinsen insgesamt € 39.000

Die Verzinsung gemäß § 233a AO wird bestimmt durch den zu verzinsenden Unterschiedsbetrag, den Zinslauf sowie den Zinssatz. Die Karenzfrist des § 233a Abs. 2 AO beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, im obigen Beispiel also am 31.12.2005, und beträgt 15 Monate. Der Zinslauf beginnt mithin am 01.04.2007 und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird, d.h. an dem der Bescheid dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 122 AO). Zu beachten ist hierbei, dass die verzögerte Bearbeitung durch die Finanzbehörden keinen Einfluss auf den Zinslauf hat und nach der Rechtsprechung des BFH keinen Anspruch auf Erlass begründet.

Im Falle von Verrechnungspreiskorrekturen, die einen Steuerpflichtigen in Österreich betreffen, hat sich die Problematik durch die Einführung der Erstattungszinsen (gemäß BAO als Anspruchszinsen bezeichnet) im Jahr 2001 zwar entschärft. Allerdings ist zu beachten, dass die Nachzahlungszinsen in Deutschland 0,5% pro Monat, d.h. 6% p.a., betragen (§ 238 Abs. 1 AO). In Österreich hingegen belaufen sich die Anspruchszinsen auf 2% über dem Basiszinssatz, haben einen von der deutschen Regelung abweichenden Beginn des Zinslaufs und sind zeitlich begrenzt (§ 205 Abs. 1 und 2 BAO). Im Fall einer Verrechnungspreiskorrektur besteht also auch nach 2001 das Risiko, dass der Steuerpflichtige in Deutschland mit Nachzahlungszinsen belastet wird, denen kein in voller Höhe korrespondierender Erstattungsanspruch in Österreich gegenüber steht.

Des Weiteren ist zu beachten, dass Erstattungszinsen nach § 233a AO steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG darstellen. Der BFH hat in seinen Urteilen vom 24.06.2014 und 12.11.2013 bestätigt, dass die durch das JStG 2010 angeordnete rückwirkende Besteuerung der Zinsen verfassungsgemäß ist. Demgegenüber sind Nachzahlungszinsen steuerlich nicht abzugsfähig.

In Österreich hingegen sind die Anspruchszinsen, unabhängig davon, ob sie auf eine Erstattung oder eine Nachzahlung anfallen, steuerneutral.

Erfolgt die Erstattung in Deutschland können steuerpflichtige Erstattungszinsen entstehen, wohingegen die Anspruchszinsen auf die Nachzahlung in Österreich nicht abzugsfähig sind. Diese asymmetrische Behandlung kann sich also ebenfalls nachteilig für den Steuerpflichtigen auswirken.

Vorinstanz

FG Nürnberg, Urteil vom 25.02.2011, 7 K 3/10

Fundstelle

BFH, Urteil vom 03.07.2014, III R 53/12

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 08.09.1993, I R 30/93
BFH, Urteil vom 24.06.2014, VIII R 29/12
BFH, Urteil vom 12.11.2013, VIII R 36/10
BFH, Urteil vom 15.10.2010, VIII R 33/07

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