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13.04.2016
Transfer Pricing

BMF: Nichtanwendungserlass bzgl. Sperrwirkung Art. 9 DBA-MA

„Substance over Form“ bei der Prüfung von Verrechnungspreisen in Gefahr: BMF reagiert mit „Nichtanwendungserlass“ auf kritische BFH-Rechtsprechung.

Einführung

Das BMF hat am 30.03.2016 einen sog. Nichtanwendungserlass gegen die BFH-Urteile vom 17.12.2014 (I R 23/13, siehe Deloitte Tax-News) und vom 24.06.2015 (I R 29/14, siehe Deloitte Tax-News) veröffentlicht, so dass die Grundsätze beider Urteile über die entschiedenen Einzelfälle keine Bedeutung haben sollen. Dieser Erlass umfasst zwei Entscheidungen des BFH, welche die sog. Sperrwirkung von DBA-Normen gegenüber § 1 AStG zum Gegenstand hatten. In beiden Entscheidungen hatte der BFH unterstrichen, dass auf Basis des DBA-Rechts bzw. Art. 9 OECD-MA eine Beschränkung des Fremdvergleichs auf eine Überprüfung der Angemessenheit der Höhe des Verrechnungspreises zu erfolgen habe.

Der o.g. Nichtanwendungserlass richtet sich allerdings nicht gegen das BFH-Urteil vom 11.10.2012 (I R 75/11, siehe Deloitte Tax-News). Dieses Urteil befasste sich nicht mit dem normativen Anwendungsbereich des § 1 AStG, sondern mit den formalen Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung (d.h. klare, im Voraus getroffene, zivilrechtlich wirksame und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung) im Falle einer grenzüberschreitenden Transaktion mit einem beherrschenden Gesellschafter. Die Finanzverwaltung vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung, die steuerliche Anerkennung der Transaktion müsse bereits daran scheitern, dass die Vereinbarung nicht im Vorhinein abgeschlossen wurde. Aufgrund des Fehlens dieser formalen Voraussetzung sei von einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auszugehen und eine verdeckte Gewinnausschüttung gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG anzunehmen. Der BFH hatte dieser Auffassung der Finanzverwaltung in seiner Entscheidung vom 11.10.2012 widersprochen und dabei entscheidend auf die abkommensrechtliche Sperrwirkung gegenüber nationalen Einkünftekorrekturnormen abgestellt, die auf rein formale Beanstandungen gestützt werden. Die Grundsätze der Entscheidung vom 11.10.2012 wurden durch den BFH in den beiden, vom Nichtanwendungserlass umfassten, Entscheidungen erneut als maßgeblich betrachtet und sind tragende Säulen beider Urteilsbegründungen.

Worin besteht die Problematik?

In den entschiedenen Verfahren (BFH, Urteil vom 17.12.2014, I R 23/13; BFH, Urteil vom 24.06.2015, I R 29/14) führt der BFH aus, dass Art. 9 OECD-MA eine sog. Sperrwirkung gegenüber § 1 Abs. 1 AStG entfaltet, sofern eine Einkünftekorrektur allein aufgrund der Tatsache durchgeführt werden soll, dass andere vereinbarte Bedingungen (im Folgenden „sonstige Geschäftsbedingungen“), beispielsweise die fehlende Besicherung eines Darlehens, als der Verrechnungspreis Grundlage für die Einkünftekorrektur sind.

Nach Ansicht des BFH wirken sich die sonstigen Geschäftsbedingungen für den Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 9 OECD-MA nur insoweit aus, als deren „Qualität“ den Verrechnungspreis der Höhe nach beeinflusst. Die sonstigen Geschäftsbedingungen sind daher lediglich bei der Überprüfung der Angemessenheit der Höhe des Vereinbarten zu berücksichtigen, d.h. sie haben nur eine sekundäre Relevanz bei der Beurteilung der Fremdvergleichskonformität einer grenzüberschreitenden Transaktion zwischen verbundenen Parteien.

Was sind die „Gegenargumente“ der Finanzverwaltung?

Im Rahmen des Nichtanwendungserlasses führt das BMF nunmehr aus, dass die Grundsätze der BFH Entscheidungen vom 17.12.2014, I R 23/13 und vom 24.06.2015, I R 29/14 über die entschiedenen Einzelfälle hinaus nicht anzuwenden seien. Als Begründung führt das BMF im Wesentlichen die folgenden Gesichtspunkte an:

1. Grammatikalische und historische Auslegung der DBA

Nach Meinung des BMF habe der BFH verkannt, dass Art. 9 OECD-MA eine Korrektur von Gewinnen nach innerstaatlichen Vorschriften und nicht ausschließlich von Preisen (d.h. Verrechnungspreisen der Höhe nach) ermöglichen soll. Das BMF nimmt hier an, dass sowohl die sonstigen Geschäftsbedingungen als auch der Preis den aus einer „controlled transaction“ resultierenden Gewinn beeinflussen können und ein fremdvergleichskonformes Ergebnis auch durch die Korrektur der sonstigen Geschäftsbedingungen erzielt werden kann. Insoweit sollte nach Ansicht des BMF eine Gewinnkorrektur über die Anpassung einer sonstigen Geschäftsbedingung, beispielsweise bezüglich der (fehlenden) Besicherung eines Darlehens, zulässig sein.

Die vom BFH vorgenommene Sichtweise folge – so die Auffassung des BMF – weder aus dem Wortlaut der Art. 9 OECD-MA nachgebildeten DBA noch sei der Gesetzgeber bei Schaffung der Einkünftekorrekturnorm des § 1 AStG von einem Verständnis ausgegangen, dass Art. 9 OECD-MA zuwiderlaufen solle. § 1 AStG, der auch auf die Bedingungen eines Geschäftsvorfalls abstellt, steht daher nach Ansicht des BMF nicht im Widerspruch zu Art. 9 OECD-MA bzw. entsprechend nachgebildeten DBA. Ein derartiger Widerspruch zwischen beiden Vorschriften sei weder erkennbar noch gewollt.

2. Teleologische Auslegung

Darüber hinaus sei eine ausschließliche Beschränkung der Korrektur auf den Verrechnungspreis als solches sinnwidrig, da hierdurch nicht in allen Fällen ein fremdvergleichskonformes Ergebnis erzielt werden könne.

3. Systematische Auslegung

Weiter führt das BMF aus, dass DBA durch Zustimmungsgesetze in einfaches nationales Recht transformiert werden. § 1 AStG sei unbeschadet anderer Vorschriften anzuwenden, dies umfasse auch die Zustimmungsgesetze der DBA, so dass § 1 AStG – mit seinem Regelungsgehalt auch „sonstige Bedingungen“ einschließe – sozusagen als „lex specialis“ den einfachgesetzlichen Vorschriften (mithin auch den Zustimmungsgesetzen zur Transformation eines DBA als völkerrechtlichen Vertrag in nationales Recht) vorzugehen habe. Der BFH verkenne – so die Ansicht des BMF – damit die normenhierarchische Gleichheit von § 1 AStG und den in deutsches Recht transformierten DBA. Hätte der BFH hierin tatsächlich einen Konflikt gesehen, so hätte die Fragestellung dem Bundesverfassungsgericht zur weiteren Klärung vorlegt werden müssen, da es sich um einen „treaty override“ handeln würde.

Was bedeutet die Auffassung des BMF für den Steuerpflichtigen?

Unabhängig davon, ob man inhaltlich den Ausführungen des Nichtanwendungserlasses folgen kann, ergeben sich in Anbetracht der Ausführungen des BMF für die Steuerpflichtigen verschiedene Implikationen auf die nachfolgend aufmerksam gemacht werden soll.

Gegenüber Sonderbedingungen, die zu einer verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG dem Grunde nach führen, sollte Art. 9 OECD-MA weiterhin eine Sperrwirkung entfalten. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang nachträgliche Preisanpassungen zu nennen, wie sie regelmäßig in Form von sog. Jahresendanpassungen in multinationalen Konzernen erfolgen. Der Nichtanwendungserlass des BMF umfasst – wie eingangs erwähnt – nicht das entsprechende BFH-Urteil vom 17.12.2012, I R 75/11, welches von der Finanzverwaltung im BStBl II 2013, S. 1046 veröffentlicht wurde und damit durch die Finanzverwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden ist.

Jedoch besteht die Tendenz in Betriebsprüfungen eine solche Korrektur, bei im Vorhinein unklaren bzw. zu unbestimmten Vereinbarungen, über § 1 AStG zu rechtfertigen. Die Finanzverwaltung argumentiert beispielsweise. insbesondere in Fällen eines „downward adjustments“ regelmäßig, dass fremde Dritte im Nachhinein nicht freiwillig, d.h. ohne eine entsprechende vertragliche Verpflichtung, einen Teil ihres Gewinns wieder „abgegeben“ hätten. Infolgedessen kann die Höhe des Gewinns durchaus fremdüblich sein, jedoch wird dessen Zustandekommen durch die sonstigen Geschäftsbedingungen, nämlich der freiwilligen Zustimmung zu einer Gewinnverminderung nach dem Geschäftsvorfall, als fremdunüblich angesehen. Steuerpflichtige sollten daher ihre konzerninternen Verträge dahingehend überprüfen, ob diese eine klare und eindeutige Vereinbarung im Hinblick auf einen Jahresendanpassungsmechanismus enthalten.

Darüber hinaus sollten Steuerpflichtige darauf achten, dass in konzerninternen Verträgen fremdübliche sonstige Geschäftsbedingungen vereinbart wurden, d.h. sonstige Geschäftsbedingungen, die auch zwischen fremden Dritten im Markt zu beobachten sind. Sofern dies problematisch ist, sollten Steuerpflichtige insbesondere die wirtschaftlichen Gründe für die vereinbarten sonstigen Geschäftsbedingungen dokumentieren und darlegen, warum ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter in vergleichbaren Situationen ebenfalls diese sonstigen Bedingungen vereinbart hätten.

Weiterhin sollen auf Basis des Nichtanwendungserlasses explizit die aus dem BMF-Schreiben vom 29.03.2011 (IV B 5 –S 1341/09/10004) zu Teilwertabschreibungen auf Darlehensbeziehungen resultierenden Rechtsfolgen unverändert auf alle offenen Fälle anzuwenden sein. Angesichts der einleuchtenden Argumente von Rechtsprechung und Literatur gegen die in diesem BMF-Schreiben geäußerte Auffassung der Finanzverwaltung, sollten Steuerpflichtige weiterhin im Rahmen des gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens ihre Position durchsetzen.

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 30.03.2016, IV B 5 -S 1341/11/10004-07

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 11.10.2012, I R 75/11, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteile vom 17.12.2014, I R 23/13, sieheDeloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 24.06.2015, I R 29/14, siehe Deloitte Tax-News

Ihre Ansprechpartner

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