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15.08.2024
Transfer Pricing

Niedersächsisches FG: Funktionsverlagerung bei Prinzipalstrukturen

Das Niedersächsische FG hat in einem jüngst veröffentlichten Fall zu einer Funktionsverlagerung entschieden. Ein US-Konzern hatte seine europäischen Strukturen auf einen Prinzipal in der Schweiz umgestellt. Die deutschen Gesellschaften wurden zu Routine-Vertriebs- bzw. Produktionsgesellschaften umgestellt. Weil weder materielle noch immaterielle Wirtschaftsgüter übergegangen waren, hat das FG eine Funktionsverlagerung verneint. Die Annahme einer Funktionsverlagerung bei bloßer Änderung des Gewinnpotenzials in Deutschland wurde vom Gericht zurückgewiesen.

Niedersächsisches FG, Urteil vom 03.08.2023, 10 K 117/20

Hintergrund

Am 17.07.2024 hat das Niedersächsische FG ein Urteil zur Funktionsverlagerung veröffentlicht, was am 03.08.2023, 10 K 117/20, ergangen war. Es ist damit schon das zweite Urteil des Niedersächsischen FG zur Funktionsverlagerung. Zum Hintergrund: Es ist nach wie vor strittig unter welchen Voraussetzungen eine Funktionsverlagerung anzunehmen ist. Sofern eine Funktionsverlagerung im Konzern vorliegt, werden etwaige stille Reserven, die ins Ausland übertragen werden, aufgedeckt und besteuert. Relativ unstrittig sind Fälle, in denen Funktionen einschließlich Chancen und Risiken, sowie materiellen als auch immateriellen Wirtschaftsgütern ins Ausland übertragen werden. Im Gesetz steht daneben noch der unbestimmte Rechtsbegriff der „sonstigen Vorteile“. Nun ist fraglich, ob auch eine Funktionsverlagerung anzunehmen ist, wenn weder materielle noch immaterielle Wirtschaftsgüter übergehen. Es kommt dann auf die Frage an, ob „sonstige Vorteile“ übergehen. Die Verwaltung hat „sonstige Vorteile“ bisher als bloße Gewinnerwartungen verstanden. Der weiten Auslegung der „sonstigen Vorteile“ stimmte das FG Niedersachsen im ersten Urteil schon nicht zu (Urteil vom 16.03.2023, 10 K 310/19, siehe Deloitte Tax-News). Damals wurde eine Produktionsfunktion ins Ausland übertragen, ohne das materielle oder immaterielle Werte mit übergingen. In dem nun ergangenen Urteil wurden zum 01.01.2011 Risiken auf eine schweizerische Konzerngesellschaft übertragen.

Sachverhalt

Geschäftsmodell bis 01.01.2011 inkl. Funktionen und Risiken sowie Transaktionen

Die Konzernobergesellschaft ist in den USA ansässig. Die Gruppe vertreibt B2B Waren. In Deutschland waren Ende 2010 vier Gesellschaften (W, X, Y, Z) operativ tätig, die Produkte hergestellt und vertrieben haben. Sie waren auch für Lagerhaltung und Logistik verantwortlich. Die für die Produktion benötigten immateriellen Wirtschaftsgüter (insbesondere Patente, Designs und Marken für die Herstellung und den Vertrieb der Produkte) standen und stehen im Eigentum der B, die auch in den USA ansässig ist. Die immateriellen Wirtschaftsgüter wurden den operativen deutschen Gesellschaften im Wege eines nicht exklusiven Lizenzvertrages zur Verfügung gestellt. Die operativen deutschen Gesellschaften verfügten demgegenüber nicht über eigene immaterielle Wirtschaftsgüter dieser Art. Die immateriellen Wirtschaftsgüter wurden zum Teil von der B und zum Teil durch die Gesellschaft M (Großbritannien) entwickelt. Die deutschen Gesellschaften waren und sind an der Entwicklung der immateriellen Wirtschaftsgüter grundsätzlich nicht beteiligt. Als Gegenleistung zahlten die operativen deutschen Gesellschaften eine Lizenzgebühr prozentual zu den Nettoumsätze an die B. Der Lizenzvertrag sah eine Laufzeit bis zum 1. Januar 2013 vor, die sich bei Nichtkündigung jeweils um ein weiteres Jahr verlängerte.

Die wesentlichen strategischen Entscheidungen hinsichtlich der Produktions- und Vertriebsprozesse der operativen deutschen Gesellschaften traf die französische C. Im Einzelnen waren dies z.B. die Festlegung der Unternehmensstrategie, die Entscheidung über Investitionen und Produktportfolios der deutschen Gesellschaften, die mittel- und langfristige Produktions- und Kapazitätsplanung sowie die zentrale Verhandlung von europaweiten Beschaffungsverträgen mit den Rohstofflieferanten und die Betreuung der Großkunden. Die C war als Dienstleistungsgesellschaft ausgestaltet, die ihre Kosten nach einem festgelegten Umlageschlüssel auf die einzelnen operativen europäischen Gesellschaften der Gruppe verteilte. Hierbei bestand ein Dienstleistungsvertrag zwischen der Klägerin und der C sowie ein Unterdienstleistungsvertrag zwischen der Klägerin und den weiteren operativen deutschen Gesellschaften der Gruppe.

Geschäftsmodell ab 01.01.2011 inkl. Funktionen und Risiken sowie Transaktionen

Mit der Umstellung zum 01.01.2011 wurde eine europaweite Prinzipalstruktur etabliert, um durch eine Zentralisierung von Planungs-, Beschaffungs- und Vertriebsprozessen und eine verbesserte Steuerung der Produktionstätigkeit Kostenvorteile und Vorteile im Hinblick auf eine konsistente Vertriebsstrategie in Europa zu erreichen. Die verbundenen Unternehmen - also auch die deutschen Gesellschaften der Gruppe - wurden von diesem Zeitpunkt an als Routineunternehmen für den Prinzipal tätig, z.B. als Auftrags- oder Lohnfertiger oder als risikoarme Vertriebsgesellschaft (Limited Risk Distributor).

Im Einzelnen ist seit dem 01. 01.2011 die in der Schweiz ansässige E als europaweite Prinzipalgesellschaft tätig, beauftragt Auftragsfertiger mit der Herstellung der Produkte und liefert die Produkte an risikoarme Vertriebsgesellschaften, die die Produkte auf ihrem jeweiligen Markt vertreiben. Die wesentlichen Entscheidungsprozesse und Risiken (aus Fertigung, Verkauf, Transport und Lagerung) trug nunmehr die E. Die E übte im Wesentlichen die Funktionen aus, die zuvor die C ausgeübt hatte (mittel- und langfristige Produktionsprogrammplanung, Produktportfolio, Richtlinien für den Produktionsprozess sowie Qualität und Sicherheit). die Auftragsfertiger, d.h. die operativen deutschen Gesellschaften übernahmen demgegenüber, ebenfalls im Wesentlichen wie zuvor, die konkrete Herstellung, die kurzfristige Produktionsprogrammplanung, Fracht und Logistik sowie Lagerhaltung.

Die bisher von der C ausgeübten Funktionen lagen seit dem 01.01.2011 bei der E. Die operativen deutschen Gesellschaften waren dementsprechend ab dem 1. Januar 2011 als Auftragsfertiger für die E tätig. Sie erhielten von der E eine kostenbasierte Vergütung. Die nötige Lizenz für die immateriellen Werte wurden der B an die E überlassen. Die E hat es dann weiter lizensiert u. A. auch an die deutschen Produktionsgesellschaften. Um zu berücksichtigen, dass die operativen deutschen Gesellschaften die immateriellen Wirtschaftsgüter für den Zeitraum vom 01.01. 2011 bis 01.012013 auch (noch) aus dem eigenen Lizenzvertrag mit der B hätten nutzen können, die E aber seit der Umstrukturierung sämtliche wesentlichen Geschäftsrisiken trug, vereinbarten die E und die operativen deutschen Gesellschaften der Gruppe, dass der während dieses Zeitraums erzielte Nettogewinn zwischen den Parteien dahingehend aufgeteilt werde, dass ein Drittel des Gewinns den operativen deutschen Gesellschaften und zwei Drittel der E zustehe, etwaige Verluste aber vollständig durch die E zu tragen seien. Der Lizenzvertrag wäre erst zum 01.01.2013 kündbar gewesen.

Der Vertrieb der Produkte auf dem deutschen Markt erfolgte ab dem 01.01.2011 über die V. Die V übernahm den deutschen Vertrieb der Produkte. Sie erwarb die Produkte von der E und verkaufte sie in eigenem Namen und auf eigene Rechnung an die deutschen Kunden weiter. Die vertriebsbezogenen Aufgaben verblieben dabei bei der V. Im Einzelnen war die V beispielsweise weiterhin verantwortlich für Budgetierung und Prognoseerstellung, Pflege des lokalen Kundenstamms, Durchführung von Marketing- und Werbeaktivitäten in Übereinstimmung mit der von der E vorgegebenen Marketing-Strategie. Die E traf dagegen sämtliche strategischen Entscheidungen und trug sämtliche Geschäftsrisiken. Sie gab zudem die Rahmenbedingungen des Vertriebs vor. Die V zahlte an die E für die vertriebenen Produkte einen nach der sogenannten geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode ermittelten Preis.

Als Kompensation für die durch die Teilnahme an der Prinzipalstruktur ausgelösten Gewinnminderungen erhielten die operativen deutschen Gesellschaften Ausgleichszahlungen von der E. Die Ermittlung erfolgte anhand eines Vergleichs der Gewinnsituation unter Teilnahme an der Prinzipalstruktur mit der Gewinnsituation bei Nichtteilnahme an der Prinzipalstruktur. Der Produktions- und der Vertriebsbereich wurden getrennt bewertet. Der Produktionsbereich wurde unter Berücksichtigung eines zweijährigen Kapitalisierungszeitraums bewertet, weil die operativen deutschen Gesellschaften der Gruppe wegen des gekündigten Lizenzvertrags ab dem 01.01.2013 nicht mehr zur Herstellung der Produkte berechtigt gewesen wären. Der Vertriebsbereich wurde mit einem fünfjährigen Kapitalisierungszeitraum bewertet, um pauschalierend dem lokalen Kundenstamm Rechnung zu tragen. Materielle Wirtschaftsgüter wurden nicht übertragen.

Auffassung Betriebsprüfung

Die Betriebsprüfung bei den deutschen Gesellschaften folgte den Ausführungen nicht. Sie nahm eine Funktionsverlagerung an und bewertete mit einer Paketbewertung. Sie ging davon aus, dass die Voraussetzungen der Funktionsverlagerung erfüllt seien, da wesentliche Funktionen von Deutschland in die Schweiz übertragen worden seien. Dies betreffe zwar nicht die Gesamtfunktion "Herstellung und Vertrieb von Produkten". Allerdings werde die Entrepreneur-Eigenschaft der Klägerin erfasst, weil sie diese auf die Prinzipalgesellschaft übertragen habe und diese Eigenschaft somit verlagert worden sei. Die übertragenen Funktionen seien als Ganzes zu bewerten, weil Produktion und Vertrieb untrennbar zur Wertschöpfung und damit zum übertragenen Gewinnpotenzial beitrügen. Gemäß § 6 FVerlV sei das Transferpaket zudem unter Berücksichtigung eines unbegrenzten Kapitalisierungszeitraums zu bewerten, weil kein endlicher Kapitalisierungszeitraum glaubhaft gemacht worden sei. Derlei Anhaltspunkte seien insbesondere nicht aus dem Lizenzvertrag bzw. dessen Laufzeit abzuleiten. Der Kapitalisierungszeitraum sei nicht von der Restlaufzeit des Lizenzvertrags abhängig, weil die Lizenzgewährung an die E zwingend gewesen sei.

Der so ermittelte Betrag war höher als die Ausgleichszahlung durch die Steuerpflichtigen. Es kam in der Höhe zu einer Anpassung.

Klagebegründung

Gegen den ergangenen Änderungsbescheid für 2011 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin hat sodann Klage eingereicht. Zur Begründung führt sie aus, die operativen deutschen Gesellschaften wären ohne die von der B überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter rechtlich nicht in der Lage gewesen, ihr Produktportfolio herzustellen und unter der Marke "A" zu vertreiben. Die operativen deutschen Gesellschaften hätten im Jahr 2010 allenfalls über eigenes allgemeines produktionsbezogenes Prozess-Know-how bzw. Erfahrungswissen verfügt, wie es sich auch ein Auftrags- oder Lohnfertiger selbst erarbeiten würde. Deshalb wären die operativen deutschen Gesellschaften im Fall einer Kündigung des Lizenzvertrags allenfalls in der Lage gewesen, einfache Fertigungsaufträge für fremde Dritte auszuführen. Die Herstellung der A-Produkte oder anderer Produkte, die den A-Produkten ähneln, wäre rechtlich nicht möglich gewesen.

Auf der Vertriebsseite sei zwar ein Teil des lokalen Kundenstamms den operativen deutschen Gesellschaften zuzurechnen. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass sämtliche Kundendaten in einem von allen europäischen Gesellschaften abrufbaren System gespeichert seien, sodass es sich nicht um exklusive Informationen handele. Zudem bestehe ein großer Teil des Kundenstamms aus nahestehenden Unternehmen, die die deutschen Gesellschaften nicht weiter hätte beliefern können, wenn sie am neuen Geschäftsmodell nicht teilgenommen hätten. Schließlich seien die Großkunden durch die C betreut worden, die europaweite Lieferverträge mit diesen abgeschlossen habe. Der eigene Kundenstamm der deutschen Gesellschaften sei deshalb von geringerer Bedeutung. Das bis 2010 bestehende Leistungsverhältnis zwischen der C und den operativen deutschen Gesellschaften unterscheide sich von dem, was üblicherweise im Rahmen reiner Shared-Cost-Center erbracht werde.

Die E habe ab 2011 sämtliche Geschäftsrisiken getragen, zu denen beispielsweise das Marktrisiko, das Preisrisiko und das Transportrisiko gehörten. Den operativen deutschen Gesellschaften sei einzig ein sehr eingeschränktes Garantie- / Produkthaftungsrisiko für Fälle verblieben, in denen der jeweilige Auftragsfertiger seine Pflichten verletzt habe. Die auf die E übertragenen "Entrepreneur"-Aktivitäten seien zuvor vorwiegend von der C ausgeübt worden. Von den deutschen Gesellschaften habe die E nur Geschäftsrisiken übernommen, weil die deutschen Gesellschaften seit 2011 sämtliche Kosten ersetzt und darüber hinaus ein fest definiertes Gewinnelement erhielten. Die Ausgleichszahlungen zwischen der E und den operativen deutschen Gesellschaften im Zusammenhang mit der Kündigung des Lizenzvertrags entsprächen dem Fremdvergleichsgrundsatz.

Zwar könne der Abschluss der Auftragsfertigungsverträge und des Vertriebsvertrags zwischen der E und den operativen deutschen Gesellschaften und der damit verbundene Verzicht auf die Gewinnpotenziale als Lizenzfertiger, zwei Jahre vor Ende des Lizenzvertrages, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen sein. Hierfür seien jedoch angemessene Ausgleichszahlungen geleistet worden. Für die operativen deutschen Gesellschaften sei der Abschluss der Verträge in Anbetracht der Kündigung des Lizenzvertrags durch die B die wirtschaftlichste Alternative gewesen.

Eine Funktionsverlagerung liegt auch nicht vor: Die operativen deutschen Gesellschaften übten vor der Umstrukturierung keine Forschungs- und Entwicklungsfunktion aus. Sie hätten im Rahmen der Beschaffung zwar Hilfs- und Betriebsstoffe eingekauft. Die Verhandlungen mit den Zulieferern hinsichtlich der in der Produktion benötigten Rohstoffe seien jedoch durch die D und die C geführt und entsprechende Rahmenverträge abgeschlossen worden. Auch hinsichtlich der lizensierten Produktion habe die C das Produktportfolio sowie die langfristige Produktionsplanung festgelegt. Marketing, Vertrieb und Lagerhaltung hätten die operativen deutschen Gesellschaften demgegenüber selbst durchgeführt. Auch die Risiken seien, bis auf die Risiken hinsichtlich der immateriellen Wirtschaftsgüter, selbst getragen worden.

Angesichts dessen seien die operativen deutschen Gesellschaften bereits vor der Umstrukturierung nicht als Entrepreneure zu qualifizieren gewesen, sondern hätten als funktionseingeschränkte Lizenzfertiger ein Funktions- und Risikoprofil zwischen dem eines Entrepreneurs und dem eines Mittelunternehmens aufgewiesen. Zwar seien die wesentlichen Risiken getragen, nicht jedoch sämtliche wesentliche Funktionen ausgeübt worden. Die strategische Steuerung habe vollständig bei der C gelegen.

Durch die Umstrukturierung sei das Funktionsprofil der operativen deutschen Gesellschaften im Wesentlichen unverändert geblieben. Es seien keine Funktionen ins Ausland bzw. auf die E übertragen worden. Zwar seien bei der E Funktionen aufgebaut worden. Diese seien vor der Umstrukturierung jedoch vornehmlich von der C ausgeübt und von dieser auf die E übertragen worden. Die von den operativen deutschen Gesellschaften getragenen Risiken hätten sich demgegenüber erheblich verringert. Alle wesentlichen Geschäftsrisiken seien zum 1. Januar 2011 auf die E übertragen worden. Wirtschaftsgüter seien nicht auf die E übertragen worden. Die Lizenzen zur Produktion und zum Vertrieb seien nach der Umstrukturierung von der E zur Verfügung gestellt worden.

Im Ergebnis seien weder Funktionen noch Wirtschaftsgüter auf die E übertragen worden. Die Produktions- und Vertriebsfunktion sei weiterhin in Deutschland wahrgenommen worden. Die E habe nur Geschäftstätigkeiten übernommen, die zuvor durch die C und die D ausgeübt worden seien. Es sei nur zu einer Verlagerung von Risiken auf die E gekommen. Eine reine Reduzierung von Risiken, ohne eine damit verbundene Verlagerung von Funktionen und Wirtschaftsgütern, erfülle jedoch nicht die Tatbestandsvoraussetzungen einer Funktionsverlagerung.

Die Ausgleichszahlungen, die für den Übergangszeitraum vom 01.01.2011 bis 01.01.2013, in dem die operativen deutschen Gesellschaften die Lizenz auch noch aus eigenem Recht hätten nutzen dürfen, gezahlt wurden, seien ebenfalls im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz erfolgt und sogar zugunsten der operativen deutschen Gesellschaften ermittelt worden. Die Bevorteilung bestehe darin, dass der Lizenzvertrag nur ein nicht exklusives Recht zur Nutzung der immateriellen Wirtschaftsgüter enthalten habe. Die E hätte damit bereits ab dem 1. Januar 2011 in Konkurrenz zu den deutschen Gesellschaften treten können. Insbesondere die Großkunden seien ab 2011 bereits von der E betreut worden.

Urteil

Die Klage gegen die hiergegen gerichtete Klage wurde zugunsten der Klägerin entschieden. Das FG Niedersachsen erachtete die Klage für begründet und erklärte den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig. Das Gericht verneinte sowohl den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung als auch einer Funktionsverlagerung.

Im Zuge der Einführung des Prinzipalmodells wurden keine materiellen Wirtschaftsgüter von den operativen deutschen Gesellschaften auf den Schweizer Prinzipal E übertragen. Es fehlte auch an einer Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern. Diese standen vor und nach der Umstrukturierung im Eigentum der B und wurden mittels nicht exklusiver Lizenzverträge an die operativen deutschen Gesellschaften und später an die E überlassen. Nach Auffassung des FG stellt auch der vorzeitige Verzicht auf die Nutzung der Lizenzen aus dem eigenen Lizenzvertrag keine Übertragung von Lizenzen der operativen deutschen Gesellschaften unmittelbar an die E dar. Ferner fehlt auch die Voraussetzung der Verknüpfung der Überlassung von Wirtschaftsgütern und/oder sonstigen Vorteilen mit der Ausübung der Funktion, da E die strategischen Entscheidungen von der C übernommen hatte. Nach Auffassung des Gerichts fehlte es im Urteilsfall an einer Übertragung einer konkreten Geschäftschance in Form einer werthaltigen Position. Die operativen deutschen Gesellschaften übten weiterhin weitgehend unverändert die Produktions- und Vertriebsaktivitäten aus. Dem niedrigeren Funktions- und Risikoprofil unter dem Prinzipalmodell stand die Vergütung mit festen Gewinnmargen gegenüber. Der vorzeitige Verzicht auf die Nutzung des Lizenzvertrages wurde durch eine sachgerechte Entschädigung ausgeglichen. Es wurde auch kein Kundenstamm von den deutschen Gesellschaften auf die E übertragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Kundendaten im Rahmen des Konzerns zunächst ohnehin nicht um exklusive Daten handelt, auf die die deutschen Gesellschaften exklusiven Zugriff hätten. Zudem sind die Großkunden schon vor der Umstrukturierung nicht von den deutschen Gesellschaften, sondern von der C betreut worden, sodass diese von dort auf die E übergegangen sind. Den lokalen Kundenstamm hat die V, die für die deutschen Gesellschaften nach der Umstrukturierung den Vertrieb wahrgenommen hat, auch nach der Umstrukturierung weiterhin selbstständig betreut, sodass dieser ebenfalls nicht auf die E übertragen worden ist.

Praxisfolgen

Sonstige Vorteile: Die Umstellung zu einer Prinzipalstruktur wurde in den letzten Jahren häufig umgesetzt. Hierbei standen häufig betriebswirtschaftliche Gründe im Mittelpunkt. Analog zu dem vorherigen FG Niedersachsen-Urteil der Produktionsverlagerung stellt das Gericht fest, dass ein „sonstiger Vorteil“ hinreichend konkret sein muss, damit er als ein Tatbestandsmerkmal der Funktionsverlagerung erfüllt ist. Sofern es an dem Übergang von materiellen oder immateriellen Werten fehlt und lediglich die Vergütungsstruktur umgestellt wird, wird in der Praxis durch die Verwaltung häufig angenommen, dass ein sonstiger Vorteil übergegangen sei. Dieser sehr weiten Interpretation widerspricht das FG Niedersachsen. Vielmehr kommt es auf die konkreten Tatbestandsmerkmale einer Funktionsverlagerung an.

Kundenstamm im Konzern: Beachtenswert ist in dem Urteil auch, dass keine Übertragung eines Kundenstammes gesehen wird. Oft ist strittig, wie ein im Konzern bereits bekannter Kundenstamm gesehen wird. Das Gericht unterstreicht, dass im Konzern bekannte Kundendaten nicht exklusiv sind. Weil Deutschland als Routinegesellschaft weiterhin Kunden beliefert, lag hier keine Übertragung vor.

Schlussfolgerung: Es ist im Ergebnis ratsam bei jeder Umstrukturierung die „Vorher-Nachher“ Situation zu vergleichen und hierbei auf materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter einzugehen und die konkreten Funktionen und Risiken zu benennen, die (nicht) übertragen werden. Hierbei ist auf Kündigungsrechte wie hier den Lizenzvertrag und den wirtschaftlichen Zugriff auf die Kunden einzugehen. Eine pauschale Einmalbesteuerung als Funktionsverlagerung nur weil sich die Gewinne in Deutschland verändert haben, ist durch das Gericht zurück gewiesen.

Rechtsgrundlage

§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG

Streitjahr

2011

Fundstelle

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 03.08.2023, 10 K 117/20

Weitere Fundstellen

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 16.03.2023, 10 K 310/19, siehe Deloitte Tax-News

Ihr Ansprechpartner

Björn Heidecke
Partner

bheidecke@deloitte.de
Tel.: +4940320804953

Ihr Ansprechpartner

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bheidecke@deloitte.de
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