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25.02.2019
Transfer Pricing

OECD: Diskussionspapier zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft

 Akktuelle Entwicklungen in einem Webcast vom 30.01.2020

Die OECD hat am 13.02.2019 den aktuellen Stand der internen Diskussion zum Thema Besteuerung der digitalen Wirtschaft veröffentlicht. Welche Herausforderungen können sich hieraus für die betroffenen Unternehmen ergeben?

Hintergrund

Müssen die Besteuerungsgrundsätze vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung der Wirtschaft angepasst werden? Mit Blick auf die meist US-amerikanischen Internet- und Tech-Giganten sind viele Regierungen außerhalb der USA der Auffassung ja und wünschen sich eine stärkere Besteuerung dieser Unternehmen außerhalb der USA. Auf Basis der traditionellen Besteuerungskonzepte ist dies jedoch nicht möglich.

Die OECD hat sich dem Thema Besteuerung der digitalen Wirtschaft bereits früh angenommen und als ersten Aktionspunkt in ihre BEPS-Initiative aufgenommen. Der aktuelle Stand der internen Diskussionen wurde in einem am 13.02.2019 veröffentlichten Diskussionspapier zusammengefasst („addressing the tax challenges of the digitalisation of the economy“). Auf die wichtigsten Punkte aus dem Papier und mögliche Implikationen wollen wir nachfolgend kurz eingehen. Stellungnahmen zu dem OECD Papier sind nun noch bis zum 06.03.2019 möglich.

Im Kern umfasst das OECD Papier zwei Themenkomplexe. Einerseits die Frage, wie Unternehmen außerhalb der bisherigen steuerlichen Anknüpfungspunkte erfasst werden können (Nexus-Ansatz). Der zweite Themenkomplex bezieht sich auf die Mindestbesteuerung ausländischer Einkünfte oder die Beschränkung des Abzugs im Inland bei geringer Besteuerung im Ausland. 

Anknüpfungspunkte der Besteuerung und Gewinnallokation

Im ersten Teil des Papiers werden insbesondere drei Möglichkeiten für angepasste Anknüpfungs- und Einkommenszuordnungsregeln (Nexus-Approach) diskutiert. Im Prinzip soll die Besteuerung

  • an der relevanten Useraktivität (welche den Wert des digitalen Geschäftsmodells schafft),
  • dem Vorhandensein eines lokalen Marketing Intangibles oder
  • der wesentlichen ökonomischen Präsenz (wohl eher ökonomische Bedeutung, da es bei digitalen Geschäftsmodellen gerade an der lokalen Präsenz im klassischen Verständnis mangelt)

anknüpfen.

Die Zuordnung des Gewinns auf die jeweilige Jurisdiktion würde auf Basis eines Residual Profit Splits erfolgen. Aus dem Gesamtgewinn (ggf. über verschiedene Gesellschaften aggregiert) würden zunächst Routine-Aktivitäten vergütet und das Residuum anschließend auf Basis der Useraktivitäten, lokalen Marketing Intangibles oder der ökonomischen Bedeutung verteilt.

Die diskutierten Ansätze stehen im Kontrast zum Fremdvergleichsgrundsatz nach bisherigem Verständnis, bei dem der Gewinn auf Basis der ausgeübten Funktionen, getragenen Risiken und kontrollierten Wirtschaftsgüter verteilt wird und die Besteuerung jeweils dort erfolgt, wo diese Funktionen und Risiken im Wesentlichen ausgeübt oder gesteuert werden (Substanzkriterium). Die von der OECD angedachten Lösungsmöglichkeiten durchbrechen diesen Grundsatz.

Wären die von der OECD diskutierten Lösungsansätze im Sinne von Europa bzw. anderen entwickelten Ökonomien neben den USA? Auf den ersten Blick kann diese Frage mit ja beantwortet werden, würde Europa doch mehr vom Steuersubstrat abbekommen. Jedoch könnte sich der Effekt umkehren, wenn die Perspektive auf andere Länder wie z.B. China und Indien (bzw. allgemein Länder mit lokalen Usern, (unterstellten) lokalen Marketing Intangibles oder wesentlicher ökonomischen Bedeutung für das Geschäft) erweitert wird. Sollten sich die Lösungsansätze durchsetzen, könnte ein Bumerang-Effekt entstehen, der am Ende für so manches entwickelte Land zu weniger Steuersubstrat führt, weil an sich-entwickelnde Länder mehr abgegeben werden muss, als man aus den USA gewinnt.

Würden diese neuen Regeln nur digitale Geschäftsmodelle betreffen oder sich auch auf „klassische“ Geschäftsmodelle auswirken? Diese Frage möchten wir mit einem Beispiel beantworten: Angenommen, Ihr Unternehmen operiert mit einem klassischen Geschäftsmodell und hat den Vertrieb im Ausland über einen LRD (Limited Risk Distributor) organisiert. Die lokale Finanzverwaltung könnte nun auf Sie zukommen und meinen: Sie erhalten Produktreviews von lokalen Kunden, die Kunden sind in unserem Land ansässig und überhaupt sind wir ein wichtiger Markt, lassen sie uns über einen Profit Split sprechen (anstatt der von Ihnen angedachten Routine-Vertriebsvergütung). Das Beispiel zeigt, dass die Logik auch auf nicht-digitale Geschäftsmodelle übertragen werden kann.

Auch wenn die OECD in ihrem Beitrag die Zuordnung der Gewinne auf Basis eines Profit Splits diskutiert, stellt sich die Frage, wie dieser Profit Split ohne konkrete Anhaltspunkte und ohne Fremdvergleichsgrundsatz berechnet werden soll. Insbesondere erscheint uns fraglich, ob die diskutierten Ansätze wirklich von allen (oder zumindest sehr vielen) Finanzverwaltungen mitgetragen werden. Die leidvolle Erfahrung vieler Steuerpflichtiger ist zudem schon heute, dass Regeln im Inbound- und Outboundfall gerne unterschiedlich interpretiert werden. Die Gefahr ist groß, dass sich der Steuerpflichtige am Ende auf ein funktionierendes System von Verständigungsverfahren verlassen muss – welches (zumindest aktuell) in weiten Teilen nicht existiert.

Unseres Erachtens führt die aktuelle Diskussion der OECD zu einer eher willkürlichen Zuordnung von Gewinnen. Eine konsistente Besteuerung ließe sich nur mittels einer Vielzahl von Verständigungsverfahren und dem damit verbundenen Aufwand erzielen. Die Idee, die digitale (und klassische) Wirtschaft auf Basis von schwer greifbaren Anknüpfungspunkten und Zuordnungsmaßstäben zu besteuern, wie sie von der OECD diskutiert wird, sollte nochmals grundlegend über- und neu gedacht werden.

Hinzurechnungsbeteuerung und Abzugsbeschränkungen

Im zweiten Teil des Papiers greift die OECD das Thema Base Erosion und Mindestbesteuerung auf. Insbesondere zwei Lösungsansätze werden diskutiert, die in manchen Ländern bereits implementiert wurden (z.B. GILTI in den USA mit der US-Steuerreform oder die deutsche Lizenzschranke):

  • Hinzurechnungsbesteuerung: Das Einkommen einer ausländischen verbundenen Gesellschaft wird, ohne Ansehen der Frage, ob es aktiver oder passiver Natur ist, dem inländischen Einkommen hinzugerechnet, wenn im Ausland nur niedrig oder gar nicht besteuert wird;
  • Abzugsbeschränkungen: Aufwendungen, welche im Ausland nicht oder nur mit einer niedrigen Steuer besteuert wurden, sind im Inland (teilweise) nicht abzugsfähig.

Mit Blick auf Steuergerechtigkeit erscheinen beide Ansätze plausibel, werden mit ihnen doch sehr aggressive Gestaltungen unwirksam und unattraktiv. Beide Maßnahmen führen jedoch zu einem erhöhten administrativen Aufwand für die Steuerpflichtigen. Im Falle der Hinzurechnungsbeteuerung müssen für alle ausländischen verbundene Gesellschaften Abschlüsse nach Rechnungslegungsstandards des Sitzlandes der Muttergesellschaft erstellt werden. Bei Regelungen zur Abzugsbeschränkung müsste in jedem einzelnen Fall die effektive Besteuerung im Ausland geprüft werden.

Für die Steuerpflichtigen bedeutet dies einen zusätzlichen administrativen Aufwand und somit schlechte Nachrichten. Ferner besteht das Risiko, dass sich mehrere Regime der Hinzurechnungsbesteuerung überlagern und eine Gesellschaft vielfach aufgefasst wird, weil sie in einer Beteiligungsstruktur eingebunden ist, bei der Obergesellschaften in verschiedenen Staaten ansässig sind.

Gleichzeitig können wir davon ausgehen, dass nicht alle Länder eine „GILTI“-Regel einführen werden. Folglich werden Unternehmensgruppen, welche von „GILTI“ betroffen sein werden, über eine Reorganisation in Länder nachdenken, in denen Hinzurechnungsregeln nicht eingeführt werden. Insofern bleibt fraglich, ob das Steueraufkommen durch solche Maßnahmen wirklich steigen wird, wenn Steuerpflichtige ggf. ihre Strukturen anpassen, um auf diese Maßnahmen zu reagieren. Zudem ist die Abzugsbeschränkung in ihrer Wirkung vergleichbar mit einem Zoll. Aus ökonomischer Perspektive erscheint dies ein Rückschritt mit Blick auf den freien Handel weltweit.

Der „fehlende“ Teil

Obwohl das OECD-Papier insbesondere auf Maßnahmen gegen „Base Erosion“ fokussiert, wird das in den USA eingeführte BEAT-Konzept überraschenderweise mit keinem Wort erwähnt. Die BEAT-Steuer rechnet in einer Nebenrechnung Zahlungen an verbundene Unternehmen hinzu und ermittelt mit einem reduzierten Steuersatz auf diese verbreiterte Bemessungsgrundlage eine Mindeststeuer. Diese fehlende Erwähnung sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die OECD – und viel eher noch einzelne Regierungen – in letzter Minute doch einen Schwenk in diese Richtung unternehmen können. Erinnern wir uns: das BEAT-Konzept ist auch erst eine Woche vor Inkrafttreten der US-Steuerreform in den Gesetzgebungsprozess aufgenommen worden.

Das BEAT-Konzept ist für Steuerpflichtige Aufmerksamkeit wert, da es für die Legislative der jeweiligen Länder einfach zu implementieren ist, für die Steuerpflichtigen jedoch effektiv zu Doppelbesteuerung führen kann, welche nur schwer aufzulösen ist. Vor diesem Hintergrund sehen wir das Risiko, dass das BEAT-Konzept für manche Regierungen eine einfache und attraktive Lösung zur Erhöhung der Steuerbasis ist, welche für die lokale Finanzverwaltung zu keinem erhöhten Aufwand in Sachen Verständigungsverfahren führt (da wohl kein Zugang möglich ist) und alle Risiken und Nachteile – insbesondere der Doppelbesteuerung – beim Steuerpflichtigen belässt.

Conclusio

Die von der OECD diskutierten Ansätze zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft im Rahmen eines geänderten Nexus-Ansatzes führen unseres Erachtens zu dem hohen Risiko einer willkürlicheren Zuordnung von Gewinnen. Doppelbesteuerung ließe sich nur mittels einer Vielzahl von Verständigungsverfahren (die aktuell in vielen Fällen nicht erfolgreich durchgeführt werden können) und dem damit verbundenen Aufwand vermeiden. Die Idee, die digitale (und klassische) Wirtschaft auf Basis von schwer greifbaren Anknüpfungspunkten und Zuordnungsmaßstäben zu besteuern, sollte grundlegend über- und neu gedacht werden.

Wir sehen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Ausweitung der Hinzurechnungsbesteuerungsregeln (analog GILTI in den USA) und auch Abzugsbeschränkungen. Auf die Steuerpflichtigen kommt insgesamt ein weiter erhöhter administrativer Aufwand zu. Erstaunlich schweigsam ist die OECD mit Blick auf das BEAT-Konzept, welches jedoch für die Steuerpflichtigen weltweit ein signifikantes Risiko für nichtauflösbare Doppelbesteuerung enthält.

Welche Auswirkungen die im OECD-Papier diskutierten (oder mit Blick auf BEAT nicht diskutierten) Themen auf Ihr Unternehmen – seien Sie im Bereich digitale oder „klassische“ Ökonomie unterwegs – haben können und welche Lösungen für Sie möglich sind, analysieren wir sehr gerne mit Ihnen. Bitte scheuen Sie sich nicht, uns zu diesen Themen direkt per E-Mail oder Telefon anzusprechen.

Fundstelle

OECD, ADDRESSING THE TAX CHALLENGES OF THE DIGITALISATION OF THE ECONOMY 

Ihre Ansprechpartner

Tim Eggebrecht
Manager

teggebrecht@deloitte.de
Tel.: +49 69 75695-6910

Ihre Ansprechpartner

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Manager

teggebrecht@deloitte.de
Tel.: +49 69 75695-6910

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