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18.11.2014
Transfer Pricing

BEPS: Maßnahme 7 - „Verhinderung der künstlichen Vermeidung von Betriebsstätten“

Zur „Verhinderung der künstlichen Vermeidung von Betriebsstätten“ hat die OECD am 31.10.2014 die Maßnahme Nr. 7 veröffentlicht. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Kriterien für Betriebsstätten weiter und klarer zu definieren, um den geänderten Anforderungen im Lichte der digitalisierten Wirtschaft gerecht zu werden. So soll u.a. verhindert werden, dass z.B. über fragwürdige Hilfstätigkeiten oder der Fragmentierung von Geschäftstätigkeiten die Begründung einer Betriebsstätte vermieden oder umgangen werden kann. Der folgende Artikel gibt eine Übersicht über die wesentlichen Themen.

Hintergrund

Im Zuge der Diskussionen zur Verhinderung zur Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung multinationaler Konzerne im Rahmen des BEPS-Projekts wird ein besonderer Schwerpunkt auf Verrechnungspreise gelegt. Damit Besteuerungsgrundlagen mittels Verrechnungspreisen zwischen einzelnen Staaten aufgeteilt werden können, muss den jeweiligen Staaten jedoch zuallererst ein Besteuerungsrecht zugewiesen werden. Sofern ein Unternehmen seine wirtschaftliche Betätigung in einem Staat nicht über eine dort ansässige Gesellschaft ausübt, hat der Staat aber dennoch ein Besteuerungsrecht, sofern das Unternehmen in diesem Staat eine Betriebsstätte begründet. Insofern kommt der Frage, ab wann ein Unternehmen durch seine wirtschaftliche Betätigung in einem Staat eine Betriebsstätte begründet, entscheidende Bedeutung zu. Dieses Thema wird gegenwärtig insbesondere bei ausländischen Unternehmen, die Direktgeschäfte über lokale Homepages abwickeln, kontrovers in der Presse diskutiert.

In diesem Zusammenhang wurde die BEPS Maßnahme Nr. 7 definiert, die sicherstellen soll, dass Unternehmen, die in einem Staat von nicht unerheblicher wirtschaftlich tätig sind, in diesem Staat auch eine Betriebsstätte begründen. Die hierbei in dem am 31. Oktober 2014 veröffentlichen Diskussionsentwurf vorgeschlagenen Änderungen zu Doppelbesteuerungsabkommen betreffen insbesondere die Ausweitung der Begründung von Vertreterbetriebsstätten, die Begrenzung der Ausnahmen für Hilfstätigkeiten, die Vermeidung der Aufspaltung von Bau- und Montageverträgen, geringere Voraussetzungen zur Begründung von Versicherungsbetriebsstätten sowie mögliche Interaktionen mit weiteren Working Groups der OECD.

Historisch gesehen ist diese siebte Maßnahme ein weiterer Punkt in der Reihe der Initiativen zu Betriebsstätten. Während der Fokus der OECD und des deutschen Gesetzgebers seit 2006 auf der Gewinnabgrenzung zu Betriebsstätten lag (Authorized OECD Approach (AOA), Änderungen Art. 7 OECD-Musterabkommen (OECD-MA), national die Änderung des § 1 AStG und im Oktober diesen Jahres die Veröffentlichung der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV)) gab es in den vergangenen Jahren teilweise spektakuläre Gerichtsurteile zur Frage der Begründung von Betriebsstätten. Aus diesem Grund entstand eine OECD-Arbeitsgruppe, die eine einheitliche Auslegung des in den Doppelbesteuerungsabkommen festgelegten Betriebsstättenbegriffs zum Ziel hatte. Die BEPS-Maßnahme Nr. 7 geht hierbei einen Schritt weiter, indem konkrete Änderungen des OECD-Musterabkommens vorgeschlagen werden. Diese Änderungen können jedoch nur implementiert werden, wenn die einzelnen Mitgliedsstaaten die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen entsprechend ändern. Insofern ist im Folgenden zu beachten, dass die dargestellten Maßnahmen aufzeigen, in welche Richtung sich der Betriebsstättenbegriff in den Folgejahren entwickeln wird, eine unmittelbare kurzfristige Umsetzung im nationalen Steuerrecht ist jedoch nicht zu erwarten. Indes ist bereits jetzt davon auszugehen, dass im Rahmen der jetzigen Doppelbesteuerungsabkommen die Position der Staaten, die eine weite Auslegung des Betriebsstättenbegriffs bevorzugen, ganz klar gestärkt wird.
 

Abschnitt A: Künstliche Vermeidung von Betriebsstätten durch Kommissionärsstrukturen bzw. ähnliche Strategien

In einer Kommissionärsstruktur, bei der grundsätzlich eine natürliche oder juristische Person Produkte in einem Land A im eigenen Namen verkauft, jedoch regelmäßig im Auftrag eines Prinzipals in Land B agiert und der Prinzipal das rechtliche Eigentum an den Produkten bis zum Zeitpunkt des Verkaufs innehat, kann der Prinzipal seine Produkte in Land A verkaufen ohne dabei in Land A einkommensteuerbare Einkünfte zu erzielen. Die Kernelemente zur Begründung einer sogenannten Vertreterbetriebsstätte sind in diesem Zusammenhang bis dato Folgende: (i) Der Agent muss Verträge im Namen des Prinzipals abschließen und (ii) der Vertragsabschluss muss rechtlich bindend sein.

Aus Sicht der OECD scheint es klar, dass unterschiedliche Arten von Kommissionärsstrukturen häufig dazu verwendet werden, die steuerliche Bemessungsgrundlage in einem Staat zu minimieren. Aus diesem Grund wurden Änderungen zu Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA vorgeschlagen, die nun zur weiteren Diskussion stehen. Hierzu hat die OECD im aktuellen Diskussionsentwurf vier Optionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten für die Begründung einer so genannten Vertreterbetriebsstätte entworfen.

Auch wenn die tatsächliche Ausgestaltung insofern noch nicht feststeht, so ist allen Optionen gemein, dass allein die fehlende rechtliche/ faktische Bindung des Prinzipals durch den Kommissionär nicht mehr ausreichend sein wird, eine Vertreterbetriebsstätte zu vermeiden. Stattdessen wird mehr auf die praktische Mitwirkung des Kommissionärs abgestellt. Zudem wird die Ausnahmeregelung für unabhängige Kommissionäre/ Vertreter, die im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit handeln ausgeschlossen, sofern diese Unternehmen fast exklusiv nur für ein Unternehmen bzw. nur für verbundene Unternehmen handeln.

Abschnitt B: Künstliche Vermeidung von Betriebsstätten durch Ausnahmeregelungen für bestimmte Aktivitäten

Abschnitt B des Diskussionsentwurfs der Maßnahme 7 befasst sich mit den folgenden beiden Schwerpunkten:

  • Einschränkung des Katalogs der Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten in Art. 5 Abs. 4 OECD-MA, die keine Betriebsstätte begründen und
  • Missbräuchliche Aufsplittung zusammenhängender Geschäftstätigkeiten, um eine Qualifizierung der einzelnen Tätigkeiten als Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten zu erreichen.

Die Einschränkung des Katalogs der Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten ist insbesondere auch im Zusammenhang mit Maßnahme 1 (Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Action 1: 2014 Deliverable) zu sehen. In der am 16. September 2014 vorgelegten Version des Berichts zu Maßnahme 1 führt die OECD aus, dass die Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA, insbesondere Lagerhaltung, im Rahmen der neuen Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft Aktivitäten mit erheblichem Wertschöpfungsbeitrag darstellen können und die Änderung der Ausnahmeregelungen des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA daher in Betracht gezogen werden solle. Hierzu schlägt die OECD eine Reihe von Änderungen des Ausnahmekatalogs vor:

  • Option E: Die OECD schlägt die Implementierung einer Auffangklausel vor, wonach alle in den Unterparagraphen a bis f aufgeführten Tätigkeiten nur dann als Ausnahme von der Begründung einer Betriebsstätte angesehen werden können, wenn diese Tätigkeiten einzeln oder auch zusammen betrachtet vorbereitender Art sind oder Hilfstätigkeiten darstellen.
  • Option F: Option F sieht vor, die „Auslieferung von Gütern oder Waren“ als eine der Ausnahmetätigkeiten in den Unterparagraphen a und b zu streichen. Diese Änderung würde Abs. 4 den entsprechenden Klauseln des UN-Musterabkommens angleichen.
  • Option G bzw. H: Option G betrifft ebenfalls die Streichung einer Ausnahmetätigkeit, und zwar den Einkauf von Gütern oder Waren in Unterparagraph d. Die OECD führt in der Erläuterung hierzu drei Beispiele an, die verdeutlichen sollen, dass Einkaufstätigkeiten in bestimmten Fällen nicht als Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten angesehen werden können. Gem. Option H wäre der Unterparagraph d vollständig zu streichen
  • Option I und J: Diese Optionen sehen vor, einen neuen Paragraphen 4.1 in Art. 5 einzufügen. Eine Betriebsstätte würde bereits dann begründet, wenn ein Unternehmen bzw. verbundene Unternehmen auch Geschäftstätigkeiten in einem Staat ausüben, die zusammengenommen eine Betriebsstätte in diesem Vertragsstaat auslösen würden. Durch diese Regelung möchte die OECD, vermeiden, dass einheitliche Geschäftstätigkeiten aufgespalten werden, um die einzelnen Aktivitäten als Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten klassifizieren zu können.

Abschnitt C: Aufspaltung von Bau- und Montageverträgen

Die dritte Maßnahme des OECD Diskussionsentwurfs behandelt die Aufspaltung von Verträgen mit dem Ziel, die Zwölfmonatsfrist zur Begründung einer Bau- und Montagebetriebsstätte gemäß Art. 5 Abs. 3 OECD-MA zu unterlaufen. Damit will die OECD dem Umstand entgegentreten, dass multinationale Konzerne ihre Verträge zur Bauausführung oder Montagetätigkeit auf mehrere Konzerneinheiten aufteilen, um die Begründung einer Betriebsstätte zu vermeiden. Nicht von der Maßnahme wird die Aufteilung der Gewinne zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte berührt. Zur Bekämpfung des Gestaltungsmissbrauchs werden zwei Alternativen vorgeschlagen (Option K und L):

  • Option K: Diese Option sieht die Ergänzung eines weiteren Absatzes vor, wonach für die Bestimmung der Zwölfmonatsfrist auf die Dauer der Bauausführung und Montage eines Unternehmens eines Vertragsstaats in einem anderen Vertragsstaat die Dauer der Bauausführung und Montage am gleichen Projekt durch verbundene Unternehmen addiert werden. Zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse schlägt die OECD die Aufnahme eines Ausnahmetatbestands vor, der eine Mindestanwesenheitsdauer (z.B. 30 Tage innerhalb von zwölf Monaten) bzw. eine Ausnahme für Fälle, wonach die Umgehung des Art. 5 Abs. 3 OECD-MA nicht einer der Hauptgründe für die Einbeziehung anderer verbundener Unternehmen ist, vorsieht.
  • Option L: Alternativ hierzu beruht diese Option auf der allgemeinen Anti-Missbrauchsregel des Aktionsplans 6 (sog. „Principal Purposes Test“), dessen Kommentierung um einen entsprechenden Beispielsfall ergänzt werden soll. Der „Principal Purposes Test“ besagt, dass die Vorteile des einschlägigen Doppelbesteuerungseinkommens nicht zur Anwendung kommen, wenn vertretbare Gründe dafür vorliegen, dass dieser Vorteil einer der Hauptgründe für die Eingehung einer Vereinbarung oder Transaktion war und als direkte oder indirekte Folge in dem Vorteil resultiert, es sei denn der Eintritt des Vorteils entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens. Eine Änderung des Art. 5 Art. 3 OECD-MA wäre insofern nicht notwendig.

Abschnitt D: Versicherungsbetriebsstätten

Der vierte Themenkomplex des Diskussionsentwurfs beinhaltet zwei Vorschläge, welche speziell auf Versicherungsunternehmen abzielen. Da Filialen ausländischer Versicherungsunternehmen teilweise umfangreiche Geschäftsaktivitäten ausüben ohne nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA („feste Geschäftseinrichtung“) oder Art. 5 Abs. 5 OECD-MA („Vertreterbetriebsstätte“) in dem Staat eine Betriebsstätte zu begründen, werden die aus diesen Geschäftsaktivitäten resultierenden Gewinne in diesem Staat nicht versteuert. Der Diskussionsentwurf begegnet dieser Beobachtung, indem sie geringere Voraussetzungen für die Begründung einer Betriebsstätte im Zusammenhang mit Versicherungsgeschäften ansetzt. Hierzu wurden zwei verschiedene Optionen diskutiert:

  • Option M: Diese Option sieht vor, dass eine Regelung aufgenommen wird, wonach ein Versicherungsunternehmen eine Betriebsstätte im Vertragsstaat begründet, wenn in diesem Staat Prämieneinnahmen kassiert werden oder wenn durch eine andere Person als einen gem. Art. 5 Abs. 6 OECD-MA unabhängigen Vertreter Risiken versichert werden, die in diesem Vertragsstaat liegen. Rückversicherungsaktivitäten werden von dieser Regelung ausgeschlossen. Mit diesem Vorschlag folgt die Arbeitsgruppe Art. 5 Abs. 6 UN-Musterabkommen.
  • Option N: Falls die allgemeinen vorgeschlagenen Änderungen (Optionen A bis D) durchgesetzt werden, sollten keine darüberhinausgehenden Änderungen zu Versicherungsbetriebsstätten notwendig sein. Insbesondere im Hinblick auf die Behandlung von Rückversicherungen sieht die Working Group jedoch noch Diskussionsbedarf.

Die OECD erkennt zudem an, dass das Überdenken der Betriebsstättenschwelle zur Verhinderung von BEPS nicht in denjenigen Fällen greift, in denen dies durch die Vergütung von Risiken durch die Zahlung von (Rück-)Versicherungsprämien an eine verbundenen Gesellschaft ohne Funktionsausübung geschieht. Daher erachtet die OECD es als angebracht, die Gewinne der lokalen Gesellschaft, von welcher die Risikovergütung gezahlt wird, durch andere Maßnahmen anzupassen, z.B. durch Verrechnungspreise oder durch „besondere Maßnahmen“ („special measures“), wie beispielsweise der Abzugsfähigkeit von gezahlten Versicherungsprämien verbundener Unternehmen.

Abschnitt E: Ausblick

Hinsichtlich der Gewinnabgrenzung von Betriebsstätten wird gegenwärtig keine Notwendigkeit gesehen die Zuordnungsregelungen für Betriebsstätten im Wesentlichen zu ändern, wenn die entsprechenden Änderungen bezüglich der Definition von Betriebsstätten Eingang in das OECD-MA finden. Somit verliert der AOA mit dem Grundgedanken der fiktiven Selbstständigkeit und der Vergütung gemäß dem Fremdvergleichsgrundsatz weiterhin nicht an Aktualität.

Zu beachten ist, dass die Arbeiten zu Maßnahme 7 eng verknüpft sind mit den Maßnahmen 4 (Finanzierungsaufwendungen), Maßnahme 8 (Immaterielle Wirtschaftsgüter) und Maßnahme 9 (Risiko und Kapital). Insbesondere die Arbeiten zu Maßnahme 9 werden möglichweise zu einem nochmaligen Überdenken einiger Aspekte in Bezug auf den Status von Betriebsstätten erfordern.

Fundstelle

OECD, Public Discussion Draft,  BEPS ACTION 7: PREVENTING THE ARTIFICIAL AVOIDANCE OF PE STATUS

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