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19.04.2018
Transfer Pricing

Risiko der Begründung von inländischen Dienstleistungsbetriebsstätten in Indien

 Das Risiko der Begründung von Dienstleistungsbetriebsstätten in Indien erhöht sich, wenn entsandte Mitarbeiter einer ausländischen verbundenen Gesellschaft aktiv in das operative Geschäft der lokalen indischen Gesellschaft eingreifen und bei der Erzielung von Umsätzen mitwirken. Dieses Risiko kann eingeschränkt werden, wenn die entsandten Mitarbeiter ausschließlich Überwachungs- und Kontrolltätigkeiten für das ausländische verbundene Unternehmen durchführen.

Einleitung

Das Thema Verrechnungspreise stellt multinationale Konzerne in Indien regelmäßig vor neue Herausforderungen. Die indische Finanzverwaltung ist bekannt für ihre teils von den OECD-Richtlinien abweichende Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes, was in der Folge zu einer unterschiedlichen Interpretation hinsichtlich der Behandlung von konzerninternen Transaktionen führt und regelmäßig in internationalen Besteuerungskonflikten resultiert. Dies spiegelt sich auch in der Ansicht der indischen Finanzverwaltung zur Begründung von Dienstleistungsbetriebsstätten in Indien wieder.

In Indien herrscht die Auffassung, dass Mitarbeiterentsendungen durch eine ausländische verbundene Gesellschaft an eine lokale indische Gesellschaft und die damit einhergehenden Aktivitäten durch das entsendete Personal vor Ort, zur Begründung einer Dienstleistungsbetriebsstätte in Indien führen können. Der indische Supreme Court hat mit einer Entscheidung vom 24. Oktober 2017 (vgl. Assistant Director of Income Tax vs. M/s E-Funds IT Solution Inc.) zu dem Risiko der Begründung von Dienstleistungsbetriebsstätten in Indien Stellung genommen. Die Rechtsauffassung des indischen Supreme Court ist insbesondere für Unternehmen von Bedeutung, welche entweder bereits einzelne Dienstleistungsbereiche an verbundene indische Gesellschaften ausgelagert haben oder dies für die Zukunft geplant haben.

Hintergrund und Ansicht der indischen Finanzverwaltung

 Indien ist bekannt für seine gut ausgebildeten Fachkräfte und gleichzeitig relativ niedrigen Personalkosten. So liegt es nahe, dass ausländische Gesellschaften ein erhöhtes Interesse an der Auslagerung verschiedenster Dienstleistungsbereiche wie bspw. Auftragsforschung, Auftragsfertigung oder IT-Dienstleistungen haben. Die Auslagerung der Dienstleistungsbereiche durch multinationale Unternehmen erfolgt hierbei oftmals auf konzernverbundene indische Tochtergesellschaften. Hierbei werden häufig Mitarbeiter der ausländischen Konzernmutter an die Dienstleistungsgesellschaft in Indien entsendet. Durch die Entsendung von qualifizierten Mitarbeitern sollen die Qualitätsstandards für die genannten Dienstleistungsbereiche eingehalten werden. Im Rahmen dieser Mitarbeiterentsendungen besteht jedoch das Risiko der Begründung einer Dienstleistungsbetriebsstätte und der daraus resultierenden beschränkten Steuerpflicht in Indien für die ausländische Konzernmutter, was schließlich eine Doppelbesteuerung zur Folge hätte.

Generell wird die Besteuerung von ausländischen Unternehmen in Indien durch das Einkommenssteuergesetz (Income Tax Act – ITA) geregelt. Prinzipiell setzt Indien für die Begründung einer Betriebsstätte nach nationalem Recht nicht zwingend das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung voraus. Vielmehr wird die Existenz einer Betriebsstätte durch bestimmte Tätigkeiten ausländischer Unternehmen, wie z.B. in Form einer Dienstleistungsbetriebsstätte, angenommen.

Diese Besonderheit wird im Folgenden anhand des genannten Urteiles näher erläutert. Im vorliegenden Fall, über den der indische Supreme Court entschieden hat, erbrachte eine lokale Kapitalgesellschaft (Sitz und Geschäftsleitung in Indien) vertraglich vereinbarte Dienstleistungen an verbundene ausländische Kapitalgesellschaften (Sitz und Geschäftsleitung in den USA). Die vertraglich vereinbarten Dienstleistungen zwischen den Gesellschaften umfassten Unterstützungsdienstleistungen bzgl. der Entwicklung von Bankautomaten, der Entwicklung einer Kundensoftware für elektronische Zahlungsprozesse und der Entwicklung von Risikomanagementsystemen. Für den Zeitraum 2005 bis 2006 wurden zudem Mitarbeiter der US-amerikanischen Gesellschaften an die indische Gesellschaft entsendet, deren Hauptaufgabe darin bestand, die Entwicklung der Geschäftstätigkeit der indischen Tochtergesellschaft zu überprüfen.

In Folge der Mitarbeiterentsendung an die indische Gesellschaft vertrat die indische Finanzverwaltung die Auffassung, dass die US-Gesellschaften in Indien eine Dienstleistungsbetriebsstätte begründet haben und folglich beschränkt steuerpflichtig in Indien sind. Die der Betriebsstätte zugeordneten steuerpflichtigen Gewinne müssten folglich getrennt von den durch die indische Gesellschaft selbst erwirtschafteten Gewinnen ermittelt und der Besteuerung unterworfen werden. 

Die US-amerikanischen Gesellschaften hatten gegen die Steuerbescheide Klage am Delhi High Court eingereicht, welcher daraufhin stattgegeben wurde. In Folge einer Revision durch die indische Finanzverwaltung wurde dieser Fall dem indischen Supreme Court vorgelegt.

Im vorliegenden Fall bezog sich der indische Supreme Court in seiner Rechtsauffassung hinsichtlich der Begründung einer Betriebsstätte auf das DBA zwischen den USA und Indien, welches im Wesentlichen dem OECD-Musterabkommen (OECD-MA) entspricht, aber in Bezug auf die Regelung zur Betriebsstättenbegründung in Artikel 5 abweicht. Artikel 5 Abs. 2 des DBA USA-Indien regelt die Begründung von Dienstleistungsbetriebsstätten im Sinne des Artikel 5 des UN-Musterabkommens (UN-MA).

Der indische Supreme Court erklärte im Rahmen des Urteils, dass Art. 5 Abs. 2 des DBA USA-Indien nicht anwendbar sei (somit keine Dienstleistungsbetriebsstätte begründet wäre), wenn die ausländische Konzernmutter für einen gewissen Zeitraum eigene Mitarbeiter an die lokale indische Tochtergesellschaft entsendet, welche vor Ort ausschließlich Überwachungstätigkeiten ausüben, da diese Tätigkeiten lediglich der Einhaltung bzw. Qualitätskontrolle der konzerninternen Standards dienen.

Der indische Supreme Court stellte klar, dass in diesem Zusammenhang die entsendeten Mitarbeiter nicht in das Tagesgeschäft der indischen Tochtergesellschaft eingebunden werden dürfen und somit nicht an der Generierung von Umsätzen beteiligt sein dürfen. Da im vorliegenden Fall die entsendeten Mitarbeiter weder in das operative Tagesgeschäft der indischen Tochtergesellschaft eingebunden waren noch an der Generierung von Umsätzen beteiligt waren, wurde nach Auffassung des indischen Supreme Court keine Dienstleistungsbetriebsstätte in Indien begründet.

Verrechnungspreise in Indien

Die Verrechnungspreisgestaltung in Indien ist für ausländische Konzerne mit erheblichen Herausforderungen und Risiken verbunden, da Indien kein Mitgliedsstaat der OECD ist und folglich nicht dem OECD-MA folgt. Indien als einer der sogenannten BRIC-Staaten orientiert sich vornehmlich am UN-MA, welches zwar auf das OECD-MA basiert, sich aber in einigen Punkten vom OECD-MA unterscheidet und im Gegensatz zum OECD-MA auf die Interessen von Schwellenländern ausgerichtet ist.

Die indische Finanzverwaltung tendiert im Vergleich zu den OECD-Standards zu einer eigenen Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Dies führt entsprechend zu einer abweichenden Behandlung von konzerninternen Leistungsbeziehungen auf indischer Seite, was nicht selten zu Besteuerungskonflikten für ausländische Konzerne führt. In einigen Bereichen wie bspw. den „Location Savings“ oder den „Marketing Intangibles“ (siehe DeloitteTax-News) zeigt die indische Finanzverwaltung eine recht besondere Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes.

Hintergrund aus OECD Sicht – DBA Indien-Deutschland

Die indische Sichtweise hinsichtlich der Begründung von Betriebsstätten unterscheidet sich im Punkt der Begründung von Dienstleistungsbetriebsstätten im Wesentlichen von der deutschen sowie der OECD Sichtweise.

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Indien folgt dem OECD-MA und definiert in Art. 5 (1) eine Betriebsstätte als feste Geschäftseinrichtung, durch welche die Geschäftstätigkeit (ganz oder teilweise) ausgeführt wird. Im Gegensatz zum beschriebenen DBA USA-Indien, welches auf dem UN-MA basiert, enthält das DBA Deutschland-Indien keine entsprechende Regelung zur Begründung einer Dienstleistungsbetriebstätte.

Auswirkungen auf deutsche Unternehmensgruppen

Der indische Supreme Court stellt mit dem Urteil vom 24. Oktober 2017 klar, dass eine Begründung von lokalen Dienstleistungsbetriebsstätten in Indien nur dann vorliegt, wenn entsandte Mitarbeiter eines ausländischen verbundenen Unternehmens an der operativen Tätigkeit der indischen Gesellschaft und somit an der Generierung von Umsätze mitwirken, welche diesen direkt zugeordnet werden können. Die Erbringung von Überwachungs- und Qualitätskontrolltätigkeiten der entsandten Mitarbeiter des ausländischen verbundenen Unternehmens reicht folglich nicht aus, um eine Dienstleistungsbetriebsstätte in Indien zu begründen. Das Urteil des indischen Supreme Court bestätigt zwar grundsätzlich das entgegen den OECD Standards in Indien vorherrschende Konstrukt der Dienstleistungsbetriebsstätte, präzisiert aber auch gleichzeitig die seitens der indischen Finanzverwaltung weit ausgelegte Interpretation des DBA USA-Indien hinsichtlich der Begründung von Dienstleistungsbetriebsstätten.

Für deutsche Unternehmen mit entsprechender Geschäftstätigkeit in Indien ist somit besonders wichtig, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Form von Entsendungen durchdacht auszugestalten, um das Risiko von Besteuerungskonflikten zu reduzieren. Zur Einschränkung des Interpretationsspielraums der indischen Finanzverwaltung, sollten prinzipiell immer schriftliche Vereinbarungen getroffen werden. Bei der Ausgestaltung dieser Vereinbarung sollten insbesondere die Rollen und Aufgaben der entsendeten Mitarbeiter klar und eindeutig definiert werden, um so Ansprüche resultierend aus einer potenziellen Mitwirkung an der operativen Tätigkeit und entsprechender Generierung von Umsätzen auszuschließen. Die entsendeten Mitarbeiter sollten somit ausschließlich Überwachungs- und Qualitätskontrolltätigkeiten für das ausländische verbundene Unternehmen ausüben.

Das DBA Deutschland-Indien bietet zwar grundsätzlich die Möglichkeit, Besteuerungskonflikte mit Hilfe des DBAs zu beseitigen, dennoch ist zu empfehlen, den Standpunkt der indischen Finanzverwaltung bezüglich der Ausgestaltung von entsprechenden Leistungsbeziehungen bereits im Vorfeld zu berücksichtigen, um so die Wahrscheinlichkeit eines Aufgriffs im Sinne der nationalen, indischen Vorschriften zu reduzieren und mögliche Auseinandersetzungen in einer indischen Betriebsprüfung zu vermeiden. Die Möglichkeiten der Finanzgerichtsbarkeit sind zwar in Indien gegeben, jedoch aufgrund der erfahrungsgemäß langen Prozessdauer nicht immer zielführend.

Außerdem sollte ein möglicher DBA-Schutz nicht als Grundlage für unternehmerische Entscheidungen auf dem indischen Markt vorausgesetzt werden. Die bereits erwähnte eigene (von den OECD Standards abweichende) Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes in Indien könnte eine mögliche Einigung zwischen Deutschland und Indien auf abkommensrechtlicher Ebene zusätzlich erschweren.

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