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28.09.2018
Transfer Pricing

Veränderung von Verrechnungspreissystemen in der Automobilindustrie durch die Digitalisierung

Aktuelle Trends in der Automobilindustrie sowie deren Einflussnahme auf Geschäfts- und Verrechnungspreismodelle. Welche Auswirkungen haben dies Trends auf die Wertschöpfungsketten.

Hintergrund

Die Geschichte des Automobils verändert seit über 100 Jahren die Gesellschaft und hat fortwährend entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaft. Derzeit steht die Automobilbranche wohl vor ihrem größten Umbruch seit dem der Pionier Carl Friedrich Benz im Jahre 1887 zum ersten Mal mit der Herstellung eines Automobils in Serie ging. Der nachfolgende Artikel soll einen Überblick über aktuelle Trends in der Automobilindustrie sowie deren Einflussnahme auf Geschäfts- und Verrechnungspreismodelle geben.

Aktuelle Trends

Aktuelle Trends und disruptive Technologien wie autonomes Fahren, digitale Vernetzung, alternative Antriebstechnologien und Ride-Sharing führen zu einer signifikanten Transformation des Marktumfeldes.

Die Geschäftsmodelle von traditionellen Automobilunternehmen stehen vor nennenswerten Herausforderungen. Einige entscheidungsrelevante Beispiele mit Einfluss auf die bestehenden Geschäftsmodelle seien nachfolgend aufgezählt:

  1. Für die Zukunft des autonomen Fahrens bieten insbesondere China und Indien potentiell interessante und absatzstarke Märkte.
  2. Darüber hinaus wird die Nachfrage nach alternativen Antriebstechnologien in Zukunft weiter ansteigen.
  3. Zudem bietet der Bereich des vernetzten Fahrens ein erfolgsversprechendes Geschäftsfeld.

Die Weiterentwicklung der Wertschöpfungskette sowie die regionale Diversifizierung von Betriebsstandorten und Kompetenzbereichen führen zu einer immer höheren Relevanz und gestiegenen Anforderungen an das Verrechnungspreissystem eines Automobilunternehmens.

Veränderung von Wertschöpfungsketten und Adaption von Geschäftsmodellen

Die Wertschöpfungsketten von traditionellen Automobilunternehmen werden sich in den kommenden Jahren wandeln und die Weichen für den zukünftigen Unternehmenswert stellen. Bislang setzte sich die Wertschöpfung eines traditionellen Automobilherstellers überwiegend aus Produktion, technikbasierter F&E, Verkauf von Fahrzeugen und After Sales Leistungen sowie Finanzdienstleistungen zusammen.

Zukünftig werden sich diese traditionellen Wertschöpfungsfelder verändern und sich in verschiedenen Geschäftsmodellen niederschlagen. Diese umfassen zum Einen die Herstellung von White-Label Produkten (mechanische Komponenten) und zum Anderen das Daten-und Mobilitätsmanagement. Die Herausforderung für die Automobilhersteller ist es, die Brücke zwischen beiden Geschäftsmodellen, nämlich der Verwertung aktueller Technologie und der zukünftigen Vision von Mobilitätsdienstleistungen, zu schlagen.

Zur Sicherung ihres Marktanteils werden bestehende Automobilhersteller hohe Investitionen tätigen müssen. Firmeninternes R&D wird durch die Digitalisierung zunehmend komplexer und teurer werden. Umfassende Investitionen sichern, dass sich traditionelle Automobilbauer nicht zum ausschließlichen Bereitsteller der mechanischen Komponenten, sondern zum Produzenten von innovativen Mobilitätslösungen entwickeln und damit ihre führende Marktstellung behaupten können.

Der traditionelle vertikale Produktionsprozess transformiert sich zunehmend zu einem Prozess horizontaler Integration, welcher die Entwicklung und Produktion von innovativen Systemen einbezieht. Aktuelle Produktionsstandorte müssen überdacht und falls nötig verlagert werden. Zudem ermöglicht die Digitalisierung die Verringerung lokaler Funktionen. Der Wertschöpfungsbeitrag der einzelnen Betriebsstandorte wird sich durch die Digitalisierung signifikant verändern. Folglich kommt es aus steuertechnischer Sicht im Bereich der Verrechnungspreise zu hohen Unsicherheiten und großem Konfliktpotential.

Die Digitalisierung bietet eine große Chance für die Automobilindustrie. Vernetzte Mobilitätsysteme generieren stetig größere Menge an kundenspezifischen Daten. Dabei erzeugt ein intelligentes Fahrzeug nicht nur eigene Daten, sondern empfängt auch Daten von anderen Verkehrsteilnehmern. Durch die Auswertung dieser Daten entstehen neue Geschäftsfelder und Gewinnmöglichkeiten. Zudem werden Umsätze aus der Bereitstellung von Software bezogenen Dienstleistungen erzielt, zum Beispiel die Freischaltung von fahrzeuginternen Softwareanwendungen. Im Konzern stellt sich die Frage, wohin die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit über das neue digitale Geschäftsfeld hinfällt, bzw. von welcher Unternehmenseinheit die entstehenden Daten gesammelt werden und insbesondere welche Unternehmenseinheit sich den monetären Nutzen der Daten zusprechen darf.

Früher konnte der erzielte Gewinn eines verkauften Autos durch die stringente Wertschöpfungskette einer bestimmten Konzerneinheit eindeutig zugeordnet werden. Zukünftig werden Automobilunternehmen durch das Angebot an Service-Offerings auch nach dem Kauf des Autos nennenswerte Gewinne erzielen. Es stellt sich die Frage, ob und in welcher Form Routinegesellschaften zur Generierung dieser zusätzlichen Gewinne beitragen oder die Gewinne vollständig dem Entrepreneur zugesprochen werden. Im ersten Fall würde die Routinegesellschaft über ihre Funktion hinaus agieren. Zwangsläufig werden die potentiellen Veränderungen der Wertschöpfungsbeiträge zu verstärktem Co-Entrepreneurship von verschiedenen Konzerneinheiten führen, da sich die Funktionen verflechten.

Einfluss auf Verrechnungspreismodelle

Moderne Technologien erhöhen die Integrität der einzelnen Funktionsträger im Konzern. Die Zuordnung der Gewinne auf einzelne Funktionseinheiten wird zunehmend schwieriger. Es ist nicht immer klar abgrenzbar, wer welche Wertschöpfungsbeiträge wann geleistet hat. So bewegt sich die Konzernstruktur von einem alleinstehenden zentralen Prinzipal und untergeordneten ausführenden Routineeinheiten zu einem sogenannten „Hybridunternehmen“ bestehend aus einer komplexen Verflechtung von Co-Entrepreneuren mit unterschiedlich komplexen Funktions- und Risikoprofilen.

Durch den Wandel der klassischen Wertschöpfungskette kommt es zu einem Anstieg der Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Unternehmenseinheiten. Die Anzahl an Transaktionen zwischen dem Headquarter und den einzelnen Funktionseinheiten steigt an. Dies betrifft insbesondere Transaktionen im Zusammenhang mit Intellectual Property.

Infolgedessen steigen die Anforderungen an das Verrechnungspreissystem. Dies betrifft sowohl Fragen bezüglich des operativen Verrechnungspreismanagements als auch der Verteidigung in Betriebsprüfungen inklusive zugehöriger Dokumentation. Durch die wachsende Anzahl an Transaktionen bedarf es einer genauen Segmentierung und Zuordnung der Wertschöpfung auf die einzelnen Funktionen.

Hochintegrierte Wertschöpfungsketten mit speziellen Wertbeiträgen stellen die Fremdvergleichsprüfung vor immer größere Herausforderungen, da die Vergleichbarkeit der Transaktionen gegenüber fremden Dritten aufgrund der einzigartigen Gewinnkomponenten zunehmend eingeschränkt ist. Folglich wird die Digitalisierung nach Veränderungen der traditionellen Verrechnungspreismethoden verlangen. Die stark untereinander vernetzten Konzernaktivitäten fordern eine flexible Intellectual Property Bewertung, wie beispielsweise mittels Profit-Split Methode. Demgegenüber verlieren die klassischen Standardmethoden an Relevanz.

Wichtig ist dabei nicht nur die statische Definition eines Verrechnungspreismodells, sondern auch die Untermauerung mit operativer Substanz. Funktions- und Risikoprofile, insbesondere in Bezug auf Intellectual Porperty, werden zunehmend durch Finanzverwaltungen im In- und Ausland auf ihre wirtschaftliche Substanz hinterfragt. Neben der operativen Ebene wird sich auch die administrative Ebene wandeln. Während beispielsweise „Price Setting“ in der Vergangenheit oftmals eine theoretische Abhandlung in der Verrechnungspreisdokumentation darstellte, ist zunehmend ein Umdenken in den Unternehmen erkennbar, da unterjährig unangemessene Verrechnungspreise gleichermaßen Auswirkungen auf die indirekten Steuern, und Zölle und auf die Unternehmenssteuerung haben können, insbesondere, wenn Unternehmen für Managementincentivierungszwecke in einem Einkreissystem arbeiten.

Neben veränderlichen Complianceanforderungen bleibt eine Frage immer im Zentrum der planerischen Überlegungen und der Verteidigung in Betriebsprüfungen, nämlich die Zuordnung von digital generierten Unternehmensgewinnen auf Unternehmensorgane. Die intensive aktuelle Diskussion innerhalb der OECD im Hinblick auf die zukünftige Besteuerung von digitalen Geschäftsmodellen, insbesondere bezüglich der Interpretation des Nexus-Ansatzes und der Gewinnaufteilungsregel, unterstreicht die Bedeutung. Dabei besagt der Nexus Ansatz, dass Unternehmensgewinne ausschließlich im Wohnsitzstaat versteuert werden, es sei denn, das Unternehmen führt in einem anderen Staat Geschäfte durch eine dortige Betriebsstätte. Die Digitalisierung könnte die steuertechnische Effektivität der bestehenden Regeln einschränken, da die Wertschöpfung im digitalen Sektor immer weniger von der physischen Anwesenheit einer Betriebsstätte abhängt. Diese Problematik spielt zum Beispiel durch die Vernetzung der Mobilität eine stetig relevantere Rolle in der Automobilindustrie. Wenn beispielsweise im Rahmen von Dienstleistungen kundenspezifische Daten generiert und gespeichert werden, stellt sich die Frage, wo und ab wann letztendlich eine steuerbare Wertschöpfung vorliegt. Genauer genommen, ob die alleinige Erhebung der Daten schon mit einer Wertgenerierung einhergeht oder erst die Datenanalyse, welche sich wiederum an einem beliebigen mitunter ausländischen Ort befinden kann.

Fazit

Der Umbruch in der Automobilbranche ist in vollem Gange. Erkennbar ist ein Auseinanderdriften zwischen Tempo und Zielrichtung der betriebswirtschaftlichen Anforderungen der Marktteilnehmer und der Erwartungshaltung der Regulatorik. Als Lösungsansatz für die zukünftige Besteuerung digital generierter Gewinne wird seitens der OECD die Einführung einer steuerpflichtigen digitalen Betriebsstätte mit eindeutiger Gewinnzuweisung diskutiert. Die EU sieht die Definition einer Betriebsstätte mit signifikanter digitaler Präsenz als langfristigen Lösungsansatz, um bestehende Doppelbesteuerungsabkommen zu reformieren. Dennoch sind neben allen Überlegungen zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle auch altbewährte Besteuerungsprinzipien nicht zu vernachlässigen. Das Risiko aufgrund von Marktkonsolidierungsmaßnahmen oder Aufspaltungen von Geschäftsmodellen in Funktionsverlagerungsdiskussionen zu kommen ist größer denn je.

Fundstellen

Global Automotive Consumer Study 2017. Deloitte 2017.

The Future of the Automotive Value Chain. 2025 and beyond. Deloitte 2017.

The Future of the Automotive Value Chain. Supplier Industry Outlook 2025. Deloitte 2017. 

Disruption von Verrechnungspreissystemen – Veränderungsprozesse ausgelöst durch die digitale Entwicklung. erschienen in Verrechnungspreise und Außensteuerrecht. Jobst Wilmanns. S.212. C.H. Beck. 2018.

Tax Challenges of Digitalisation. Comments Received on the Requests for Input – Part II S. 309. OECD. 2017.

Tax Challenges Arising from Digitalisation - Interim Report 2018. OECD/G20 Base Erosion Profit Shifting Project 2018.

Ihre Ansprechpartner

Stephan Habisch
Director

shabisch@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-3261

Andreas Göttert
Manager

agoettert@deloitte.de
Tel.: +49 89 290366986

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