Verrechnungspreise zwischen Deutschland und Spanien: Eindrücke vom bilateralen IFA-Meeting in Madrid
Deutschland und Spanien unterhalten eine enge wirtschaftliche Beziehung und sind wichtige Handelspartner. Allein 2024 bewegten sich Waren im Wert von über 92 Milliarden Euro zwischen den beiden Ländern. Die letzte Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens („DBA“) in 2011 unterstreicht, wie wesentlich Steuerfragen für diese Partnerschaft sind.
Vor dem Hintergrund der engen wirtschaftlichen Beziehungen hat die IFA zu einer bilateralen Veranstaltung nach Madrid geladen. Unternehmensvertreter und Teilnehmer von Bundes- und Länderfinanzverwaltungen aus Deutschland und Spanien haben aktuelle Praxisthemen und Rechtsentwicklungen diskutiert. Wir fassen die wesentlichen Punkte aus Verrechnungspreissicht zusammen.
1. Ein kurzer Rückblick
Das derzeitige DBA wurde 1996 erstmalig geschlossen und 2011 aktualisiert. Mit geplanten Anpassungen ab 2025 durch das BEPS-Multilaterale Instrument („MLI“) hat sich das Steuerumfeld weiterentwickelt: beispielsweise bei Zinserträgen, Lizenzgebühren (Artikel 11 und 12) und Fragen zu Betriebsstätten („PE“).
Das BEPS MLI modernisiert das DBA 2011 und bringt folgende zentrale Änderungen mit sich:
- Missbrauchsvermeidung: Einführung eines „Principal Purpose Test“ (PPT). Der PPT soll verhindern, dass Steuervergünstigungen aus dem DBA gewährt werden, wenn eine Gestaltung oder Transaktion hauptsächlich darauf abzielt, diese Vorteile zu erlangen, ohne dem eigentlichen Zweck des Abkommens zu entsprechen.
- Betriebsstätten: Die Befreiung von einer Betriebsstätte setzt immer voraus, dass zuvor eine vorbereitende oder unterstützende Tätigkeit erfolgt ist.
- Drittstaaten-Betriebsstätten: Keine Abkommensvorteile bei niedrig besteuerten passiven Einkünften über Drittstaaten-Betriebsstätten.
- Dividenden & Beteiligungen: Strengere Anforderungen an Beteiligungshöhe und -dauer für Quellensteuervergünstigungen.
- Streitbeilegung: Einführung eines verpflichtenden Schiedsverfahrens bei Doppelbesteuerungskonflikten.
Die Anwendung des BEPS MLI auf das DBA zwischen Deutschland und Spanien erfolgt ab dem 01. Januar 2025.
2. MAP und APAs als praktische Lösung für Steuerkonflikte
Die zunehmenden Herausforderungen bei der Auslegung und Anwendung von DBA-Regeln führen häufig zu Diskussionen zwischen den zuständigen Steuerbehörden. Hier kommen Verständigungsverfahren („MAPs“) und Vorabverständigungsverfahren („APAs“) ins Spiel.
MAPs bieten Steuerpflichtigen die Möglichkeit, internationale Steuerkonflikte zu lösen. Deutschland ist mit ca. 700 ausgetragenen Fällen weltweit pro Jahr ein Vorreiter in der Anwendung dieser Verfahren.
Dem Steuerpflichtigen stehen verschiedene Möglichkeiten offen ein MAP einzuleiten: Das DBA, die EU DBA Streitbeilegungsrichtlinien und die EU-Schiedskonvention. Die Anwendung dieser drei Anspruchsgrundlagen richtet sich nach dem jeweiligen Sachverhalt. Der Steuerpflichtige hat hierbei die freie Auswahl. Allerdings unterscheiden sich die Anspruchsgrundlagen hinsichtlich Fristen und Schiedsregelungen, sodass diese in der Anwendung einzeln geprüft werden müssen. Beispielsweise sieht das DBA zwischen Deutschland und Spanien (für Fälle vor 2025) – im Gegensatz zu den anderen Anspruchsgrundlagen – zwar die Einleitung eines Verständigungsverfahrens vor, nicht jedoch eines Schiedsverfahrens, falls ersteres zu keiner Einigung führt. Es wurde das Bestreben beider Länder unterstrichen, in diesen Verfahren zu einer Einigung zu gelangen, was in der Vergangenheit auch gut funktionierte.
Die Empfehlungen der Steuerbehörden für die Steuerpflichtigen war, die Ergebnisse der durchgeführten MAPs für die Zukunft zu berücksichtigen, auch wenn keine Bindungswirkung besteht. Diese kann nur ein APA schaffen. Für multinationale Unternehmen bieten APAs den Vorteil, Rechtsunsicherheiten zu vermeiden und Planungssicherheit für internationale Geschäftsentscheidungen zu schaffen.
3. Prüfungszusammenarbeit (Joint Audit) zwischen deutschen und spanischen Behörden
Grenzüberschreitende Prüfungszusammenarbeit ist ein wirksames Mittel zur Vermeidung von Doppelbesteuerung. Das Merkblatt vom 15. Mai 2025 des Bundeszentralamts für Steuern betont das Ziel einer Einigung in solchen Verfahren und ruft die Finanzverwaltung dazu auf, gemeinsame oder gleichzeitige Prüfungen einzuleiten, wenn dadurch doppelte (Nicht-)Besteuerung vermieden werden kann. Bisher wird von diesem Mittel der Zusammenarbeit nur selten Gebrauch genommen.
Sowohl Deutschland als auch Spanien zeigen jedoch großes Interesse an einer häufigeren Zusammenarbeit. Ein zentraler Vorteil liegt im gemeinsam erarbeiteten Sachverhaltsverständnis, ohne dass eine Seite ihre Position aufgeben muss. Auch unternehmensseitig wurde betont, dass Einigungen, die von mehreren Finanzverwaltungen erarbeitet und anerkannt wurden, erstrebenswert sind.
Grenzüberschreitende Prüfungszusammenarbeit kann vom Steuerpflichtigen allerdings lediglich vorgeschlagen werden, es besteht kein Anspruch hierauf. Ihre Seltenheit liegt unter anderem an den hohen sprachlichen und fachlichen Anforderungen an die Prüfer. Auch die steuerliche Relevanz der geprüften Sachverhalte spielt eine entscheidende Rolle, ob ein kollaboratives Verfahren eingeleitet wird.
4. Steuerliche Ansässigkeit in Deutschland vs. Spanien
Gerade Spanien ist für viele Deutsche ein Ziel für mobile working. In Spanien gilt eine Person als steuerlich ansässig, wenn sie sich mehr als 183 Tage im Kalenderjahr dort aufhält oder ihr wirtschaftlicher Mittelpunkt (z. B. Familie) dort liegt (quantitativer Ansatz). In Deutschland hingegen zählt der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt (qualitativer Ansatz).
Diese unterschiedlichen Definitionen führen bei hochmobilen Personen oder internationalen Führungskräften oft zu Doppelansässigkeit und Doppelbesteuerung, da nationale Regeln Interpretationsspielraum beinhalten. Besonders problematisch wird es bei Homeoffice, PEs und sich daraus ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen, welche hohe administrative Lasten verursachen.
Falls eine Doppelansässigkeit vorliegt, hilft die Tie-Breaker-Regel des Art. 4 (2) des spanisch-deutschen DBAs, wonach das Besteuerungsrecht in mehreren Stufen geprüft wird:
- Ständige Wohnstätte: Zuerst wird geprüft, in welchem Staat die Person über eine ständige Wohnstätte verfügt. Diese muss dauerhaft zur Verfügung stehen und darf nicht nur gelegentlich genutzt werden.
- Mittelpunkt der Lebensinteressen: Besteht in beiden Staaten eine ständige Wohnstätte, wird ermittelt, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt – also wo die engeren persönlichen (z. B. Familie, soziales Umfeld) und wirtschaftlichen (z. B. Arbeitsort, Vermögen) Beziehungen bestehen.
- Gewöhnlicher Aufenthalt: Ist auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht eindeutig feststellbar, wird auf den gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt – also wo sich die Person regelmäßig aufhält.
- Staatsangehörigkeit: Besteht auch in beiden Staaten ein gewöhnlicher Aufenthalt oder in keinem, entscheidet die Staatsangehörigkeit.
- Einvernehmen der Behörden: Ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines, müssen die zuständigen Behörden beider Länder im gegenseitigen Einvernehmen entscheiden.
Mit Blick auf die Schwierigkeiten der steuerlichen Lösung für mobiles Arbeiten haben Vertreter der deutschen Finanzverwaltung eingeräumt, dass auch wenn zur individuellen steuerlichen Ansässigkeit umfassend diskutiert werden kann, der Prüfungsfokus vielmehr auf dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung liegt. Dieser kann an einzelne Mitarbeiter in Schlüsselpositionen gekoppelt sein, welche hierdurch ins Interesse der Finanzverwaltung rücken. Für diese Schlüsselmitarbeiter sollten klare und nachvollziehbare Richtlinien mit Bezug auf globale Mobilität bestehen, um im Prüfungsfall den Ort der tatsächlichen Geschäftsführung nachweisen zu können.
Fazit
Die Veranstaltung hat die enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Spanien unterstrichen. Die Umsetzung des MLI im DBA, eine enge Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene und das Bestreben nach Joint Audits bieten eine gute Grundlage für Unternehmen in Deutschland und Spanien. Insbesondere Differenzen in der Bestimmung der steuerlichen Ansässigkeit von Personen können zu unterschiedlichen Auffassung der Finanzverwaltung bezüglich des tatsächlichen Orts der Geschäftsführung führen. Beide Konzepte sollten bei der Ausarbeitung von Richtlinien zur globalen Mobilität von Schlüsselmitarbeitern berücksichtigt werden. Bei der Einleitung von Verständigungsverfahren lohnt es sich die Unterschiede in der Anwendung zwischen den vorhandenen Anspruchsgrundlagen zu berücksichtigen, um die geeignetste Wahl für den vorliegenden Sachverhalt zu treffen.
