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13.05.2015
Transfer Pricing

Vorabverständigungen im Fokus des Europäischen Steuertransparenzpakets

Am 18.03.2015 stellte die Europäische Kommission ihr Maßnahmenpaket zur Schaffung größtmöglicher Steuertransparenz vor. Im Fokus steht u.a. der Legislativvorschlag zur Intensivierung des Informationsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten über Vorabverständigungen. Die von der Kommission kommunizierten Handlungsvorgaben und deren mögliche Konsequenzen für die lokale Betriebsprüfung werden im Folgenden aus Verrechnungspreissicht diskutiert.

Transparenz bei Vorabverständigungen

Im Kampf gegen die vermeintliche Steuervermeidung von multinationalen Konzernen entwickelt sich eine neue Dynamik, da sowohl auf Ebene der OECD als auch auf EU-Ebene Maßnahmen zur Vermeidung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung diskutiert werden. Während die OECD hierzu die BEPS-Aktionspunkte initiiert, stellt die Europäische Kommission Steuerregelungen auf den Prüfstand. Auf diese Weise versucht die Kommission, ihren Grundsätzen des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich auf Ebene des Binnenmarktes Geltung zu verschaffen und ruinösen Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden. In diesem Zusammenhang eröffnete die Europäische Kommission vier förmliche Prüfverfahren nach den Beihilfevorschriften des Art. 107 ff. AEUV gegen: Apple in Irland, Starbucks in den Niederlanden sowie Fiat Finance & Trade und Amazon in Luxemburg (siehe Deloitte Tax News v. 16.12.2014 und auch Deloitte Tax News v. 13.03.2015).

Gegenstand dieser Prüfverfahren sind sogenannte unilaterale Vorabverständigungen (Advance Pricing Agreements, (APA)) zwischen Steuerpflichtigen und Finanzbehörden im Hinblick auf deren Verrechnungspreise. Basierend auf Art. 107 AEUV, in dem der Umgang mit Beihilfen normiert ist, geht die Kommission vom Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der Staatlichkeit, Begünstigung und Wettbewerbsverzerrung aus. Das vierte Tatbestandsmerkmal der Selektivität, sieht die Kommission in der vermeintlichen Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz erfüllt.

Eine weitere Komponente im Kampf der Europäischen Kommission gegen Steuervermeidung ist die Schaffung größtmöglicher Transparenz im Bereich der Vorabübereinkünfte. Hierzu stellte die Europäische Kommission am 18.03.2015 ihre Pläne für mehr grenzüberschreitende Transparenz vor. Dieses Maßnahmenpaket konzentriert sich aus Sicht der Kommission auf die dringendsten Probleme im Steuerbereich: Es soll sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten, die für den Schutz ihrer Steuerbasis notwendigen Informationen erhalten und jene Unternehmen identifizieren können, welche sich der Zahlung ihres eigentlichen Steueranteils entziehen.

Das Steuertransparenzpaket umfasst dabei konkret folgende Maßnahmen:

  • Strikte Transparenz bei Vorabverständigungen,
  • Prüfung neuer Transparenzanforderungen an multinationale Unternehmen,
  • Reform des Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung,
  • eine bessere Quantifizierung des Ausmaßes von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung,
  • Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften für den automatischen Informationsaustausch; und
  • Aufhebung der Zinsbesteuerungsrichtlinie.

Noch vor dem Sommer wird ein detaillierter Aktionsplan zur Unternehmensbesteuerung folgen, in dem die Kommission ihre Sicht einer fairen und effizienten Unternehmensbesteuerung in der EU, darlegen will (siehe Deloitte Tax News v. 24.03.2015).

Aus Sicht der Kommission ist die strikte Transparenz bei Vorabverständigungen die zentrale Maßnahme des Steuertransparenzpakets. Hierzu werden folgende Fragen näher erörtert:

  • Wie ist die Maßnahme konkret ausgestaltet?
  • Wie wird die Maßnahme praktisch umgesetzt?
  • Wie steht das Steuertransparenzpaket in Zusammenhang mit nationalen Vorschriften und den Aktionspunkten der BEPS-Initiative?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich für den Steuerpflichtigen?

Strikte Transparenz bei Vorabverständigungen

Im Fokus des Steuertransparenzpakets steht der Legislativvorschlag zur Intensivierung des Informationsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten über Vorabverständigungen, die sich auf andere Mitgliedstaaten auswirken können. Dies umfasst nicht nur künftige Vorabverständigungsverfahren, sondern auch diejenigen der Vergangenheit. Das bedeutet, dass alle Vorabverständigungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Maßnahmen vor bis zu 10 Jahren geschlossen wurden und noch Gültigkeit besitzen, ebenfalls Gegenstand des Informationsaustausches sein werden.

Derzeit tauschen Mitgliedstaaten Informationen über Vorabverständigungen nur sehr begrenzt und auf freiwilliger Basis aus. Die Beurteilung, welche Informationen für andere Mitgliedstaaten relevant sind, obliegt derzeit demjenigen Mitgliedstaat, welcher die Vorabverständigung aushandelt. Eine grundsätzliche Regelung, welche Informationen, wann ausgetauscht werden sollten, liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor. Ziel der Kommission ist es, entsprechende Ermessens- und Auslegungsspielräume zu beseitigen und die Mitgliedstaaten zu verpflichten, Informationen über ihre Vorabverständigungen systematisch auszutauschen.

Automatisierter Informationsaustausch

Das Maßnahmenpaket der Kommission beinhaltet hierzu sowohl eine Definition derjenigen Informationen, die ausgetauscht werden sollen als auch Handlungsvorgaben bezüglich des zeitlichen Horizonts des automatisierten Informationsaustauschs. Der Austausch der relevanten Informationen soll quartalsweise erfolgen: Es ist beabsichtigt, dass die nationalen Steuerbehörden anderen Mitgliedstaaten einen Kurzbericht über alle von ihnen erteilten oder geänderten Vorabverständigungen zu grenzüberschreitenden Transaktionen im Dreimonatsrhythmus übermitteln. Entgegen den bisher gültigen Regeln zum Informationsaustausch wird es den Mitgliedstaaten nicht möglich sein, sich unter Verweis auf Geschäftsgeheimnisse, dem Informationsaustausch zu entziehen. Demgegenüber werden Vorabverständigungen über inländische Transaktionen und diejenigen die natürliche Personen betreffen aus datenschutzrechtlichen und administrativen Gründen ausgeschlossen.

Um sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten über sämtliche für sie relevanten Vorabverständigungen ausreichend informiert sind, wird ihnen im Nachgang des automatisierten Informationsaustausches das Recht eingeräumt, weitere Detailinformationen bis hin zu Kopien der relevanten Dokumente und Verträge zu einzelnen Vorabverständigungen anzufragen. Ferner beinhaltet das vorgeschlagene Maßnahmenpaket eine Regelung zur verpflichtenden Übermittelung einer jährlichen Statistik durch jeden Mitgliedstaat an die Kommission. Eine solche Statistik ermöglicht einen detaillierten Überblick über die im abgelaufenen Jahr ausgetauschten Informationen.

Die Kommission wird bei der Definition der Minimalanforderungen durchaus konkret und nennt hier folgende Anforderungen:

  • Der Name des Steuerpflichtigen respektive des Konzerns,
  • eine Beschreibung des im Rahmen der Vorabverständigung adressierten Sachverhaltes,
  • eine Beschreibung der bei der Bestimmung des Verrechnungspreises zugrunde liegenden Kriterien,
  • eine Nennung der durch die Vorabverständigung direkt oder indirekt betroffenen Mitgliedstaaten, und
  • eine Nennung, der durch die Vorabverständigung möglicherweise direkt oder indirekt betroffenen, anderen Steuerpflichtigen.

Transparenzpaket im Vergleich zu bestehenden nationalen Regeln und der BEPS-Initiative

Die Dokumentationsvorschriften des § 5 Abs. 3 GAufzV beinhalten momentan die Verpflichtung im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation, Informationen über bestehende, im dokumentierten Geschäftsjahr beantragte oder neu geschlossene Verrechnungspreiszusagen oder –vereinbarungen mit ausländischen Steuerverwaltungen offenzulegen. Die deutsche Finanzverwaltung erhält damit nur Informationen über Vorabverständigungen von in Deutschland steuerpflichtigen Unternehmen. Insofern bewirken die vorgeschlagenen Maßnahmen eine erhebliche Ausweitung, der den Steuerbehörden zur Verfügung stehenden Informationen.

Der Vergleich der durch die Transparenzinitiative vorgeschlagenen Maßnahmen mit jenen der BEPS-Initiative der OECD liefert ein differenzierteres Bild. Beide Initiativen bezwecken größtmögliche Transparenz und die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage, die den jeweiligen Finanzverwaltungen ermöglichen soll, sich ein umfassendes Bild über den Konzern zu erarbeiten. Die wesentlichen Schnittmengen und Unterschiede im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung, das Timing, sowie die regionale Abgrenzung sind hierbei:

  • Inhaltliche Ausgestaltung

Gemäß den im Aktionspunkt 13 der BEPS-Initiative vorgeschlagenen Dokumentationsvorschriften soll das Masterfile der Verrechnungspreisdokumentation eine Liste, inklusive kurzer Beschreibung, aller innerhalb des betreffenden Konzerns abgeschlossenen unilateralen Vorabverständigungen enthalten. Dem local file müssen alsdann die Kopien aller den Steuerpflichtigen betreffenden unilateralen und bi-/multilateralen Vorabverständigungen beigefügt werden. Dies gilt insbesondere auch für jene Vorabverständigungen, an welchen die Steuerjurisidiktion des betreffenden Steuerpflichtigen zwar nicht als Vertragspartei beteiligt ist, die jedoch Auswirkungen auf die in der Verrechnungspreisdokumentation analysierten Transaktionen haben.

Die Anforderungen des europäischen Transparenzpakets und der BEPS-Initiative unterscheiden sich somit dahingehend, dass der automatisierte Informationsaustausch lediglich den Austausch der oben erwähnten Minimalanforderungen in einem ersten Schritt umschließt. Kopien der Vorabvereinbarungen sind den betroffenen Staaten jedoch nur auf Anfrage verfügbar. In wie weit einer solchen Anfrage Folge geleistet werden muss, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht festgelegt.

  • Timing

Beiden Maßnahmen ist die Fokussierung auf bestehende, statt lediglich im relevanten Geschäftsjahr neu geschlossene oder geänderte, Vorabverständigungen gemein. Die retrospektive Komponente wird jedoch im Transparenzpaket der Kommission stärker betont, da explizit bis zu 10 Jahre zurückliegende Vorabverständigungen von den Maßnahmen betroffen sind.

Durch den quartalsweisen Informationsaustausch auf EU-Ebene wird jedoch verglichen mit den BEPS-Maßnahmen eine zeitnahe Informationsübermittlung an die betreffenden Steuerbehörden gewährleistet. Insbesondere bei neu geschlossenen Vorabverständigungen kommt dies zur Geltung: Gegebenenfalls haben Steuerbehörden bereits vor Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation Zugang zu relevanten Informationen.

  • Regionale Abgrenzung

Von den Maßnahmen der Kommission werden nur jene Vorabverständigungen erfasst, welche innerhalb der EU geschlossen wurden, wohingegen die Dokumentationsvorschriften der OECD einen globalen Anspruch haben. Insbesondere die Informationen des Masterfiles sollen einen konzernweiten Überblick über die relevanten Informationen ermöglichen.

Konsequenzen für Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung

Für den (deutschen) Steuerpflichtigen stellen sich somit zwei zentrale Fragen: Zum einen muss geklärt sein, welcher administrative Aufwand für den Steuerpflichtigen durch die Maßnahmen der Kommission entsteht und zum anderen, welche Informationen zukünftig wann und für wen zugänglich sein werden.

Sämtliche im Rahmen des Transparenzpakets definierten Maßnahmen betreffen den Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten. Demgegenüber betreffen die Maßnahmen der OECD den Konzern direkt. Das Maßnahmenpaket der Kommission, insbesondere dessen Minimalanforderungen, sollte daher vorerst keine Verpflichtungen auf Seiten der Steuerpflichtigen zur Folge haben.

Trotzdem empfiehlt es sich für Konzerne, folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  1. Erstellung einer Übersicht über die in den letzten 10 Jahren geschlossenen bzw. geplanten Vorabverständigungen in Europa. In Deutschland kann dies sowohl verbindliche Auskünfte gemäß § 89 AO als auch verbindliche Zusagen gemäß § 204 AO betreffen.
  2. Durchführung einer Analyse, ob dies möglicherweise Auswirkungen auf die Würdigung oder Prüfung der Verrechnungspreise durch die europäischen Finanzverwaltungen hat.
  3. Falls notwendig sollte in der Verrechnungspreisdokumentation eine entsprechende proaktive Würdigung erfolgen.

Weitere Entwicklungen

Im nächsten Schritt wird der Legislativvorschlag des Steuertransparenzpakets an das Europäische Parlament und den Rat weitergeleitet. Die Mitgliedstaaten sollen sich bis Ende dieses Jahres über den Vorschlag für den Informationsaustausch über Vorabverständigungen einigen, so dass die Bestimmungen am 1. Januar 2016 in Kraft treten können. Aus Sicht der Europäischen Kommission stellen die Maßnahmen des Steuertransparenzpakets die ersten konkreten Schritte dar, um Steuervermeidung auf Unternehmensebene den Boden zu entziehen. Die Kommission forciert damit ihre Voreiterrolle innerhalb der globalen Bewegung für mehr Steuertransparenz. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Maßnahmen im Rahmen des Aktionsplans zur Bekämpfung von Steuervermeidung von der Kommission vorgestellt werden. Der Aktionsplan soll noch in diesem Frühjahr vorliegen und wird Überlegungen enthalten wie die neuen OECD-Maßnahmen der BEPS-Initiative in bestehendes EU-Recht integriert werden können.

Fundstellen

EU Kommission, Vorschlag vom 18.03.2015, automatischer Informationsaustausch
EU Kommission, Vorschlag vom 18.03.2015, Aufhebung der Zinsbesteuerungsrichtlinie
EU Kommission, Mitteilung vom 18.03.2015 an das Europäische Parlament und den Rat über Steuertransparenz als Mittel gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung
EU Kommission, Pressemitteilung vom 18.03.2015, automatischer Informationsaustausch (EU)
EU Kommission, Fact Sheet vom 18.03.2015 (engl.)

Ihre Ansprechpartner

Dr. Richard Schmidtke
Partner

rschmidtke@deloitte.de
Tel.: 089 29036-8690

Dr. Katharina Crößmann
Consultant

kcroessmann@deloitte.de
Tel.: 069 75695-7057

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Professional

sbaur@deloitte.de
Tel.: 089 29036-7348

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