Call-to-action: Einzelhändler dürfen Gewerbemiete im Lockdown kürzen
Der Bundesgerichtshof („BGH“) hat mit Urteil vom 12.01.2022, Az. XII ZR 8/21, entschieden, dass im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.
Gewerbetreibende haben bei einer pandemiebedingten Schließung ihrer Geschäftsräume grundsätzlich Anspruch auf Mietminderung. Das hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs („BGH“) entschieden. Wie hoch der Abschlag sei, müssen allerdings im Einzelfall geprüft werden. Eine Pauschalregelung gebe es nicht.
Aufgrund der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen und der damit verbundenen massiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 ist nach Ansicht des BGH die sogenannte große Geschäftsgrundlage betroffen. Darunter versteht man die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde. Diese Erwartung der Parteien werde dadurch schwerwiegend gestört, dass aufgrund der zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassenen Allgemeinverfügungen Geschäftslokale in der Zeit vom 19.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 schließen mussten.
Dies bedeutet aber nicht, dass der Mieter stets eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann. Hier ist nach Meinung des BGH stets ein Einzelfallbetrachtung maßgebend, bei der zunächst von Bedeutung ist, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Primär ist hier der Umsatzrückgang auf der konkreten Mietfläche maßgebend. Der Konzernumsatz ist in diese Berechnung nicht einzubeziehen. Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf auch in diesem Fall einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (§ 313 Abs. 1 BGB).
Bei der Prüfung der Unzumutbarkeit sind grundsätzlich die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. Dabei können auch Leistungen einer ggf. einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters zu berücksichtigen sein. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nur auf Basis eines Darlehens gewährt wurden, bleiben hingegen bei der gebotenen Abwägung außer Betracht, weil der Mieter durch sie keine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erreicht.
Im Ergebnis lässt sich aber konstatieren, dass Gewerbetreibende, insb. der Einzelhandel und die Gastronomie, durch das Urteil des BGH ein grundsätzliches Recht auf Mietanpassung bei Lockdown erhalten. Da § 313 BGB für die Ausübung des Anpassungsverlangens kein Fristerfordernis kennt, kann diese Recht auf rückwirkend für den Lockdown im Jahr 2020 geltend gemacht werden. Somit besteht im Einzelfall möglicherweise ein Rückforderungsrecht für bereits gezahlte Mieten gegenüber dem Vermieter.