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23.06.2015
Unternehmensrecht

OLG München: Fristlose Kündigung eines Franchise-Vertrages bei Vielzahl unwesentlicher Pflichtverletzungen des Franchise-Nehmers

Für ein Franchise-System ist die Qualität seiner Produkte sowie die Einheitlichkeit des Erscheinungsbildes von entscheidender Bedeutung. Verstöße gegen Vorgaben des Franchise-Gebers können zu Rufschädigung führen, so dass ein zügiges und konsequentes Handeln in Form einer fristlosen Kündigung geboten sein kann. Die Entscheidung des OLG München zeigt, dass auch Pflichtverstöße, die einzeln gesehen eine fristlose Kündigung nicht begründen würden, in Zusammenschau eine außerordentliche Kündigung als „vertretbar“ erscheinen lassen können.

Ein Franchise-Vertrag kann - wie jedes andere Dauerschuldverhältnis - vor Ablauf seiner Laufzeit oder vor dem Ende einer ordentlichen Kündigungsfrist durch eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund beendet werden. Nach einer in der Rechtsprechung und in der herrschenden Literatur überwiegend vertretenen Auffassung ist auf außerordentliche Kündigungen von Franchise-Verträgen die Vorschrift des § 314 BGB anwendbar. Also berechtigen grundsätzlich nur solche Gründe zu einer fristlosen Kündigung des Franchise-Vertrages, die das Vertrauensverhältnis in einem solchem Maß erschüttern, dass dem kündigenden Vertragspartner ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann.

Sachverhalt
In den letzten Jahren sind mehrere Urteile ergangen, die sich mit außerordentlichen Kündigungen von Franchise-Verträgen beschäftigten (u.a. OLG München Urt. vom 15. April 1999, 29 U 4446/98; OLG München Urt. vom 25. August 2005, 6 U 4084/04; LG Gießen Urt. vom 5. Mai 2006, 8 O 124/05; BGH Urt. vom 3. Oktober 1984, VIII ZR 118/83; BGH Urt. vom 17. Dezember 1998, I ZR 106/98). Die aktuelle Entscheidung des OLG München vom 14. Oktober 2014 trägt zur Klärung zahlreicher noch offener Fragen im Bereich der fristlosen Kündigung von Franchise-Verträgen bei und befasst sich nicht nur mit den Voraussetzungen, unter denen eine fristlose Kündigung eines Franchise-Vertrages erklärt werden kann, sondern stellt auch gleichzeitig Grundlagen auf, die zukünftig bei der fristlosen Kündigung eines Franchise-Vertrages zu beachten sind.

Entscheidung
In dem vom OLG München entschiedenen Fall ging es um folgenden Sachverhalt: Im Jahre 2003 schloss die Franchise-Geberin mit der Franchise-Nehmerin einen Franchise-Vertrag bezüglich des Betriebs eines Fastfood-Restaurants über einen Zeitraum von zwanzig Jahren. Im Jahre 2012 wurde der Franchise-Vertrag von der Franchise-Geberin fristlos gekündigt, wobei die Kündigung auf mehrere, über einen längeren Zeitraum anhaltende und bei Betriebsprüfungen durch die Franchise-Geberin festgestellten Mängel der Restaurantführung gestützt wurde. Insbesondere lagen Verstöße gegen lebensmittelrechtliche und hygienische Vorschriften vor, wenn zum Beispiel Mindesthaltbarkeitsdaten nicht beachtet wurden oder ein Mitarbeiter zwischen Kassenbereich und Küche wechselte, ohne sich die Hände zu waschen. Teilweise ging es aber auch um Verstöße gegen die Bekleidungsvorschriften innerhalb des Franchise-Systems, unter anderem um das Fehlen einer vorgesehenen Kopfbedeckung oder das Tragen einer privaten Bluse bzw. Krawatte. Die Franchise-Nehmerin akzeptierte die Kündigung nicht und klagte auf Schadensersatz. Sie unterlag jedoch sowohl in erster Instanz als auch in der Berufungsinstanz vor dem OLG München.

Hinsichtlich des Kündigungsgrundes schließt die Entscheidung des OLG München an eine der ersten Entscheidungen des BGH vom 3. Oktober 1984 zur fristlosen Kündigung eines Franchise-Vertrages an, in der der BGH bereits feststellte, dass eine Vielzahl von Einzelverstößen im Rahmen einer gebotenen Gesamtabwägung eine fristlose Kündigung eines Franchise-Vertrages rechtfertigen kann. Das OLG München stellte fest, dass im vorliegenden Fall die einzelnen Pflichtverstöße der Franchise-Nehmerin die Wesentlichkeitsschwelle nach § 314 Abs. 1 BGB nicht überschritten haben, so dass jede dieser Pflichtverletzungen für sich zweifellos eine fristlose Kündigung des Franchise-Vertrages nicht rechtfertigen würde. Deren Zusammenschau jedoch ließ die fristlose Kündigung aus der Sicht des Gerichts vertretbar erscheinen. Dabei wurde vor allem berücksichtigt, dass die festgestellten Pflichtverletzungen geeignet waren, das Ansehen der Marke der Franchise-Geberin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und damit auch potentiell geeignet waren, die Franchise-Geberin und andere Franchise-Nehmer zu schädigen. So diente das einheitliche Erscheinungsbild der Mitarbeiter in allen Restaurants der praktizierten „corporate identity“, während in der Verletzung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften für die gesamte Franchise-Kette die Gefahr der Rufschädigung lag. Das OLG München leitet in seinem Urteil grundsätzlich ab, dass bei einer Mehrzahl einzelner Verstöße des Franchise-Nehmers gegen den abgeschlossenen Franchise-Vertrag, Richtlinien des Franchise-Gebers oder seine Anweisungen, auch wenn diese jeweils für sich genommen nicht den Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach den Regelungen des abgeschlossenen Franchise-Vertrages erfüllen, bzw. die Wesentlichkeitsschwelle nicht überschreiten, gleichwohl eine fristlose Kündigung nach § 314 Abs. 1 BGB berechtigt sein kann. Das gilt dann, wenn sich aus der Gesamtschau der einzelnen Umstände und einer Interessenabwägung ergibt, dass die Gründe insgesamt einen wichtigen Grund im Sinne von § 314 Abs.1 BGB darstellen und das Vertrauensverhältnis zwischen dem Franchise-Geber und dem Franchise-Nehmer so nachhaltig gestört ist, dass eine Fortsetzung des Franchise-Vertrages bis zum Ablauf der vertraglich vereinbarten Laufzeit bzw. bis zum Zeitpunkt einer etwaigen ordentlichen Kündigung nicht mehr in Betracht kommt.

Im Hinblick auf die Restlaufzeit des Franchise-Vertrages sowie das Erfordernis einer Abmahnung stellt das OLG München fest, dass die Interessen der Franchise-Nehmerin am Fortbestand des Vertragsverhältnisses zurückzutreten haben, sofern das Markenimage gefährdet sein sollte. Grundsätzlich soll bei einer fristlosen Kündigung eine Abwägung der wechselseitigen Interessen der Vertragsparteien vorzunehmen sein. Allerdings ist nunmehr davon auszugehen, dass bei einer längeren Restlaufzeit des Franchise-Vertrages die Interessen des Franchise-Nehmers zurückzutreten haben, weil es für den Franchise-Geber nicht zumutbar ist, den Franchise-Vertrag fortzusetzen und von einer fristlosen Kündigung abzusehen. Das galt auch, obwohl das gegenständliche Lokal der einzige Erwerbszweig der Franchise-Nehmerin gewesen ist, so dass durch diese Kündigung ihre Existenz bedroht war. Zwar ist richtig, dass Franchise-Verträge üblicherweise mit einer längeren Laufzeit verbunden sind, um dem Franchise-Nehmer die Gelegenheit zu geben, seine Investition zu amortisieren, so dass die Franchise-Nehmerin im vorliegenden Fall grundsätzlich ein Interesse am Fortbestehen des Franchise-Vertrages bis zum regulären Vertragsende hatte. Auf der anderen Seite schlägt aber eine so lange Restlaufzeit eines Franchise-Vertrages bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Geschäftsverhältnisses zugunsten des Franchise-Gebers ins Gewicht.

Bezüglich des Erfordernisses einer Abmahnung stellte das Gericht fest, dass dieses dann gewahrt sei, wenn der Franchise-Geber in früheren Schreiben bereits auf wesentliche Vorgänge hingewiesen und hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Beendigung des Vertragsverhältnisses abwäge, auch wenn diese nicht im Detail aufgeführt worden seien. Denn gerade bei Pflichtverletzungen, die geeignet sind, den Ruf und das Image des gesamten Franchise-Systems zu beeinträchtigen, soll der Franchise-Geber schnell reagieren können, um einen weiteren Schaden von sich und weiteren Franchise-Nehmern abwenden zu können.

Fazit

Parteien eines Franchise-Systems können der vorstehend dargestellten OLG-Entscheidung zunächst entnehmen, dass man zukünftig bei jeder fristlosen Kündigung die Frage der Vertretbarkeit zu prüfen hat, wobei für diese Prüfung an erster Stelle wohl nicht auf die Intensität der Pflichtverletzungen des Franchise-Nehmers als solche abzustellen ist, sondern darauf, ob diese Pflichtverletzungen geeignet sind, das Ansehen des Franchise-Systems an sich zu beeinträchtigen bzw. ob diese zur Rufschädigung der weiteren Franchise-Unternehmen führen können.

Als weiterer Grundsatz ergibt sich aus der Entscheidung, dass eine längere Restlaufzeit des Franchise-Vertrages eher zu Lasten des Franchise-Nehmers wirken kann und dass die Kündigung auch auf frühere Abmahnungen gestützt werden kann, wenn eine Fortsetzung des vertragswidrigen Verhaltens erfolgt.

Ihr Ansprechpartner

Tatiana Getman
Senior Manager

tgetman@deloitte.de
Tel.: 0511 30755-9540

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