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27.05.2016
Unternehmensrecht

Wechsel zur Vollzeittätigkeit erhöht nicht den zuvor erworbenen Urlaubsanspruch

Wechselt ein Arbeitnehmer von einer Teilzeittätigkeit zu einer Vollzeittätigkeit, so muss der während der Teilzeittätigkeit angesammelte Urlaub nicht nach Maßgabe einer Vollzeittätigkeit berechnet werden.

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 11. November 2015 (Az. C-219/14 – Greenfield) entschieden, dass der Wechsel eines Arbeitnehmers von einer Teilzeittätigkeit zu einer Vollzeittätigkeit nicht den während der Teilzeittätigkeit erworbenen Urlaubsanspruch entsprechend der nunmehr ausgeübten Vollzeittätigkeit erhöht.

Sachverhalt

Die Arbeitnehmerin hatte im Sommer 2012 mehrere Wochen Urlaub genommen und dadurch ihren Urlaubsanspruch erheblich überschritten. Vor dem Urlaubsantritt hat die Arbeitnehmerin in einem Umfang von einem Arbeitstag pro Woche gearbeitet (Teilzeittätigkeit). Ab August 2012 arbeitete die Arbeitnehmerin auf der Basis einer Vollzeittätigkeit. Im Mai 2013 wurde das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin beendet. Vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte sie die Gewährung von weiterem Urlaub beantragt. Der Arbeitgeber hatte die Urlaubsgewährung allerdings mit der Begründung abgelehnt, dass die Arbeitnehmerin ihren Urlaub bereits vollständig genommen, ihren Urlaubsanspruch sogar überschritten habe. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses klagte die Arbeitnehmerin auf finanzielle Abgeltung des ihres Erachtens bestehenden, aber nicht gewährten Urlaubs.

Das zuständige „Employment Tribunal Birmingham“ bat den Europäischen Gerichtshof um die Beantwortung der Frage, wie die Anzahl der bereits erworbenen Urlaubstage im Falle der Erhöhung der Wochenarbeitszeit zu berechnen sei.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass sich aus der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) keine Verpflichtung ergibt, im Falle der Erhöhung der Wochenarbeitszeit die Anzahl der während des Zeitraums der Teilzeittätigkeit erworbenen Urlaubstage nach Maßgabe der nunmehr vom Arbeitnehmer geleisteten Vollzeittätigkeit insgesamt neu zu berechnen. Folglich müssen erst diejenigen Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers, die nach dem Wechsel von einer Teilzeit- zu einer Vollzeittätigkeit entstehen, nach Maßgabe der Vollzeittätigkeit des Arbeitnehmers berechnet werden.

Zur Begründung verweist der Europäische Gerichtshof auf seine ständige Rechtsprechung, derzufolge sich der Urlaubsanspruch, den der Arbeitnehmer während einer Vollzeittätigkeit erworben hat, durch einen Wechsel von einer Vollzeit- zu einer Teilzeittätigkeit nicht verringert. Insofern seien Urlaubsansprüche stets nach Maßgabe der jeweiligen Wochenarbeitszeit zum Zeitpunkt ihrer Entstehung zu berechnen, so dass bereits entstandene Urlaubsansprüche in keiner Beziehung zu einer späteren Erhöhung oder Verringerung der Wochenarbeitszeit des Arbeitnehmers stehen.

Ferner folge aus der Richtlinie 2003/88/EG, dass diejenigen Urlaubstage, die bereits im Zeitraum der Teilzeittätigkeit genommen wurden und den für diesen Zeitraum erworbenen Urlaubsanspruch übersteigen, vom Urlaubsanspruch, der im Zeitraum der Vollzeittätigkeit des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr (neu) entsteht, abgezogen bzw. mit diesem verrechnet werden können.

Praxishinweis

Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist zuzustimmen. Dieser Ansatz gewährleistet, dass Arbeitnehmern – unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie ihren Urlaub tatsächlich antreten – Urlaubstage nur in dem Umfang gewährt werden, in welchem sie ihre Arbeitsleistung nach Maßgabe der jeweils vereinbarten Wochenarbeitszeit erbringen. Bei jeglichem Wechsel von Arbeitstagen, gleich ob bei einer Erhöhung oder Verringerung der Wochenarbeitszeit des Arbeitnehmers, sollten Arbeitgeber den tatsächlichen Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers genauestens nachvollziehen. Allerdings bleibt abzuwarten, welche Schlussfolgerungen das Bundesarbeitsgericht aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für seine Rechtsprechung zum Urlaubsrecht ziehen wird, wobei damit zu rechnen ist, dass sich das Bundesarbeitsgericht – wie schon im umgekehrten Fall (Urteil vom 10. Februar 2015; Az. 9 AZR 53/14) – der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs anschließen wird.

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Döpner
Manager

mdoepner@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-2089

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