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28.04.2015
Unternehmensrecht

Zeitliche Begrenzung der Nachhaftung bei Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags

Der Anspruch eines Gläubigers einer abhängigen Gesellschaft auf Sicherheitsleistung für Forderungen, die bis zur Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags begründet, jedoch erst später fällig werden, ist §§ 26,160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG analog auf Ansprüche, die vor Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntmachung der Beendigung fällig werden, begrenzt.

I. Sachverhalt

Die abhängige Gesellschaft mietete im Dezember 2007 von der Klägerin ein gewerbliches Objekt für einen Zeitraum von 15 Jahren. Die Beklagte als herrschendes Unternehmen und die abhängige Gesellschaft hatten im April 2006 für die Dauer von zehn Jahren einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, diesen aber zum Dezember 2010 aufgehoben. Die Beklagte hatte gegenüber der Klägerin (analog § 302 Abs. 3 AktG) ein Bürgschaftsversprechen abgegeben, das zeitlich bis Januar 2016 befristet war. Mit der Klage begehrte die Klägerin bis Januar 2017 eine Sicherheitsleistung für ihre mietvertraglichen Ansprüche gemäß § 232 Abs. 1 BGB.

II. Entscheidungen der Vorinstanzen

Die Klage wurde in erster Instanz (LG Braunschweig, Urteil vom 21.12.2012 – 9 O 2422/11 (352)) und vom Berufungsgericht (OLG Braunschweig, Urteil vom 02.10.2013 - 3 U 34/13) abgewiesen; die für die Gewährung der Sicherheitsleistung von der Klägerin behauptete unbegrenzte Nachhaftung aus § 303 AktG, sei – so die Gerichte – in entsprechender Anwendung der §§ 26, 160 HGB auf einen Zeitraum von fünf Jahren beschränkt.

III. Entscheidung des BGH

Der BGH bestätigte die Auffassung des Berufungsgerichts und führte aus, dass die Klägerin keinen Anspruch habe auf eine Sicherheitsleistung gemäß § 232 Abs. 1 BGB über Januar 2016 hinaus bis Januar 2017. Der Sicherungsanspruch sei auch im GmbH-Konzernrecht gemäß § 302 Abs. 1 AktG analog anwendbar und in entsprechender Anwendung der §§ 26, 160 HGB, § 327 Abs. 4 AktG auf Verbindlichkeiten beschränkt, die innerhalb von fünf Jahren ab der Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags fällig werden.

Zur Begründung führte der BGH aus, dass § 303 AktG eine unbeabsichtigte Regelungslücke enthalte. Die Vorschrift sieht keine zeitliche Begrenzung vor. Dies könne, so der BGH, zu einer zeitlich unendlichen Haftung des herrschenden Unternehmens führen, was der Gesetzgeber übersehen habe. Die Gefahr der Endloshaftung folge daraus, dass bei Dauerschuldverhältnissen Ansprüche bereits vor der Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Unternehmensvertrags begründet sein können, die einzelnen Forderungen jedoch erst später – weit über den Zeitpunkt der Beendigung des Unternehmensvertrags hinaus – fällig werden. Die Haftung des herrschenden Unternehmens könne insoweit auch dann noch greifen, obwohl die Gläubiger einer vertraglich konzernierten Gesellschaft keinen Anspruch auf eine Fortführung des Beherrschungs- bzw. Gewinnabführungsvertrags und der Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG haben. Dies sei unvereinbar mit dem Zweck des Anspruchs aus § 303 AktG. Dieser liege darin der Gefahr zu begegnen, dass die früher abhängige Gesellschaft aufgrund der vorherigen Ausrichtung auf Konzerninteressen, nicht eigenständig existieren und ihre Verbindlichkeiten nicht begleichen kann, und zwar als Folge des Wegfalls der Verlustdeckungspflicht des herrschenden Unternehmens (§ 302 AktG) im Zuge der Beendigung des Unternehmensvertrags. Diese Gefahr vermindere sich aber gerade im Lauf der Zeit nach Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags.

Die Regelungslücke sei durch eine entsprechende Anwendung der Regelungen beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft (§§ 26, 160 HGB) und der Beendigung einer Eingliederung (§ 327 Abs. 4 AktG) zu schließen. Die Interessenlage der Gläubiger bei Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sei hier vergleichbar.

Diese Position spiegele auch den Willen des Gesetzgebers wieder, wonach dieser mit der Neufassung von § 327 Abs. 4 AktG sich dafür entschieden habe, das Nachhaftungsmodell für das Ausscheiden aus einer Personengesellschaft nach § 160 HGB auf Konzernsachverhalte zu übertragen. Insoweit könne der Anspruch nach § 303 AktG nicht weiter gehen als die Nachhaftung der früheren Hauptgesellschaft bei einer Eingliederung; die Gefahren für die Gläubiger nach einer Beendigung der Eingliederung seien gar größer als nach Beendigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags.

Anders als bislang in Teilen der Literatur und früher vom BGH im Zusammenhang mit einem Dauerschuldverhältnis bei einer Verschmelzung (BGH, Urteil vom 18.03.1996 – II ZR 299/94) vertreten, sei nicht das im Einzelfall zu ermittelnde konkrete Sicherungsinteresse des Gläubigers maßgeblich, wonach der maximal künftig fällig werdende Gesamtbetrag maßgebend sei. Eine solche Frist sei zu unbestimmt und daher nicht geeignet, die Gefahr einer Endloshaftung zu beseitigen.

IV. Fazit

Die Nachhaftung für Forderungen herrschender Unternehmen für Verbindlichkeiten der abhängigen Gesellschaft, die erst nach Beendigung eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag fällig werden, ist auf fünf Jahre nach Bekanntmachung der Beendigung des Unternehmensvertrags begrenzt.

Der BGH hat sich von seiner früheren Rechtsprechung gelöst, wonach sich die Frist nach den Sicherungsbedürfnissen des Gläubigers bestimmt und hierbei der maximal künftig fällig werdende Gesamtbetrag maßgeblich sei. Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit, die Höhe der Sicherheitsleistung kann anhand des relevanten Zeitraums besser ermittelt werden – dies ist zu begrüßen.

Die Problematik ist insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen wie Miete oder Pacht ein Thema: die Miet-/Pachtzinsansprüche werden bereits mit Vertragsabschluss begründet, jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig (vgl. auch Mense/Klie in GWR 2014, 525 (525)). In der Folge muss die herrschende Gesellschaft auch nach Beendigung des Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrags weiterhin für Mietzinsforderungen der abhängigen Gesellschaft Sicherheit leisten. Aber auch in Zusammenhang mit Unternehmenskäufen (Inanspruchnahme des Verkäufers aus den Sicherheiten für Verbindlichkeiten der Zielgesellschaft) oder der Beschäftigung von Arbeitnehmern (Pensionsverpflichtungen der ehemals abhängigen Gesellschaft und Sicherheiten zugunsten der Arbeitnehmer) ist die Thematik von Bedeutung (vgl. näher hierzu Mense/Klie in GWR 2014, 525 (525)).

Aus Gläubigersicht wird es umgekehrt darauf ankommen, bei Rechtsgeschäften mit Gesellschaften, die mit einer anderen Gesellschaft einen Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrags geschlossen haben, sich bereits im Vorfeld bei Vertragsschluss entsprechende Sicherheiten einräumen zu lassen.

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Kissi
Manager

mkissi@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-4300

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