Im Anschluss an das Urteil des BFH vom 15.04.2015 zur Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt war in der Literatur die Ansicht geäußert worden, der BFH habe die Vermögenslosigkeit zum Nicht-Passivierungskriterium gekürt. Dem tritt der BFH nun mit Urteil vom 10.08.2016 entgegen.
Die Klägerin, eine GmbH, hatte in ihrer für das Jahr 2002 erstellten Bilanz Gesellschafterdarlehen passiviert. Sie verfügte über eine Kapitalrücklage, der Verlustvorträge und nicht durch das Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge gegenüber standen, die die Rücklage um ein Mehrfaches übertrafen. Zur Abwendung der Krise der Gesellschaft vereinbarte die Klägerin mit ihren Gesellschaftern im Jahr 2002, dass die Gesellschafterforderungen hinter die Forderungen anderer Gläubiger (mit Ausnahme der Mitgesellschafter) zurücktreten und ihre Befriedigung nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangt werden kann.
Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die Gesellschafterdarlehen nach § 5 Abs. 2a EStG nicht mehr ausgewiesen werden dürfen. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das FG statt.
Das FG hat die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG zu Unrecht als nicht erfüllt angesehen.
Bereits mit Urteil vom 15.04.2015 hat der BFH entschieden, dass eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG unterliegt (zugleich Bestätigung des BFH-Urteils vom 30.11.2011), woran der BFH auch weiterhin festhält.
Die im Anschluss an das Urteil des BFH vom 15.04.2015 in der Literatur geäußerten Ansicht, der BFH habe die Vermögenslosigkeit zum Nicht-Passivierungskriterium gekürt, könne der BFH nicht folgen. Der BFH habe schon im Urteil vom 15.04.2015 keinen Zweifel daran gelassen, dass mit Rücksicht auf das Gebot des vollständigen Vermögensausweises (§ 246 Abs. 1 HGB) allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners nicht dazu führe, eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen, und Gleiches für den Fall gelte, dass eine Rangrücktrittsvereinbarung die Verpflichtung bestehen lässt, die subordinierten Gesellschafterforderungen aus dem nach Begleichung der vorrangigen Ansprüche verbleibenden sog. freien Vermögen zu tilgen. Ein steuerrechtliches Passivierungsverbot sei erst dann zu bejahen, wenn der Rangrücktritt nach Maßgabe der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG in dem Sinne spezifiziert werde, dass die hiervon betroffenen Verpflichtungen nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, und deshalb deren Passivierung daran gebunden ist, dass die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Tragend sei mithin nicht das wirtschaftliche Unvermögen, für die Schulden aufkommen zu können, sondern der rechtliche Gehalt der vereinbarten Durchsetzungssperre.
Den Anforderungen des § 5 Abs. 2a EStG sei aber nicht nur genügt, wenn der Rangrücktritt eine Tilgung nur aus zukünftigen Jahresüberschüssen oder Steuerbilanzgewinnen vorsieht. Vielmehr habe der BFH hierzu auch eine im Zeitpunkt der Überschuldung getroffene Abrede gerechnet, nach der Forderungen aus zukünftigen handelsrechtlichen Bilanzgewinnen zu begleichen sind. Dass in den Bilanzgewinn auch Kapitalrücklagen eingehen können, habe der BFH nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem auch bei rechtlicher Beurteilung der Abrede als unmaßgeblich erachtet, weil solche Rücklagen vorrangig mit den Verlustvorträgen zu verrechnen sind (vgl. BFH-Urteil vom 15.04.2015). Der BFH sehe keine Veranlassung, von dieser Wertung – d.h. der rechtlichen Gleichstellung mit Vereinbarungen, die nur auf den handelsrechtlichen Jahresüberschuss abstellen – abzurücken. Demgemäß erübrige sich auch eine Stellungnahme dazu, ob – unabhängig von der Frage der Überschuldung und der hierdurch bedingten Verwendungsbeschränkung der Kapitalrücklagen – allein der Zukunftsbezug einer Rangrücktrittsabrede, die eine Schuldentilgung aus künftigen handelsrechtlichen Bilanzgewinnen vorsieht, das steuerrechtliche Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG auslöse.
Weiterhin hält der BFH den Einwand des Schrifttums, die vereinbarte Tilgung aus einem Liquidationsüberschuss belaste das aktuelle Vermögen des Schuldners, wie auch schon im Urteil vom 15.04.2015 für nicht zutreffend.
Schließlich bestätigt der BFH seine im Urteil vom 15.04.2015 geäußerte Ansicht, dass der Wegfallgewinn (Ausbuchung der Gesellschafterforderungen in der Steuerbilanz) im Falle seiner Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis durch eine Einlage zu kompensieren sei, die nach dem Teilwert der Gesellschafterforderungen bemessen werden müsse.
§ 5 Abs. 2a EStG
Streitjahr 2002
BFH-Urteil vom 28.09.2016
Das BFH-Urteil vom 28.09.2016 stellt zudem ausdrücklich fest, dass § 5 Abs. 2a EStG auf Rangrücktrittsvereinbarungen, die eine Tilgung der Verbindlichkeit aus sonstigem freien Vermögen vorsehen, nicht anwendbar ist. Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 08.09.2006, Tz. 6).
Finanzgericht Köln, Urteil vom 26.03.2015, 10 K 3777/09, EFG 2015, S. 1212
BFH, Urteil vom 10.08.2016, I R 25/15, BStBl. II 2017, S. 670
BFH, Urteil vom 28.09.2016, II R 64/14, BStBl. II 2017, S. 104
BMF, Schreiben vom 08.09.2006, BStBl. I 2006, S. 497
BFH, Urteil vom 15.04.2015 I R 44/14, BStBl II 2015, S. 769, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 30.11.2011, I R 100/10, BStBl II 2012, S. 332, siehe Deloitte Tax-News
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