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11.01.2013
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

Niedersächsisches FG: Regelmäßige Arbeitsstätte bei befristeter Abordnung bzw. Versetzung an eine andere Arbeitsstelle

Aufhebung des FG-Urteils durch: BFH, Urteil vom 08.08.2013, VI R 72/12, siehe Deloitte Tax-News
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Niedersächsisches FG:
Die Tätigkeit an einer Arbeitsstelle, an die der Steuerpflichtige zwar befristet, aber für einen Zeitraum von 3 Jahren abgeordnet bzw. versetzt wird, kann nicht mehr nur als gelegentlich oder vorübergehend bezeichnet werden. Diese Arbeitsstelle ist damit eine regelmäßige Arbeitsstätte mit der Folge, dass Fahrtkosten zwischen der Wohnung und dieser Arbeitsstelle nur begrenzt als Werbungskosten abgezogen werden können.

Sachverhalt

Der Kläger wurde für einen Zeitraum von 3 Jahren befristet an eine andere Arbeitsstelle abgeordnet bzw. versetzt. Streitig ist, ob diese Arbeitsstelle eine regelmäßige Arbeitsstätte darstellt und damit die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle nach § 9 Abs.1 S. 1 Nr. 4 EStG nur begrenzt als Werbungskosten abziehbar sind.

Entscheidung

Die Arbeitsstelle, an die der Kläger zeitlich befristet versetzt wurde, ist eine regelmäßige Arbeitsstätte. Die Fahrtkosten sind dementsprechend nur begrenzt als Werbungskosten abzuziehen.

Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG). Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sind grds. auch Erwerbsaufwendungen, allerdings nur begrenzt nach Maßgabe der insoweit gewährten Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG).

Regelmäßige Arbeitsstätte in diesem Sinne ist nur der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, denen der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht (vgl. z.B. BFH vom 09.06.2011). Grundfall der regelmäßigen Arbeitsstätte ist die auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte Arbeitsstätte, auf deren immer gleiche Wege sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise einstellen und durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Anmietung einer Zweitwohnung auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer aus einer ex post Betrachtung tatsächlich an einem bestimmten Ort für längere Zeit tätig gewesen war, sondern ob sich der Arbeitnehmer zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit aus ex ante Sicht darauf hatte einrichten können, dort dauerhaft tätig zu sein (vgl. BFH vom 17.06.2010).

Im Streitfall erfolgte zwar die Abordnung/Versetzung befristet, allerdings sollte sich die Tätigkeit auf einen Zeitraum von 3 Jahren erstrecken. Die Tätigkeit an der anderen Arbeitsstelle kann damit nicht mehr nur als gelegentlich oder vorübergehend bezeichnet werden. Vielmehr handelt es sich um eine fortdauernd und immer wieder - über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg - aufgesuchte Einrichtung des Arbeitgebers. Der Kläger konnte sich wegen dieses langen Zeitraums ohne weiteres auf die immer gleiche Wegstrecke einstellen und auf die Minderung der Wegekosten hinwirken. Der Kläger konnte auch bereits bei seiner Abordnung und jedenfalls bei seiner späteren Versetzung damit rechnen, dass er voraussichtlich für den Zeitraum von 3 Jahren an der anderen Arbeitsstelle tätig werden würde.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29.03.2012, da der dortige Kläger als Soldat „jederzeit“ versetzt werden konnte, was im Streitfall nicht ausdrücklich vorgesehen war. Die Entscheidung des BFH vom 10.04.2008, wonach eine sich über einen Zeitraum von 4 Jahren erstreckende Fortbildungsmaßnahme nur „vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt“ sein könne, kann ebenfalls nicht auf den Streitfall nicht übertragen werden. In der Entscheidung erfolgte die Bildungsmaßnahme „neben seiner Vollbeschäftigung mit regelmäßiger Arbeitsstätte“, wobei die zwischenzeitliche Fortentwicklung der Rechtsprechung des BFH, dass bei mehreren Tätigkeitsstätten nur eine regelmäßige Arbeitsstätte gegeben sein kann (vgl. BFH-Urteil vom 09.06.2011), zu berücksichtigen ist. Im Streitfall handelt es sich bei der Tätigkeit an der anderen Arbeitsstelle jedoch um die einzige Arbeitsstätte des Klägers im betroffenen Zeitraum.

Betroffene Norm
§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG
Streitjahre 1996 und 1997 

Fundstelle
BFH, Urteil vom 08.08.2013, VI R 72/12, siehe Deloitte Tax-News
Niedersächsisches Finanzgericht
, Urteil vom 22.08.2012, 3 K 293/11

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 13.06.2012, VI R 47/11, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 09.02.2012, VI R 22/10, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 19.01.2012, VI R 36/11 und VI R 23/11, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
BFH, Urteile vom 09.06.2011, VI R 55/10, VI R 36/10 und VI R 58/09, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 17.06.2010, VI R 35/08, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 09.07.2009, VI R 21/08, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 10.04.2008, VI R 66/05, BStBl II 2008, S. 825
BFH, Urteil vom 22.07.2003, VI R 190/97, BStBl II 2004, S. 886
Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 29.03.2012, 5 K 2160/11, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 15.04.2011, 3 K 169/10, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News

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