Die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG findet auch auf die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft Anwendung (entgegen Auffassung der Finanzverwaltung).
Ein Alleineigentümer (Herr N) mehrerer Grundstücke, die er zunächst im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens als eingetragener Kaufmann hielt, gliederte im Streitjahr sein Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva gemäß §§ 152, 158ff., 123 ff. UmwG auf die im Zuge der Ausgliederung neu gegründete GmbH aus. Mitübertragen wurden auch die Anteile an der A-GmbH, die wiederum 100% der Anteile an weiteren grundbesitzenden Kapitalgesellschaften hielt.
Das Finanzamt setzte in Bezug auf die Ausgliederung und auch in Bezug auf die Übertragung der Beteiligung an der A-GmbH Grunderwerbsteuer fest. Die GmbH beantragte die Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung, dass zwar die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfüllt sind und somit (grundsätzlich) steuerbare Vorgänge vorliegen, die allerdings nach § 6a GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sind.
Gesetzliche Grundlage
Nach § 6a S. 1 GrEStG (n.F.) wird für einen (nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, Abs. 2 bis 3 oder Abs. 3a GrEStG) steuerbaren Rechtsvorgang auf Grund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG, einer Einbringung oder eines anderen Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Steuer nicht erhoben. Satz 1 gilt nur, wenn an dem dort genannten Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (vgl. § 6a S. 3 GrEStG). Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 vom Hundert ununterbrochen beteiligt ist (vgl. § 6a S. 4 GrEStG).
Das Finanzgericht Münster sieht den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als begründet an, da es sich nach dem FG um zwar (grundsätzlich) steuerbare Vorgänge handelt, die allerdings nach § 6a GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sind.
Steuerbefreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 6a GrEStG
Die Übertragung der Grundstücke sowie der Übergang der im Eigentum der Tochtergesellschaften der A-GmbH stehenden Grundstücke erfüllt nach dem FG die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG bzw. § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. Jedoch greife im Streitfall die Befreiungsvorschrift gemäß § 6a GrEStG.
Denn bei der Ausgliederung zur Neugründung handele es sich um einen Vorgang auf Grund einer Umwandlung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Weiter seien am Umwandlungsvorgang ausschließlich Herr N (zunächst als Einzelunternehmer und weiterhin über die Beteiligung an der GmbH wirtschaftlich tätig ) als herrschendes und die GmbH als abhängiges Unternehmen beteiligt gewesen.
Die die Beherrschung vermittelnde Beteiligung könne auch im Privatvermögen einer natürlichen Person gehalten werden (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19). Des Weiteren sei die Anwendung des § 6a GrEStG auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil Herr N als Einzelunternehmer beteiligt war. „Unternehmen“ im Sinne des § 6a GrEStG umfasse alle Rechtsträger, die wirtschaftlich tätig sind, unabhängig von ihrer Rechtsform (vgl. BFH- Beschluss vom 30.05.2017, II R 62/14; BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19). Aus dem Begriff „Unternehmen“ lasse sich auch nicht herleiten, dass die Beteiligung an den abhängigen Gesellschaften im Betriebsvermögen gehalten werden müsse. Dies gelte auch für die vorliegende Konstellation der Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine Kapitalgesellschaft zur Neugründung.
Das FG Münster beruft sich hierzu auch auf die bisherige BFH-Rechtsprechung, die für den umgekehrten Fall einer Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf ihre Alleingesellschaften ergangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19) und auch auf Rechtsprechung des Sächsischen Finanzgerichts (vgl. Sächsisches FG, Urteil vom 30.06.2021, 2 K 121/21; BFH-anhängig: II R 2/22). Auch die fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfristen wurden nach dem FG nicht verletzt.
§ 6a GrEStG
Streitjahr 2021
Abweichende Auffassung der Finanzverwaltung
Nach den Ländererlassen vom 22.09.2020 vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass in Fällen der Ausgliederung bzw. Aufnahme eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft die Steuervergünstigung in § 6a GrEStG nicht einschlägig ist (vgl. Ländererlasse vom 22.09.2020, Rz. 2.1, siehe Deloitte Tax News). Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung hält jedoch das FG Münster (ebenso wie das Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 30.06.2021, 2 K 121/21; BFH-anhängig: II R 2/22) die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG im Fall einer Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine Kapitalgesellschaft zur Neugründung für anwendbar. Die Entscheidung des BFH zu diesem Streitpunkt wird mit Spannung erwartet.
Finanzgericht Münster, Beschluss vom 03.05.2022, 8 V 246/22 GrE
BFH, Urteile vom 21.08.2019, II R 15-21/19, BStBl. II 2020, S. 329 ff, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 30.05.2017, II R 62/14, BStBl. II 2017, S. 916, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 13.09.1995, II R 80/92, BStBl. II 1995, S. 903
Sächsisches FG, Urteil vom 30.06.2021, 2 K 121/21; BFH-anhängig: II R 2/22, DStR 2021, S. 2969
Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 22.09.2020, BStBl. I 2020, S. 960, siehe Deloitte Tax News
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