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08.08.2013
Indirekte Steuern/Zoll

Reverse-Charge-Verfahren: Ab 01.09.2013 Änderungen für Gas- und Stromlieferer

Die Europäische Richtlinie zur Einführung der zeitweiligen Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens wurde veröffentlicht. Damit tritt die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Strom- und Erdgaslieferungen in Deutschland in bestimmten Fällen ab dem 01.09.2013 in Kraft.

Hintergrund

Durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung von steuerlichen Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz/ AmtshilfeRLUmsG) wurde das Reverse-Charge-Verfahren für Strom- und Erdgaslieferungen erweitert. Die Neuregelungen treten zu Beginn des zweiten Monats, der dem Tag der Veröffentlichung einer entsprechenden europäischen Rechtsgrundlage folgt, in Kraft. Die Europäische Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22.07.2013 zur Einführung der zeitweiligen Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens wurde am 26.07.2013 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Damit können die Neuregelungen am 01.09.2013 in Kraft treten.

Nach bisheriger Rechtslage galt die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nach § 13 b Abs. 2 Nr. 5 UStG nur für Lieferungen von Strom- und Erdgas unter den Bedingungen des § 3 g UStG von im Ausland ansässigen Unternehmen. Damit liegt die Steuerschuld für Lieferungen von in Deutschland ansässigen Versorgern jeweils beim Lieferanten.

Änderung der Rechtslage ab dem 01.09.2013

 
Nachdem neben anderen Bereichen auch bei Lieferungen von Gas- und Elektrizität Betrugsfälle vermutet werden, wurde die Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens auf rein nationale Transaktionen auf europäischer Ebene vorangetrieben. Nun wurde die Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens durch die Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22.07.2013 veröffentlicht. Die Mitgliedstaaten sind nunmehr ermächtigt, ein fakultatives und zeitweiliges Reverse-Charge-Verfahren für bestimmte Lieferungen einzuführen (z.B. die Lieferungen von Gas- und Elektrizität an steuerpflichtige Wiederverkäufer, die Lieferungen von Mobilfunkgeräten, von integrierten Schaltkreisen wie Mikroprozessoren und Zentraleinheiten vor Einbau in Endprodukte, die Übertragung von Gas- und Elektrizitätszertifikaten und die Erbringung von Telekommunikationsleistungen sowie die Lieferung von Spielkonsolen, Tablet-Computern und Laptops, von Getreide und Handelsgewächsen, Rohmetallen und Metallhalberzeugnissen). Diese Richtlinie gilt zunächst nur bis zum 31.12.2018.

Die Bundesrepublik hat von dieser Möglichkeit mit dem AmtshilfeRLUmsG zunächst nur mit der Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens für die Lieferung von Gas und Strom in nationales Recht Gebrauch gemacht.

Ab dem 01.09.2013 gilt die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auch für Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität durch im Inland ansässige Unternehmer an Unternehmer, die selbst derartige Leistungen erbringen. Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft gilt jedoch nur für Lieferungen an folgende Leistungsempfänger: 

  • Erdgas: Unternehmer, die Erdgas liefern (insbesondere bei Erhalt einer Bestätigung des zuständigen Hauptzollamtes über eine Anmeldung als Erdgaslieferer nach § 38 Abs. 3 EnergieStG) 
  • Strom: Wiederverkäufer im Sinne des § 3g UStG (d.h. dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb von Elektrizität in dessen Lieferung besteht - Unternehmer veräußert mehr als die Hälfte der von ihm erworbenen Menge weiter - und der eigene Verbrauch von Strom von untergeordneter Bedeutung ist – verwendet nicht mehr als 5 % der erworbenen Mengen zu eigenen (unternehmerischen oder nicht unternehmerischen) Zwecken. Maßgeblich sind die Verhältnisse im vorangegangenen Kalenderjahr. 

Bei der Lieferung von Strom muss jedoch zusätzlich der liefernde Unternehmer ebenfalls Wiederverkäufer im Sinne des § 3g UStG sein. Nach der Intention des Gesetzgebers sollen damit insbesondere Betreiber von Photovoltaikanlagen nicht unter diese Regelungen fallen. Für die Betreiber von Photovoltaikanlagen verbleibt es daher bei dem Ausweis der deutschen Umsatzsteuer.

Daher lassen sich die rein nationalen Lieferbeziehungen wir folgt unterscheiden:

Liefernder Unternehmer ist Leistungsempfänger ist Steuerschuld beim
Erdgas Erdgaslieferer Erdgaslieferer Leistungsempfänger
Erdgaslieferer Unternehmer Leistenden
Strom Wiederverkäufer Wiederverkäufer Leistungsempfänger
Wiederverkäufer Unternehmer Leistenden
Unternehmer Wiederverkäufer Leistenden

Herausforderungen für die Praxis

 
In Deutschland ansässige Lieferer von Strom und/oder Erdgas, die unter den oben genannten Bedingungen Erdgaslieferer und Wiederverkäufer beliefern, müssen daher ihre Compliance anpassen.

Sie müssen für eine richtige Erklärung der Lieferungen in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Umsatzsteuer-Jahreserklärungen nicht nur eine Unterscheidung in Lieferungen an in- oder ausländische Kunden vornehmen, sondern zusätzlich noch je nach Liefergegenstand trennen zwischen Erdgaslieferern/Wiederverkäufern und Kunden, die nicht als Erdgaslieferer/Wiederverkäufer qualifiziert werden können. Dies gilt sowohl eingangs- als auch ausgangsseitig. In der Praxis dürfen die sich ergebenden Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Qualifikation der beteiligten Vertragsparteien nicht unterschätzt werden.

Wir empfehlen daher diesen Unternehmen eine gründliche Überprüfung der Lieferanten- und Kundenstruktur, der Stammdaten in den IT-Systemen und der jeweiligen automatisierten Prozesse im Rahmen der Rechnungstellung und des Reportings.

Neben der Implementierung von zusätzlichen Steuer-Codes im IT System ändert sich auch die Rechnungstellung. Der Steuersatz und die deutsche Umsatzsteuer sind nicht mehr in der Rechnung auszuweisen, ansonsten schuldet der Lieferer die Umsatzsteuer wegen eines unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Absatz 1 UStG und der Empfänger hat aus dieser Rechnung keinen Vorsteuerabzug. Ferner hat die Rechnung einen Hinweis zu enthalten, wonach der Leistungsempfänger die Steuer schuldet.

Ferner sind Vorkehrungen im Rahmen der Kommunikation mit den Kunden zu treffen. Nicht jedem Unternehmen sind diese Neuregelung und deren Konsequenzen bekannt.

Die Einführung des Reverse-Carge-Verfahrens für die o.g. Lieferungen von Gas und Strom erscheint also nur auf den ersten Blick eine Vereinfachung mit sich zu bringen. Die Minderung der damit verbundenen Betrugsanfälligkeit wird durch komplexer werdende Compliance-Anforderungen „erkauft“. Jedenfalls sollten sich die beteiligten Unternehmen bereits jetzt mit der Umstellung beschäftigen. Es verbleibt nur noch wenig Zeit. Aufgrund der Kürze der verbleibenden Zeit bis zum Inkrafttreten wäre eine Übergangsregelung durch das Bundesministerium der Finanzen wünschenswert.

Fundstellen

Europäische Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22.07.2013, Amtsblatt der Europäischen Union L 201/4 DE vom 26.07.2013
Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz/ AmtshilfeRLUmsG, Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News

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