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01.04.2011
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Finanzielle Eingliederung bei USt-Organschaft

Sachverhalt

Der im Streitjahr 1996 nicht unternehmerisch tätige X war jeweils alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der F-GmbH (Klägerin), der Verwaltungs-GmbH und der B-GmbH. Die Klägerin als auch die B-GmbH hatten die Leitung ihres Unternehmens durch Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag der Verwaltungs-GmbH unterstellt. Streitig ist, ob die F-GmbH als - umsatzsteuerrechtlich unselbständige - Organgesellschaft in das Unternehmen der Verwaltungs-GmbH eingegliedert war.

Entscheidung

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die F-GmbH nicht in die Verwaltungs-GmbH finanziell eingegliedert war. Eine finanzielle Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % (vgl. BFH-Urteile vom 22.11.2001, 19.05.2005, 30.04.2009, 22.04.2010). Die Stimmenmehrheit an einer Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung des Organträgers erreicht werden (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.2005).

Der BFH hatte bei einer Personengesellschaft als Organträger - anders als bei einer Kapitalgesellschaft als Organträger - es als ausreichend angesehen, dass die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wurde, so dass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Stimmrechte verfügten und damit die Personengesellschaft mittelbar ihren Willen in der Organgesellschaft durchsetzen konnte (BFH-Urteil vom 20.01.1999). Der Senat hat seinerzeit darauf abgestellt, bei Vorliegen vor allem der wirtschaftlichen Eingliederung der Untergesellschaft könnten diese Beteiligungen im Rahmen der Obergesellschaft als notwendiges (Sonder-) Betriebsvermögen auszuweisen sein (vgl. BFH-Beschluss vom 28.02.1996). Die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bewirkt aber nicht, dass das Eigentum an den GmbH-Anteilen und damit die Stimmrechte des Gesellschafters der GmbH auf die Personengesellschaft übergehen. Dass die jeweils beide Gesellschaften beherrschende natürliche Person rein tatsächlich in der Lage ist, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen, reicht für die Annahme einer finanziellen Eingliederung der einen Gesellschaft in die andere nicht aus (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG). Nunmehr hat der V. Senat des BFH eine finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft verneint, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH verfügen (vgl. Urteil vom 22.04.2010). Der erkennende Senat gibt seine Rechtsprechung in dem Urteil vom 20.01.1999 auf. Die bisherige unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform verstößt gegen den durch die Rechtsprechung des EuGH ausgeprägten unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, weil sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

Im Streitfall war die Verwaltungs-GmbH weder unmittelbar noch mittelbar an der F-GmbH beteiligt. Dass X alleiniger Gesellschafter sowohl der Verwaltungs-GmbH als auch der F-GmbH war, reicht nicht aus. Denn dadurch ist keine der beiden Gesellschaften in das andere Unternehmen eingeordnet. Es handelt sich um gleichgeordnete Schwestergesellschaften, zwischen denen, würde nicht auf das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis abgestellt werden, wechselseitige und jeweils austauschbare Organverhältnisse denkbar wären (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1996). Eine fehlende Beteiligung kann nicht durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden.

Betroffene Norm

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG
Streitjahr 1996

Vorinstanz

Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 12.03.2008, 8 K 560/05, EFG 2009, S. 879

Fundstelle

BFH, Urteil vom 01.12.2010, XI R 43/08, BStBl II 2011, S. 600 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 20.01.1999, XI R 69/97, BFH/NV 1999, S. 1136
BFH, Urteil vom 22.11.2001, V R 50/00, BStBl II 2002, S. 167
BFH, Urteil vom 19. 05.2005, V R 31/03, BStBl II 2005, S. 671
BFH, Urteil vom 30.04.2009, V R 3/08, BFH/NV 2009, S. 1734
BFH, Urteil vom 22.04.2010, V R 9/09, BFH/NV 2010, S. 1581, ausführlicher in den Deloitte Tax-News 
BFH, Urteil vom 18.12.1996, XI R 25/94, BStBl II 1997, S. 441
BFH, Beschluss vom 28.02.1996, XI R 25/94, UR 1996, S. 334 
BMF-Schreiben vom 05.07.2011, IV D 2 - S 7105/10/10001

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