Auswirkungen der Reform auf die Vorschriften in Deutschland in der Diskussion – Anwendung reduzierter MwSt-Sätze.
Die in der MwStSystRL enthaltenen Vorschriften über ermäßigte Steuersätze gewährleisten das Funktionieren des Binnenmarktes und verhindern Wettbewerbsverzerrungen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Innerhalb des unionsrechtlich vorgegebenen Rahmens können die Mitgliedstaaten der EU die Ermäßigungen festlegen. Im Rahmen der Umstellung zur Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip und damit zu einem einheitlichen, endgültigen MwSt-System wurde die Reform der Steuersätze erforderlich. Darüber hinaus zeigte sich im Rahmen der Covid-Pandemie, wie wesentlich es ist, dass die Mitgliedstaaten in der Lage sind, zügig und eigenständig auf außergewöhnliche Situationen reagieren zu können und umsatzsteuerliche Maßnahmen umzusetzen. Mit der am 6.4. im EU-Amtsblatt veröffentlichten Richtlinie erhalten die Mitgliedstaaten mehr Flexibilität bei der Anwendung der reduzierten MwSt-Sätze. Eine breitere Anwendung der ermäßigten Steuersätze ist insbesondere in den Bereichen der Daseins- und Sozialfürsorge sowie den Bereichen Umwelt und Digitalisierung vorgesehen. Die Richtlinie ist am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft getreten. Spätestens bis zum 31.12.2024 müssen die Mitgliedstaaten die neuen Vorschriften in nationales Recht umsetzen.
Der Regelsteuersatz beträgt weiterhin mindestens 12%. Den Mitgliedstaaten wird gestattet, auf die in Anhang III der MwStSystRL genannten Gegenstände und Dienstleistungen höchstens zwei ermäßigte Steuersätze in Höhe von mindestens 5% anzuwenden. Ferner sind die Mitgliedstaaten berechtigt, auf bestimmte Leistungen einen ermäßigten Steuersatz, der unterhalb des Mindestsatzes von 5% liegt, sowie eine Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug, anzuwenden. Die Anzahl der in Anhang III der MwStSystRL aufgeführten Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigt besteuert werden dürfen, ist begrenzt. Die ermäßigte Besteuerung soll die Ausnahme bleiben.
Unter anderem sind dabei folgende Änderungen beachtlich:
Digitalen Dienstleistungen kommt bei der Wertschöpfung und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eine Schlüsselrolle zu. Insbesondere um die unzureichende Versorgung mit Internetzugangsdiensten abzuhelfen und die Weiterentwicklung zu unterstützten, wurden digitale Dienstleistungen, die bislang nicht für ermäßigte Steuersätze in Frage kamen, wie Internetzugang sowie das Live-Streaming von Kultur- und Sportveranstaltungen, bei den Neuregelungen berücksichtigt.
Zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme sowie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit haben sich insbesondere im Rahmen der Bekämpfung der Covid-19 Pandemie die Anwendung von ermäßigten Steuersätzen auf bestimmte medizinische Produkte und Schutzausrüstungen sowie ähnliche Produkte als nützlich erwiesen. Diese Freiheit soll den Mitgliedstaaten auch im Rahmen der Bekämpfung künftiger Krisen erhalten bleiben.
Darüber hinaus wird den Mitgliedstaaten mit den neuen Regelungen die Möglichkeit eingeräumt, zu einer klimaneutralen und ökologischen Wirtschaft beizutragen, indem sie ermäßigte Steuersätze auf umweltfreundliche Lieferungen anwenden und zugleich die schrittweise Beendigung der bestehen Vorzugsbehandlung von umweltschädlichen Lieferungen vorbereiten. Ermäßigte Steuersätze kommen daher nicht nur für die Lieferung von Fahrrädern und ökologischen Heizsystemen in Betracht, sondern auch für Solarpaneele, die in Privathaushalten und öffentlichen Gebäuden installiert werden.
Die im Rahmen der neuen Richtlinie geltenden Änderungen sind ein wesentlicher Schritt hin zu einem einheitlichen, endgültigen MwSt-System unter Beachtung eines fairen Wettbewerbs. Dass die Mitgliedstaaten die größere Flexibilität im Rahmen der Anwendung der ermäßigten Steuersätze befürworten, zeigt die hohe Zustimmung der Teilnehmer im ECOFIN Rat (Finanzministerrat der EU) im Rahmen der Beratung und Abstimmung über die Richtlinie. Insgesamt stimmten 21 der 27 Mitgliedstaaten der EU für die Annahme der Richtlinie. Dabei trägt die Reform der Steuersätze insbesondere der fortschreitenden Digitalisierung und den Klimazielen der EU Rechnung. Konkret werden mehr Branchen von den Änderungen erfasst, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. So bezieht sich die Erweiterung der Anwendung der ermäßigten Steuersätze unter anderem auf die Lieferung und Installation von Solaranlagen, schließt an anderer Stelle aber auch Bauleistungen an Wohn- und öffentlichen Gebäuden sowie die Reparatur von Haushaltsgeräten ein.
In welchem Umfang Deutschland die Umsetzung der Richtlinie anstrebt, ist derzeit offen. Die von der Regierung im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele stimmen in weiten Bereichen mit der Intention der neuen Richtlinie überein, so dass einer Umsetzung der Richtlinie in mehreren Bereichen und einem größeren Umfang nichts entgegensteht.
Art. 98, 99, 100, 101a, (101, 102, 103, 104a, 105 gestrichen), 104, 105a, 105b MwStSystRL; Art. 288 EU/RL 2020/285
RICHTLINIE (EU) 2022/542 DES RATES
vom 05. April 2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze; ABI, L 107/1 vom 06.April.2022.
Council of the European Union : OUTCOME OF PROCEEDINGS
From: General Secretariat of the Council, To: Delegations
Subject: Proposal for a COUNCIL DIRECTIVE amending Directive 2006/112/EC as regards rates of value added tax - General approach, 07. December 2021, 14754/21
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