Auch eine besonders stark ausgeprägte organisatorische Eingliederung ersetzt nicht die fehlende finanzielle Eingliederung.
Streitig war die finanzielle Eingliederung und damit das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen einer GmbH als Organgesellschaft und dem Steuerpflichtigen als Organträger. Der Steuerpflichtige hält 50% der Anteile einer GmbH mittelbar über eine GbR. Die übrigen 50% der Anteile an der GmbH werden von einer Erbengemeinschaft gehalten, an der der Steuerpflichtige zu 1/3 beteiligt ist. Im Rahmen eines Vorausvermächtnisses hatte die Erblasserin verfügt, dass der Steuerpflichtige die Beteiligung der Erblasserin an der GmbH allein erhalten sollte. Mit notariellem Vertrag vom Juli 2013 wurde der Geschäftsanteil der Erblasserin an der GmbH von der Erbengemeinschaft auf den Kläger übertragen. Die Übertragung erfolgte schuldrechtlich rückwirkend zum Todestag der Erblasserin zum 01.12.2012. Das Finanzamt behandelte die GmbH ab 01.12.2012 als Organgesellschaft des Steuerpflichtigen.
Die Voraussetzungen der Organschaft müssen stets vollständig gegeben sein. Die Annahme einer Organschaft kann daran scheitern, dass die finanzielle Eingliederung nicht vollkommen ist, selbst wenn die übrigen Voraussetzungen der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung vorliegen.
Die GmbH ist nicht finanziell in das Unternehmen des Steuerpflichtigen eingegliedert, da dieser die Erbengemeinschaft bei einer Beteiligung von nur 1/3 nicht beherrscht. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vorausvermächtnis der Erblasserin zu Gunsten des Steuerpflichtigen, wonach die Erbengemeinschaft später tatsächlich durch notarielle Abtretung mit schuldrechtlicher Wirkung rückwirkend die 50%-ige Beteiligung an der GmbH auf den Steuerpflichtigen übertragen hat.
Das Merkmal der finanziellen Eingliederung erfordert die Stimmenmehrheit, also mehr als 50% der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist. Es kommt auf die rechtliche Durchsetzbarkeit der Willensbildung in der Gesellschafterversammlung an. Dabei reicht es nicht aus, auf das wirtschaftliche Eigentum und damit auf die wirtschaftliche Durchsetzbarkeit abzustellen. Mit dem Vorausvermächtnis erlangte der Steuerpflichtige lediglich einen Anspruch gegen die Miterben auf Übertragung des 50%-igen Geschäftsanteils. Solange die Übertragung noch nicht erfolgte, haben die Erben nur gemeinschaftlich die Rechte aus dem Geschäftsanteil.
Die gemeinschaftliche Verwaltung der Geschäftsanteile endete daher erst mit dinglicher Wirkung durch notarielle Abtretung des Geschäftsanteils auf den Steuerpflichtigen. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Beteiligung an der GbR rechtlich in der Lage gewesen wäre, bereits zu einem früheren Zeitpunkt ohne Beteiligung der Erbengemeinschaft den Geschäftsanteil der Erbengemeinschaft an der GmbH in Vollzug des Vorausvermächtnisanspruchs formwirksam an sich selbst abtreten zu können. Für den Erbfall kann zwar im Rahmen des Gesellschaftsvertrags eine durch das Ableben eines Gesellschafters bedingte Abtretung eines Gesellschaftsanteils geregelt sein. Eine solche bedingte Abtretung war im vorliegenden Fall jedoch nicht vereinbart worden.
Das FG Baden-Württemberg folgt ausdrücklich nicht der Auffassung eines früheren BFH Urteils (vgl. Urteil v. 23.7.1964, BFH V 180/61) und der Verwaltungsauffassung (Abschn. 2.8. Abs. 1 S. 3 UStAE). Wesentlich ist vielmehr, dass die Voraussetzungen einer Organschaft stets vollständig gegeben sind. Die Ansicht, wonach eine Organschaft auch deshalb gegeben sein kann, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete (organisatorische, finanzielle und wirtschaftliche Eingliederung) nicht vollständig, dafür aber auf den anderen Gebieten umso eindeutiger ist, sodass sich die Eingliederung aus dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse ergibt, ist, wenn überhaupt, lediglich im Hinblick auf die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Eingliederung denkbar. Sind hingegen die Voraussetzungen der organisatorischen Eingliederung nicht vollständig gegeben, kann das durch eine stärkere wirtschaftliche und finanzielle Eingliederung nicht ausgeglichen werden. Selbiges gilt, wenn die Merkmale der finanziellen Eingliederung nicht vollständig gegeben sind. Auch diese können nicht durch eine besonders stark ausgeprägte organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung ausgeglichen werden.
Zur Vermeidung von Auseinandersetzungen sollten Betroffene daher die Vor- bzw. Nachteile einer Organschaft vorher abwägen. Ist eine Organschaft gewollt, so sollten die Voraussetzungen vollständig vorliegen und von Beginn an eindeutig bestimmbar dargelegt werden können. Das kann entweder durch eine Eintragung ins Handelsregister und/oder durch Gesellschaftsvertrag erfolgen. Für den Erbfall steht jedenfalls fest, dass ein Vorausvermächtnis mit der Verpflichtung Geschäftsanteile in Höhe von 50% zu übertragen und die spätere schuldrechtlich rückwirkende Vollziehung nicht ausreichen, um eine finanzielle Eingliederung zu bejahen.
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, UStAE 2.8 Abs. 1
Finanzgericht Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid vom 31.1.2018, 1 K 2444/16, rkr.,
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