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14.06.2012
Private Einkommensteuer

BFH: Unentgeltliche Anteilsübertragung einer unwesentlichen Beteiligung

Anteilsveräußerungen sind steuerbar, wenn der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat und der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war. Dies gilt nur bei unentgeltlicher Übertragung von bereits steuerverstrickten Anteilen. War der Rechtsvorgänger erst nach der unentgeltlichen Übertragung aufgrund einer Gesetzesänderung wesentlich beteiligt, ist dem Veräußerer die Besitzzeit des Rechtsvorgängers nicht zuzurechnen.

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die in den Streitjahren 2000 und 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war zu 25 % an dem Stammkapital der P GmbH beteiligt, die Ende des Jahres 1997 in eine Aktiengesellschaft, die P AG, umgewandelt wurde. Der Kläger schenkte der Klägerin am 24.12.1998 29.500 Aktien. Im Rahmen einer Grundkapitalerhöhung und durch Umwandlung von Gewinnrücklagen hat die Klägerin weitere Aktien hinzuerworben; ihre Beteiligungsquote blieb unter 10 %. Im September 2000 verkaufte die Klägerin 20.000 Aktien, im Oktober 2001 veräußerte sie weitere Aktien iHv von 5,05 % des damaligen Grundkapitals der P AG. In ihren Einkommensteuererklärungen gaben die Kläger im Zusammenhang mit den dargestellten Vorgängen keine Einkünfte an. Eine Außenprüfung beim Kläger kam zu dem Ergebnis, die Klägerin habe durch die in den Streitjahren vorgenommenen Veräußerungen von Aktien (Veräußerungs)Gewinne i.S. des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG erzielt, da die Klägerin die Aktien unentgeltlich von ihrem Rechtsvorgänger, der innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt gewesen war, erhalten habe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Entscheidung

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils, da das FG zu Unrecht von steuerbaren Anteilsveräußerungen der Klägerin ausgegangen ist.

Die Klägerin war zu keinem Zeitpunkt selbst maßgeblich an der P AG beteiligt; die Beteiligungsgrenze von 1 % gilt erst für Veräußerungen ab 2002 (§ 17 Abs. 1 S. 4 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 S. 1 EStG n.F. iVm § 52 Abs. 34a S. 1 EStG). Die streitbefangenen Anteilsveräußerungen können nur steuerbar sein, wenn die Klägerin den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat und der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war (§ 17 Abs. 1 S. 5 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 S. 4 EStG n.F.). Der jeweilige Tatbestand erfasst aber - anders als § 17 Abs. 1 S. 1 EStG - nicht alle Anteile einer Beteiligung ("von Anteilen"), sondern nur die in besonders qualifizierter Weise erlangten Anteile. Er verweist ("so gilt Satz 1 entsprechend") auch nicht allgemein auf § 17 Abs. 1 S. 1 EStG, sondern lediglich entsprechend auf die Rechtsfolge des Abs. 1 S. 1 dieser Vorschrift, wonach der Gewinn/Verlust aus der Veräußerung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört. Die Beteiligung bleibt eine unwesentliche Beteiligung. Es handelt sich um eine Rechtsfolgen- und nicht um eine Rechtsgrundverweisung. Die Vorschrift ist objektbezogen (BFH-Urteil vom 29.07.1997 m.w.N.); sie dient dem Zweck, Anteile eines wesentlich Beteiligten nicht aus der Steuerverhaftung allein dadurch zu entlassen, dass sie unentgeltlich übertragen werden. Es soll vermieden werden, dass ein wesentlich Beteiligter seine Beteiligung aufteilen und unentgeltlich auf mehrere Personen übertragen kann, die diese dann ohne Versteuerung des Gewinns veräußern könnten.

Die wesentliche Beteiligung des Übertragenden muss bereits vor dem unentgeltlichen Erwerb des späteren Veräußerers bestanden haben. Denn nur die unentgeltliche Weitergabe eines Teils eines steuerverhafteten Anteils kann dazu dienen, eine steuerbare Anteilsveräußerung zu vermeiden. In "besonders qualifizierter Weise erlangt" (BFH-Urteil vom 29.07.1997) sind nur Anteile aus einer wesentlichen Beteiligung. Soll sich der spätere Veräußerer als Rechtsnachfolger die Besitzzeit seines wesentlich beteiligten Rechtsvorgängers anrechnen lassen, setzt dies voraus, dass diese wesentliche Beteiligung im Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung bereits bestand. Andernfalls kommt eine Rechtsnachfolge in einen bereits steuerverhafteten Anteil nicht in Betracht.

Nach der Gesetzesfassung 1998 war der Kläger im Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung nicht wesentlich beteiligt. Hieran ändert auch die Senkung der Wesentlichkeitsgrenze ab 1999 bzw. 2001 nichts. § 17 Abs. 1 S. 5 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 S. 4 EStG n.F. ist insoweit veranlagungszeitraumbezogen auszulegen. Nur so kann dem Interesse des unentgeltlichen Erwerbers an Planungssicherheit Rechnung getragen werden. Die Formulierung "wesentlich beteiligt war" legt eine veranlagungszeitraumbezogene Auslegung nahe (vgl. BFH-Urteil vom 29.05.2008).

Betroffene Norm

§ 17 Abs. 1 S. 4/S. 5 a.F. EStG
Streitjahre 2000 und 2001

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 13.11.2009, 14 K 2210/06 E, EFG 2010, S. 646

Fundstelle

BFH, Urteil vom 24.01.2012, IX R 8/10

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 29.07.1997, VIII R 80/94, BStBl II 1997, S. 727
BFH, Urteil vom 29.05.2008, IX R 62/05, BStBl II 2008, S. 856

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