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23.03.2017
Unternehmensteuer

BFH: Nachträgliche Anschaffungskosten nach MoMiG

Mit Urteil vom 11.07.2017 hat der BFH entschieden, dass – entgegen langjähriger BFH-Rechtsprechung – nach Inkrafttreten des MoMiG keine nachträglichen Anschaffungskosten im Sinne von § 17 EStG vorliegen, wenn ein Gesellschafter als Bürge für Verbindlichkeiten der GmbH in Anspruch genommen wird (Rechtsprechungsänderung). Vertrauensschutz in die bisherige Rechtsprechung wird für bis zum 27.09.2017 geleistete eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen gewährt.
BFH, Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, siehe Deloitte Tax News 
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BFH: Beitrittsaufforderung an das BMF
Der BFH wird sich in einem Revisionsverfahren grundlegend mit der Frage befassen, ob und unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen des Gesellschafters aus einer zugunsten der Gesellschaft geleisteten Finanzierungshilfe auch nach Inkrafttreten des MoMiG als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind. Das BMF wurde zum Beitritt aufgefordert.

Sachverhalt

Der Kläger war zunächst Angestellter und seit 2010 alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. In 2006 hatte der Kläger selbstschuldnerische Bürgschaften für der GmbH gewährte Bankdarlehen übernommen. Der in 2011 für die GmbH gestellte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde mangels Masse abgelehnt. In der Folgezeit wurde der Kläger persönlich für die Verbindlichkeiten der GmbH aus den von ihm übernommenen Bürgschaften in Anspruch genommen. Der Kläger machte einen Veräußerungsverlust aus der Auflösung der GmbH nach § 17 Abs. 4 EStG geltend, den er im Wesentlichen aus nachträglichen Anschaffungskosten aus der Inanspruchnahme aus den Bürgschaften errechnete. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen aus der Bürgschaftsinanspruchnahme ab, da sich die GmbH im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme nicht in einer Krise befunden habe.

Finanzgericht Düsseldorf

Nachdem der Einspruch des Klägers erfolglos blieb, gab das FG mit Urteil vom 10.03.2015 (9 K 962/14 E) der Klage statt. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes seien bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts die Aufwendungen des Klägers aus der Inanspruchnahme der Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Denn die Übernahme der Bürgschaft sei gesellschaftlich veranlasst gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme noch nicht Gesellschafter gewesen sei, da er die Bürgschaft erkennbar als künftiger Gesellschafter übernommen habe. Auf die Frage, ob die übernommenen Bürgschaften als eigenkapitalersetzend im Sinne der Rechtsprechung des BFH anzusehen sind, komme es nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl I 2008, 2026) nicht mehr an. Im Übrigen seien jedoch die Bürgschaften im Streitfall auch unter Zugrundlegung der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze als krisenbestimmt und somit als eigenkapitalersetzend anzusehen. Hiergegen richtet sich die Revision des Finanzamtes.

Revision des Finanzamtes

Entgegen der Auffassung des FG seien die bisherigen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze grundsätzlich weiterhin anzuwenden. Auch unter Geltung des MoMiG sei der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich frei in der Entscheidung, ob er der Gesellschaft Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung stelle. Die Beurteilung der Frage, ob eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen sei, richte sich maßgeblich danach, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann das Risiko einer vergleichbaren Finanzierungshilfe eingegangen wäre. Dabei komme dem Merkmal der Krise weiterhin entscheidende Bedeutung zu. In einer solchen Krise habe sich aber die GmbH im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaften nicht befunden.

Beitrittsaufforderung an das BMF

Der BFH nimmt das Revisionsverfahren zum Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen, ob, unter welchen Voraussetzungen und gegebenenfalls in welchem Umfang Aufwendungen des Gesellschafters aus einer zugunsten der Gesellschaft geleisteten Finanzierungshilfe auch nach Inkrafttreten des MoMiG als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungs- oder Auflösungsverlusts nach § 17 EStG zu berücksichtigen sind. Der BFH hat das BMF aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten.

Hintergrund

Rechtslage aufgrund des MoMiG
Durch das MoMiG wurde das Eigenkapitalersatzrecht grundlegend dereguliert. Die Bestimmungen über kapitalersetzende Darlehen (§§ 32a, 32b GmbHG) wurden im Rahmen des MoMiG aus dem GmbHG entfernt und im Insolvenzrecht sowie im Anfechtungsgesetz neu geordnet. Kern der Neuregelungen ist eine gesetzliche Nachrangigkeit aller Rückzahlungsansprüche aus Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, unabhängig davon, ob sie in der Krise gewährt wurden oder nicht.

Folgerungen der Finanzverwaltung
Das BMF vertritt im Schreiben vom 21.10.2010 zur Auswirkung des MoMiG auf nachträgliche Anschaffungskosten gemäß § 17 Abs. 2 EStG folgende Auffassung:

Für die Frage nachträglicher Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG sei auf die gesellschaftsrechtliche Veranlassung abzustellen. Unbeschadet der Aufgabe des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG orientiere sich deshalb die Auslegung einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung nach wie vor an der bereits von dem BMF-Schreiben vom 08.06.1999 herangezogenen Figur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers, so dass bei gesellschaftsrechtlicher Veranlassung auch zukünftig nachträgliche Anschaffungskosten bei uneinbringlichen Rückzahlungsansprüchen des Gesellschafters anzunehmen seien.

Ein Darlehen sei nach Auffassung des BFH u. a. dann durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder Weitergewährung die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise). Der Begriff der Krise und die steuerliche Anknüpfung an die Krise seien auch im zeitlichen Geltungsbereich des MoMiG beizubehalten. Außerdem sei auch nach der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts im Rahmen des MoMiG eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Darlehensgewährung danach zu beurteilen, ob die Gesellschaft unter den bestehenden Verhältnissen von einem Dritten noch einen Kredit zu marktüblichen Bedingungen erhalten hätte. Die bisherige Rechtsprechung des BFH zu nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG könne daher grundsätzlich weiterhin angewendet werden.

Was im Fall der Hingabe des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gelte, gelte nach Auffassung des BFH grundsätzlich auch bei einem der Gesellschaft vor der Krise gewährten Darlehen, wenn der Gesellschafter das Darlehen stehen lässt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, dass die Rückzahlung gefährdet sein wird (sog. stehen gelassenes Darlehen).

Betroffene Norm

§ 17 EStG
Streitjahr 2011

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.03.2015, 9 K 962/14 E, EFG 2015, S. 1271

Fundstellen

BFH, Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl II 2017 Seite 683, siehe Deloitte Tax News

Pressemitteilung Nr. 60 vom 27.09.2017 

BFH, Beschluss vom 11.01.2017, IX R 36/15 

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 21.10.2010
BMF, Schreiben vom 08.06.1999, BStBl I S. 545

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