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20.01.2022
Unternehmensteuer

BFH: Nachveräußerungssperre bei Abspaltung

Die Voraussetzungen für eine schädliche Veräußerung, die einer Buchwertfortführung bei Abspaltungen entgegensteht, gelten nur dann als geschaffen, wenn innerhalb der Fünfjahresfrist die 20%-Grenze überschritten wird. § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG hat demnach keinen eigenständigen, von Satz 4 losgelösten Anwendungsbereich. Sätze 3 und 4 des § 15 Abs. 2 UmwStG bilden vielmehr eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung.

Sachverhalt

Die A GmbH spaltete zum 31.12.2007 eine 100 %-ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft auf eine in 2008 neu gegründete GmbH (eine Schwestergesellschaft der A GmbH) gegen Gewährung von Anteilen ab. Diese Abspaltung hatten die Muttergesellschaften der A GmbH mit einer Käuferin im Rahmen eines Kaufvertrags vereinbart, in welchem gleichzeitig festgelegt wurde, dass die Käuferin die Anteile an der neu gegründeten GmbH von den Muttergesellschaften der A GmbH erwerben sollte. Der Kaufvertrag wurde kurz nach Durchführung der Abspaltung vollzogen. Die in § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG geregelte 20%-Grenze (siehe unten) wurde dabei nicht überschritten. Für die Abspaltung wurde die Buchwertfortführung beantragt.

Das Finanzamt versagte die beantragte Fortführung zu Buchwerten unter Hinweis auf die in § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG geregelte sog. Nachspaltungsveräußerungssperre und setzte stattdessen den gemeinen Wert an. Auch das FG war der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung nicht vorliegen, da durch die Spaltung nachweislich die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. Für das FG war unerheblich, ob die in § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG aufgeführten Fallkonstellationen (Fünfjahresfrist und 20%-Grenze, siehe unten) erfüllt sind, denn § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG habe einen (über die Fälle von § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG hinausgehenden) eigenständigen Anwendungsbereich.

Entscheidung

Im Gegensatz zum FG kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die Abspaltung zu Buchwerten durchgeführt werden konnte. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG liegen im Streitfall nicht vor und § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ist kein eigenständiger Ausschlussgrund für eine Buchwertfortführung.

Gesetzliche Grundlage

In § 15 Abs. 2 S. 1 bis 5 UmwStG werden Ausnahmen von einer Buchwertfortführung nach § 11 Abs. 2 UmwStG normiert. Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ist § 11 Abs. 2 UmwStG (Ansatz der Buchwerte) nicht anzuwenden, „wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden“. „Davon ist auszugehen, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 Prozent der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert werden“ (§ 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG).“

Kein Fall des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG

Die Voraussetzungen für § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG liegen im Streitfall nicht vor, da die 20%-Grenze nicht erreicht wird.

Kein eigenständiger Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG

Abweichend zur Rechtsauffassung des FG schließt sich der BFH der überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung an, dass § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG nur die Grundlage für die Vermutung des Satzes 4 regelt und keinen eigenständigen Anwendungsbereich hat (vgl. u.a. FG Berlin-Brandenburg vom 31.05.2018 - 9 K 9143/16, EFG 2018, 1681; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 9. Aufl., § 15 UmwStG Rz 149; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 15 UmwStG Rz 200; Dötsch/Stimpel in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 15 UmwStG Rz 277; a.A. u.a. Finanzbehörde Hamburg, Urteil vom 13.04.2015, DStR 2015, S. 1871).

Der BFH begründet seine Auffassung – auch unter Berufung auf seine Rechtsprechung zur Vorgängerregelung des UmwStG 1995 (vgl. BFH-Urteil vom 03.08.2005, I R 62/04) - mit dem Wortlaut der Vorschrift. Der Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG „davon ist auszugehen, wenn“ lege nahe, dass Satz 3 ohne die weiteren Voraussetzungen des Satzes 4 keinen eigenen Anwendungsbereich hat. Hätte der Gesetzgeber in Satz 4 nur ein mögliches Regelbeispiel nennen wollen, so hätte er das Wort „insbesondere“ oder „etwa“ einfügen können.

Systematische Auslegung

Darüber hinaus führt der BFH aus, dass es der Regelung in Satz 4 nicht bedürfe, wenn bereits die durch eine Spaltung stets geschaffenen Voraussetzungen für eine getrennte Veräußerung von Anteilen, auch ohne nachfolgend tatsächliche Veräußerung innerhalb von fünf Jahren tatbestandlich sein sollte.

Historische und teleologische Auslegung

Auch die Entstehungsgeschichte und der Zweck des § 15 Abs. 2 UmwStG spreche für die vom BFH vertretene Sichtweise. Der Gesetzgeber habe durch § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG eine Abgrenzung vornehmen wollen, die an einfach zu ermittelnde und objektive Umstände anknüpft, ohne dass im Einzelfall nachgeprüft werden muss, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 3 UmwStG tatsächlich vorliegen. Würde man demgegenüber dem Satz 3 einen eigenständigen Anwendungsbereich zubilligen, so würde dies gerade zu der vom Gesetzgeber missbilligten und auch praktisch nur schwerlich durchführbaren Einbeziehung subjektiver Elemente führen, so der BFH.

Keine Anwendung des § 42 AO a.F.

Die unmittelbare Anwendung des § 42 AO a.F. bzw. Auslegung des § 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG unter Rückgriff auf § 42 AO a.F. schließt der BFH aus. Mit Verweis auf seine ständige Rechtsprechung (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 20.03.2002, I R 63/99) führt der BFH aus, dass es im Fall einer speziellen Missbrauchsbekämpfungsnorm, wie hier des § 15 Abs. 2 Satz 3 und 4 UmwStG, nicht zur Anwendung des § 42 AO a.F. kommt.

Anmerkungen

Einordung der Entscheidung

Mit dem vorliegenden Urteil wurde die seit Jahren umstrittene Rechtsfrage, ob § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG einen eigenständigen, über die Fälle des Satzes 4 hinausgehenden, Anwendungsbereich hat, nun höchstrichterlich entschieden. Die Entscheidung des BFH ist auch im Hinblick auf die Anwendung der Vorschrift des § 15 Abs. 2 UmwStG in der Praxis zu begrüßen. Da der BFH einen eigenständigen Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ablehnt, sind also Veräußerungen von Anteilen an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft unterhalb der 20%-Grenze oder nach Ablauf der Fünfjahresfrist für die Buchwertfortführung bei Abspaltungen unschädlich.

Neu gefasster § 42 AO

§ 42 AO ist mit dem Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 (BGBl. I 2007, S. 3150) ergänzt und neu gefasst worden. Wie die Finanzverwaltung ausführt, schließt nach neuer Rechtslage allein das Vorliegen einer einzelgesetzlichen Regelung, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, die Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 AO nicht aus (vgl. AEAO zu § 42 AO). Folglich könnte die Beurteilung des BFH zur neuen Rechtslage insoweit anders als im o.g. Streitfall ausfallen.

Betroffene Normen

§ 15 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UmwStG, § 42 AO a.F.

Streitjahr 2007

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 18.09.2018, 6 K 77/16, siehe Deloitte Tax News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 11.08.2021, I R 39/18

Weitere Fundstellen

FG Berlin-Brandenburg vom 31.05.2018 – 9 K 9143/16, EFG 2018, 1681 mittlerweile entschieden vom BFH, Urteil vom 11.08.2021, I R 27/18, siehe Deloitte Tax News

Finanzbehörde Hamburg, Erlass vom 13.04.2015, DStR 2015, S. 1871

BFH, Urteil vom 03.08.2005, I R 62/04, BStBl. II 2006, S. 391

BFH, Urteil vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, S. 50

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